The evolution of sensory and neurosecretory cell types in bilaterian brains

This thesis deals with the origin of the photosensory and neurosecretory cell types in the bilaterian brain. As the main experimental system, I used the annelid Platynereis dumerilii. Platynereis is an emerging protostomian model organism that is ideally suited for comparisons with vertebrates becau...

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Teßmar-Raible, Karla Gisela Kristin
Beteiligte: Hassel, Monika (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Englisch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2004
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Diese Dissertation befaßt sich mit der vergleichenden Analyse der Entwicklung lichtsensorischer und neurosekretorischer Systeme in der Evolution der Bilateria. Die Hauptfragestellung der Arbeit ist, ob die lichtsensorischen und neurosekretorischen Systeme, die in den verschiedenen Zweigen des evolutionären Stammbaums existieren, auf gemeinsame Anlagen in den Vorfahren aller Bilateria (Urbilateria) zurückführbar sind, also homolog sind, oder ob diese Systeme mehrfach unabhängig voneinander entstanden, und daher als konvergent zu betrachten sind. Die Arbeit knüpft, vor allem im Bezug auf die lichtsensorischen Systeme, an einen langen wissenschaftlichen Disput an, in dem wahlweise die partiellen morphologischen und molekularen Gemeinsamkeiten oder die offenkundigen Unterschiede zwischen den verschiedenen natürlich vorkommenden Augentypen als Evidenz für oder wider die Homologie dieser Strukturen ins Feld geführt wurden. Die vorliegende Arbeit wählt im wesentlichen zwei Lösungsansätze, um diese Fragestellung neu zu untersuchen: Erstens sucht sie Entsprechungen vornehmlich nicht auf der Ebene von Organen (z.B. dem Auge), sondern auf der Ebene von einzelnen Zelltypen. Diese Betrachtungsweise wird der Möglichkeit gerecht, daß von der Vielzahl der Zelltypen, aus denen sich komplette Organe zusammensetzen, nur ein Teil (z.B. die Photorezeptorzellen des Auges) in dem Vorläufer-Organ beteiligt war, während andere später in der Evolution hinzutraten und für substantielle Unterschiede zwischen den entsprechenden Organen in den heutigen Lebewesen verantwortlich sind. Zweitens wählt diese Arbeit auf Seiten der Protostomia einen Organismus zum Haupt-Studienobjekt, der sich für den Bilateria-weiten Vergleich sehr viel besser eignet als die herkömmlichen Modellorganismen Drosophila melanogaster und Caenorhabditis elegans. Dies ist der Polychaet Platynereis dumerilii (Annelida, Nereididae). Neuere Erkenntnisse belegen, daß verschiedene Tiergruppen unterschiedlich schnell molekular and morphologisch evolvieren. Diese Tatsache spiegelt sich im jeweiligen Repertoire von Genfamilien und Zelltypen wider, die in den verschiedenen Organismen gefunden werden können. Während das Genrepertoire von Drosophila melanogaster und C.elegans im Lauf der Evolution stark reduziert wurde und mit einem hoch abgeleiteten Entwicklungsmodus korreliert, weist Platynereis dumerilii neben seiner ursprünglicheren Lebensform auch ein breiteres Repertoire an Genen und Zelltypen als die oben erwähnten Organismen auf. Die bisherigen Vergleiche der Gene und Zelltypen von Platynereis dumerilii, anderer Lophotrochozoa und Cnidaria mit Deuterostomia (insbesondere Wirbeltieren) legt den Schluß nahe, daß viele dieser Zelltypen und Gene ursprünglich sind, in der Evolution von Drosophila melanogaster oder C.elegans jedoch verloren gingen. Wie auch die vorliegende Studie zeigt, eignet sich Platynereis dumerilii daher außerordentlich gut, um in Fragen der Homologie und Konvergenz insbesondere auf der Zelltyp-Ebene Klarheit zu schaffen, und damit auch aufzudecken, in welchem Grade Urbilateria bereits lichtsensorische und neurosekretorische Systeme besaßen. Der erste Teil der Arbeit beschreibt die Rekonstruktion der Bestandteile des lichtsensorischen Systems von Urbilateria. Um die großen Unterschiede in den Augen von Protostomia (v.a. Insekten) und Deuterostomia (v.a. Wirbeliteren) zu erklären, war in jüngerer Vergangenheit die Hypothese aufgestellt worden, daß Urbilateria nicht nur einen, sondern bereits zwei verschiedene Photorezeptor-Zelltypen besaßen, die aber im Verlauf der Evolution in verschiedener Weise in die Augen von Protostomia und Deuterostomia integriert wurden. Diese zwei Zelltypen korrelieren nach dieser Theorie mit den heutigen rhabdomeren und ciliären Photorezeptorzellen, die sich ultrastrukturell und molekular unterscheiden lassen. Die rhabdomeren Typen bilden die Photorezeptorzellen der larvalen und adulten Drosophila-Augen, während die ciliären Photorezeptorzellen als Stäbchen und Zapfen des Wirbeltierauges fungieren. Sollten beide Zelltypen in der Tat ursprünglich sein, dann sollte man erwarten, daß sie sich auch heute noch gemeinsam in den verschiedenen Bereichen des Stammbaums der Lebewesen nachweisen lassen, insbesondere in den beiden großen Bereichen der Protostomia und der Deuterostomia. In der Tat existieren molekulare und morphologische Hinweise, daß Wirbeltiere beide Zelltypen besitzen. Außerdem sind bei Platynereis – nicht aber bei Drosophila – morphologisch neben den rhabdomeren auch ciliäre Photorezeptorzellen beschrieben. Der wichtige Nachweis aber, daß insbesondere die ciliären Zellen von Platynereis dumerilii auch molekular mit den ciliären Photorezeptorzellen der Deuterostomia homolog sind, konnte bislang nicht erbracht werden. Die vorliegende Arbeit beschreibt daher in ihrem ersten Teil eine weitergehende molekulare Charakterisierung der ciliären und rhabdomeren Photorezeptorzellen von Platynereis dumerilii und ihren Vergleich zu den Photorezeptorzellen der Wirbeltiere. Die Klonierung eines neuen Platynereis opsin Gens spielt in dieser Analyse eine Schlüsselrolle. Einerseits erlaubt die Expressionsanalyse dieses Gens die Schlußfolgerung, daß die morphologisch charakterisierten ciliären Photorezeptor-Zellen in Platynereis tatsächlich photosensitiv sind. Andererseits erweist die Analyse der Sequenz des zugehörigen Opsin Proteins, daß es (zusammen mit zwei Opsinen aus Anopheles gambiae) molekular deutlich näher an den Opsinen der ciliären Wirbeltier-Photorezeptorzellen steht als an den Opsinen der (rhabdomeren) Protostomia-Photorezeptorzellen. Das bestätigt auch auf molekularer Ebene, daß in Urbilateria ursprünglich zwei Typen von Photorezeptorzellen existierten. Diese Daten deuten darauf hin, daß die ciliären Photorezeptorzellen des Wirbeltiergehirns und –auges (neben den Zapfen und Stäbchen des Auges auch die lichtsensitiven Neurone des Hypothalamus und Pinealorgans) und die ciliären Photorezeptorzellen im Gehirn von Platynereis dumerilii homologe Zelltypen sind. Im Gegensatz dazu ist das bereits bekannte und charakterisierte Platynereis opsin klar mit den restlichen wirbellosen opsinen verwandt und im Einklang mit der Theorie nur in den Augen von Platynereis exprimiert, welche aus dem zweiten, rhabdomeren Photorezeptor-Typ bestehen. Neben diesem wichtigen Befund erlaubte die weitergehende Expressionsanalyse, den ciliären und rhabdomeren Rezeptorzellen jeweils auch Transkriptionsfaktoren zuzuordnen, deren Orthologe sowohl in Wirbeltieren wie auch in Platynereis dumerilii spezifisch mit entweder dem einen oder dem anderen Photorezeptor-Zelltyp korrelieren (rx mit dem ciliären Typ; ath, brn3 mit dem rhabdomeren Typ). Dies lieferte weitere Bestätigung für die These, daß beide Zelltypen molekular stark unterschiedlich und ursprünglich für Bilateria sind. Diese Theorie erlaubt einige Annahmen über die mögliche ursprüngliche Funktion sowie die Evolution der beiden ursprünglichen Zelltypen: Der rhabdomere Photorezeptor-Zelltyp spielte wahrscheinlich in einem ursprünglichen primitiven Auge eine Rolle für das Sehen (wie das im Auge der rezenten Insekten der Fall ist), während die im inneren Gehirn liegenden ciliären Photorezeptorzellen ursprünglich nur der Lichtwahrnehmung dienten, ähnlich den Photorezeptorzellen im Pinealorgan und Hypothalamus der heutigen Wirbeltiere. Der ciliäre Zelltyp wurde jedoch zusätzlich ins heutige Wirbeltierauge rekrutiert und übernahm dort schließlich die Funktion der visuellen Wahrnehmung, während der rhabdomere Zelltyp als heutige retinale Ganglienzellen persistieren. Somit stellt das heutige Wirbeltierauge eine Kompositionsstruktur dar, die auf Ebene der einzelnen Zelltypen jedoch mit einzelnen Bestandteilen des Protostomia-Gehirnes homologisierbar ist. Diese Erklärung liefert eine neue Basis für das Verständnis der molekularen Ähnlichkeiten und Unterschiede, die zwischen den Wirbeltier- und Insektenaugen gefunden werden können. In Fortsetzung dieser Analyse untersuchte der zweite Teil der Arbeit den gesamten medianen Hirnbereich der Platynereis-Trochophoralarve und seine Zelltypen und vergleicht diese Ergebnisse mit dem medianen Vorderhirnbereich der Wirbeltiere. Das Expressionsstudium von sieben verschiedenen Transkriptionsfaktoren in Platynereis, und der Vergleich zu den Expressionsorten der Orthologen in Wirbeltieren, ergibt eine bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen ventral/ medianen Vorderbereich des Wirbeltiergehirns und dem medianen Bereich der Episphere der Trochophoralarve. Die molekulare Ähnlichkeit zwischen Platynereis und Wirbeltieren in diesem Bereich ist insbesondere bemerkenswert, da vier der Orthologen (nk2.1, vax, otp) hochspezifisch für das ventral/ mediane Vorderhirn der Wirbeltiere einerseits und das mediane Vorderhirn von Platynereis andererseits sind. Die Ausdehnung des Vergleichs auf molekulare 'Marker' für differenzierte Zelltypen (Serotonin, RFamid(e), gnrh-r und hdc) und auf spezielle Zellmorphologie führt zu der These, daß die mediane Episphere der primären ciliären Larven mit ihrem zentralständigen stark neurosekretorischen Apikalorgan und das ventrale/ mediane Vorderhirn der Wirbeltiere mit dem zentral-liegenden Hypothalamus auf einen gemeinsamen Vorläufer in den Urbilateria zurückführbar sind. Das bedeutet, daß viele der Zelltypen des Hypothalamus der Wirbeltiere einen sehr alten Ursprung haben, und wirft die spannende Frage auf, was die ursprüngliche Funktion dieser Zellen gewesen sein könnte, und welche Rolle sie zudem in wesentlich einfacheren Organismen spielen, wie die Platynereis-Trochophoralarve sie darstellt. Sowohl die Augen als auch der Hyphothalamus sind in ihrer Entwicklung in Wirbeltieren von einem funktionierendem Hedgehog- Signaltransduktionsweg abhängig. Es stellt sich daher die Frage, ob sich die durch Vergleiche von Genexpression und Zellmorphologie postulierte Homologie von Photorezeptor-Zelltypen und medianen Vorderhirn-Zelltypen bei Wirbeltieren und Platynereis dumerilii auch in den Mechanismen widerspiegelt, die bei der Entwicklung dieser Zelltypen und Bereiche ein Rolle spielen. In Erweiterung der vorangegangenen vergleichend-entwicklungsbiologischen Arbeit um diesen funktionalen Aspekt, befaßt sich der dritte Teil dieser Studie mit der Frage, ob der Hedgehog (Hh)- Signaltransduktionsweg eine Rolle in der Hirnentwicklung in Platynereis dumerilii spielt. Eine Expressionanalyse von hh und smoothened, zwei Bestandteilen des Signaltransduktionsweges, legt nahe, dass dies ähnlich wie bei Wirbeltieren der Fall sein könnte. Das Molekül Cyclopamin hat in Wirbeltieren einen spezifisch inhibitorischen Effekt auf den Hh- Signalweg. Die Arbeit zeigt, daß bereits ein Fünftel bis ein Zehntel der in Wirbeltieren wirksamen Konzentrationen zu morphologisch und molekular distinkten Defekten im larvalen Zentralnervensystem von Platynereis dumerilii führen. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass mehrere Faktoren nur in Teilen ihrer Expressionsdomänen betroffen sind, an anderen Orten aber nicht beeinträchtigt sind. Das macht eine allgemeine Entwicklungsverzögerung als Begründung für die erwähnten Defekte unwahrscheinlich. Morphologische und molekule Defekte, die durch Cyclopamin-Inkubation in Platynereis hervorgerufen werden können, ähneln Defekten, die man in Wirbeltieren bei Störungen des Hh- Signalweges beobachten kann. Das deutet stark darauf hin, daß Cyclopamin auch in Platynereis den Hh- Signalweg beeinträchtigt. Diese Analyse führt, neben einem besseren Verständnis der Entwicklung des Zentralnervensystems bei Platynereis dumerilii, auch zu einem besseren Verständnis von Gemeinsamkeiten und Unterschieden bei der Gehirnspezifizierung in Bilateria. So deutet die Studie darauf hin, welche ursprünglichen Rollen der Hh-Signaltransduktionsweg in Bilateria hat. Ein Funktionsverlust führt in Platynereis, ähnlich zu der Situation in Wirbeltieren, zu einer stärkeren Reduktion der lateralen Vorderhirnexpression von pax6 als der medianen nk2.1 Expression (vergleichbar mit der Situation im Diencephalon des Zebrafisches), außerdem zu einer Reduktion der Pigmentzellen und Photorezeptorzellen des Auges, und zu einer Fehlsteuerung der axonalen Verbindungen. Desweiteren deutet diese Analyse auf Faktoren hin, die auch im Wirbeltier-Hypothalamus unter der Kontrolle vom Hh- Signalweg stehen könnten, unter diesem Aspekt dort jedoch noch nicht analysiert worden sind (z.B. rx oder RFamid (e). In ihrer Gesamtheit unterstreicht die vorliegende Arbeit letztlich auch die herausragende Eignung von Platynereis dumerilii für die Studie von Entwicklungsprozessen im Bilateria-weiten Vergleich. Neben der Klärung evolutiver Fragestellungen beinhaltet diese Studie einen weiteren Punkt, der zukünftig von weitergehender Nützlichkeit auch für die Erforschung von Wirbeltieren sein könnte. Denn sie beschreibt eine initiale Charakterisierung und Lokalisierung von Zelltypen im Vorderhirn von Platynereis, die wahrscheinlich hohe Verwandschaft, zumindest aber starke molekulare Ähnlichkeiten zu den neurosekretorischen Zelltypen des ventral/ medianen Vorderhirns, besonders des Hypothalamus haben. Dieses Bezugssystem kann in Zukunft genutzt werden, um einerseits bisher unbekannten, aber auch in Wirbeltieren konservierten Genen erste mögliche Funktionen zuzuordnen (beispielsweise über die, in dieser Arbeit bereits erwähnte systematische Expressionsmusteranalysen von cDNA Banken). Desweiteren stellt die Trochophora-Larve von Platynereis mit ihrer relativ einfachen, aber wahrscheinlich ursprünglichereren Morphologie ein attraktives Modellsystem dar, in dem sich die Funktion ursprünglicher Gene in manchen Aspekten besser analysieren läßt als in den molekular reduzierteren und morphologisch stärker abgeleiteten klassischen Modellorganismen Drosophila melanogaster oder Caenorhabditis elegans.