Konzeptionelle Modellierung geometrischer Invarianzen in der visuellen Wahrnehmung von Primaten - Situativ gesteuerte Complex-Bildung als Grundlage invarianter Zellantworten

Unser Sehsinn vermittelt uns eine stabile Wahrnehmung der Umwelt. Objekte darin erkennen wir unabhängig von der Position, die wir ihnen gegenüber einnehmen. Diese invariante Wahrnehmung ist im Rahmen der verfügbaren neuronalen Modelle nur mit Einschränkungen zu erklären. Die Standardmodelle basi...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Kupper, Rüdiger
Beteiligte: Eckhorn, Reinhard, Prof. Dr. (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2004
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Unser Sehsinn vermittelt uns eine stabile Wahrnehmung der Umwelt. Objekte darin erkennen wir unabhängig von der Position, die wir ihnen gegenüber einnehmen. Diese invariante Wahrnehmung ist im Rahmen der verfügbaren neuronalen Modelle nur mit Einschränkungen zu erklären. Die Standardmodelle basieren auf einer hierarchischen Anordnung von Nervenzellen, deren Ziel es ist, spezifische neuronale Antworten für komplexe visuelle Reize aus Antworten auf einfache Reizkomponenten zu konstruieren. Ein wesentliches Konzept ist dabei die neuronale Oder-Bildung (Complex-Bildung) durch konvergente Verschaltung. Die Generierung von Invarianz für bestimmte Reizvariationen läuft hierbei der Formierung reizspezifischer Antworten entgegen -- auf Ebene des Signalflusses im Netzwerk, wie auch als Denkmodell. Die klassischen Modelle zur invarianten visuellen Formerkennung weisen daher Schwächen auf, etwa das Binde-Problem oder die Ununterscheidbarkeit von Objekten mit überlappenden Repräsentantenmengen. Die vorliegende Arbeit nähert sich dieser Problematik vom Blickwinkel der konzeptionellen Modellierung. Ein lebendiges Individuum erfährt seine Umwelt aktiv: Äußere physikalisch-körperliche Umstände beeinflussen die Verarbeitung im visuellen System. Ich formuliere hier das Konzept der situativ gesteuerten Complex-Bildung, das auf einer Steuerung der Übertragungseigenschaften einzelner Neuronen durch externe Parameter beruht. Seine Leistungsfähigkeit demonstriere ich in zwei Modellen zur invarianten visuellen Verarbeitung, der neuronalen retinalen Schlupfkorrektur und der entfernungsinvarianten Objektrepräsentation. Die Modelle überwinden entscheidende Probleme der klassischen Modellierung, erfordern jedoch einen erhöhten neuronalen Aufwand. Im Falle des Entfernungsinvarianzmodells führt der Einsatz der situativ gesteuerten Complex-Bildung zur Vorhersage einer neuartigen Zellklasse, den Entfernungs-Complex-Zellen. Neuronen mit teilweise ähnlichen Codierungseigenschaften wurden in jüngster Zeit experimentell nachgewiesen. In beiden Modellen wird durch die situativ gesteuerte Complex-Bildung eine Szenenrepräsentation generiert, die vom verwendeten Steuerparameter unabhängig ist. Es ist zu erwarten, daß auf gleiche Weise Invarianz auch gegenüber anderen äußeren Bedingungen erzeugt werden kann. Die situativ gesteuerte Complex-Bildung erweist sich so als universell einsetzbares Werkzeug zur konzeptionellen Modellierung neuronaler Invarianzen. Damit liefert sie auch ein effektives Denkmodell für das weitere Verständnis kortikaler Verarbeitung.
DOI:10.17192/z2004.0639