"Amen, ja, mein Glück ist groß" : Henriette Louise von Hayn (1724-1782) ; eine Dichterin des Herrnhuter Pietismus

„Amen, ja, mein Glück ist groß.“ So lautet die letzte Zeile des bekannten geistlichen Liedes „Weil ich Jesu Schäflein bin.“ Die Dichterin dieses Liedes ist Henriette Louise von Hayn (geb. Idstein 1724, gest. Herrnhut 1782), deren Leben und Werk in dieser Arbeit dargestellt und durch umfangreiche Bei...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Schneider-Böklen, Elisabeth
Beteiligte: Schneider, Hans (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2005
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:„Amen, ja, mein Glück ist groß.“ So lautet die letzte Zeile des bekannten geistlichen Liedes „Weil ich Jesu Schäflein bin.“ Die Dichterin dieses Liedes ist Henriette Louise von Hayn (geb. Idstein 1724, gest. Herrnhut 1782), deren Leben und Werk in dieser Arbeit dargestellt und durch umfangreiche Beilagen zugänglich gemacht wird. Sie floh 20jährig aus ihrem (lutherischen) Elternhaus in Idstein und schloß sich der pietistisch geprägten Brüdergemeine des Grafen Zinzendorf an, der damals nach der Vertreibung aus Herrnhut (Oberlausitz) eine Siedlung auf dem Herrnhaag (bei Büdingen) gegründet hatte. Dort lebte und arbeitete sie als Erzieherin der Mädchen, angezogen und überzeugt von der dort herrschenden „Blut- und Wundenfrömmigkeit.“ Diese stellte die Liebe zum gekreuzigten Jesus, dem „Marterlämmlein“ und Heiland, in den Mittelpunkt, vielfältig ausgedrückt durch Musik, Dichtung und festliche Inszenierungen. Da in der Brüdergemeine das ganze auch alltägliche Leben „vor dem Heiland“ geschah und als Liturgie verstanden wurde, ist keine klare Trennung zwischen „weltlichen“ und „geistlichen“ Ämtern in der Brüdergemeine der Zinzendorfzeit und etliche Jahre danach zu ziehen. Zudem ist die Struktur wie die Frömmigkeit der Brüdergemeine geprägt sowohl durch den Rückgriff auf die Tradition etwa der alten Brüderunität (Amt des Diakons, Presbyters, Bischofs), wie auch durch eine große Innovationsfreude und dem Erfinden neuer Amtsbezeichnungen (z. B. Bandenhalter/innen oder Chorhelfer/innen). Die Doppelung in letzteren Bezeichnungen weist auf ein weiteres Merkmal der Herrnhuter Ämter hin: die weiblichen Doppelstrukturen. Männer und Frauen wurden als gleichwertig angesehen. Die Seelsorge stand im Mittelpunkt, weshalb Frauen besser bei ihresgleichen seelsorgerlich tätig sein sollten. So entstanden symmetrische Ämterstrukturen: Akoluth und Akoluthin als die unterste Stufe der geistlichen Ämter, dann Diakon und Diakonissa, Presbyter (Priester) und Presbyterin (Priesterin); nur das Bischofsamt blieb den Männern vorbehalten. Henriette Louise von Hayn wurde 1748 auf dem Herrnhaag erst zur Akoluthin und darauf zur Diakonissa eingesegnet. Nach dem Ende der Siedlung auf dem Herrnhaag 1750 ging Henriette Louise von Hayn mit der Mädchenanstalt nach Herrnhut, deren Leiterin sie dort wurde. Um das Jahr 1751 hatte sie ein besonderes religiöses Erlebnis der persönlichen Erlösung durch Jesus („Blut-Taufe“). Dies beschreibt sie eingehend in ihrem Lebenslauf und durch dieses Erlebnis wurde sie verstärkt zum Dichten geistlicher Lieder angeregt, in deren Mittelpunkt stets die innige Liebe zum Gekreuzigten steht. 1766 wurde Henriette Louise von Hayn Chorhelferin der ledigen Schwestern, d.h. geistliche Leiterin der selbständigen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft von bis zu 400 ledigen Frauen in Herrnhut. In dieser Zeit entstanden neben den Dichtungen als Grundlage für liturgische Feiern (wie dem jährlichen Chorfest der ledigen Schwestern am 4. Mai) viele Gelegenheitsgedichte und Lieder, deren Melodie allerdings kaum überliefert wurde. Aus den Gelegenheitsgedichten lassen sich Schlüsse auf die einzelnen namentlich genannten Frauen und das Leben in der Frauengemeinschaft ziehen. Der Ansatz dieser Arbeit läßt die Frauen, beispielhaft Henriette Louise von Hayn, persönlich zu Wort kommen und nimmt ihre subjektiven Aussagen ernst. Dies war in der Forschung nicht immer so, heißt die bislang wichtigste Untersuchung über das Leben der ledigen Schwestern in Herrnhut von Otto Uttendörfer doch bezeichnenderweise „Zinzendorf und die Frauen“ (1921) und bringt kaum Zitate der Schwestern selbst, sondern Zinzendorfs Meinung über sie. Auch wenn dieser Ansatzpunkt mit einem feministisch-theologischen Ansatz der weiblichen Subjektivität übereinstimmen mag, gibt es doch eine entscheidende Differenz zu einem solchen: die Arbeit geht aus von einem evangelisch-kirchlichen Bezugsrahmen, in dem das Kreuz und die Auferstehung Jesu Christi die entscheidenden Eckdaten sind. Die ausgeprägte und durchweg positiv erlebte Kreuzesfrömmigkeit der Henriette Louise von Hayn wie ihrer Mitschwestern fügen sich darin ein. Entgegen mancher feministischen Kritik an der Kreuzesfrömmigkeit, daß diese für Frauen in Vergangenheit und Gegenwart zum Unterdrückungsinstrument diente, will die Arbeit am Beispiel der Henriette Louise von Hayn zeigen, daß die Liebe zum gekreuzigten und auferstandenen Jesus vielmehr zur Lebensbewältigung wie auch zur eigenen Kreativität befähigen kann. Die Beilagen umfassen u.a.: den Lebenslauf der Henriette Louise von Hayn, Kantatentexte zur Christnacht der Kinder 1749 und dem Chorfest der ledigen Schwestern von 1750 und 1780, Verzeichnisse der (ungedruckten und gedruckten) Lieder und Gedichte sowie 14 Reden der Henriette Louise von Hayn, zur Beschreibung des damaligen Lebens in Herrnhut eine Nachricht vom Mädchenhaus in Herrnhut von 1762 und eine Hausordnung für das Chor der ledigen Schwestern von 1779.
Umfang:328 Seiten
DOI:10.17192/z2006.0115