Lemberg, Margret: Einleitung: Die ersten Frauen an der Universität Marburg. In: Es begann vor hundert Jahren. Die ersten Frauen an der Universität Marburg und die Studentinnenvereinigungen bis zur "Gleichschaltung" im Jahre 1934. Eine Ausstellung der Universitätsbibliothek Marburg vom 21. Januar bis 23. Februar 1997. Ausstellung und Katalog Margret Lemberg. Marburg 1997 (Schriften der Universitätsbibliothek Marburg ; 76). - S. 1-31. http://archiv.ub.uni-marburg.de/sum/76/sum76-3.html


Einleitung: Die ersten Frauen an der Universität Marburg

von Margret Lemberg

Als mit dem Erlaß des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten in Berlin vom 18. August 1908 im Wintersemester 1908/09 den Frauen der reguläre Zugang zum Studium an preußischen Universitäten eröffnet worden war, schien für Außenstehende ein Kampf erfolgreich beendet zu sein, der zwei Jahrzehnte lang gewährt hatte.

Wollte eine Frau vor diesem Datum an Vorlesungen teilnehmen, war ihr das seit dem 9. August 1886 als Hörerin gestattet [Anm. 1], wenn das Ministerium in Berlin die Vorbildung der jungen Dame in jedem Einzelfall geprüft und der betreffende akademische Lehrer der jeweiligen Hochschule sein Einverständnis zur Anwesenheit einer Frau bei seinen Vorlesungen gegeben hatte. Zu einer akademischen Prüfung konnte sie sich jedoch an einer Universität in Preußen ebensowenig wie in den Gliedstaaten des Deutschen Reichs anmelden [Anm. 2]. Zehn Jahre später erst, am 16. Juli 1896, gestand Berlin den einzelnen preußischen Universitäten zu, über den gastweisen Besuch von Universitäts-Vorlesungen durch Frauen - wie bei männlichen Hörern auch - selbst zu entscheiden, da aus der Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht ein Bedenken nicht herzuleiten [Anm. 3] sei.

Nun muß man nicht etwa denken, daß dieses für heutige Begriffe geringfügige Recht, als Hörerin an Vorlesungen teilzunehmen, auf große Zustimmung bei den Professoren und Dozenten gestoßen wäre. Der Kurator der Marburger Universität glaubte am 24. Juni 1892 auf Anfrage der Berliner Behörde berichten zu müssen, daß in hiesigem Akademischen Lehrkollegium die Auffassungen über die Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium sehr getheilt [Anm. 4] seien. Daß die Anwesenheit von Frauen als einschneidend in der Tradition einer seit Jahrhunderten von Männern bestimmten Anstalt empfunden wurde, beweist die Rede des Professors der Geographie Dr. Theobald Fischer aus Anlaß der Rektoratsübergabe am 13. Oktober 1895, in der er bei dem Rückblick auf die wichtigsten Ereignisse des verflossenen Jahres seine Abneigung gegen die Zulassung von Frauen zum Hören von Vorlesungen deutlich verbalisierte [Anm. 5], wie der Kurator nach Berlin meldete (Katalogteil 1). Die Tatsache, daß solch eine ablehnende Meinung selbst in einer öffentlichen Rede formuliert werden konnte, läßt den Widerstand ahnen, auf den eine junge Frau mit wissenschaftlichen Ambitionen innerhalb der Universität stoßen mußte.

Die "Hessische Landeszeitung" aus Marburg nahm am 15. Oktober 1895 [Anm. 6] allein durch die Wortwahl in ihrem Bericht zu den Auslassungen des ehemaligen Rektors wertend Stellung. Nachdem der Journalist die lobenden Worte des sich verabschiedenden Rektors über den Zustand der Marburger Universität ohne Ironie referiert hatte, fuhr er in einem anderen Stil fort: Allerdings hatte dieses erfreuliche Bild einen tiefen Schatten: Eine "tiefgreifende Neuerung" hat nämlich im letzten Sommersemester die heilige Ordnung unserer Universität erschüttert. Vergebens protestierte der Rektor auf Grund seiner hausväterlichen, im Portalschlüssel symbolisierten Pflichten, gegen diesen Umsturz, er mußte schließlich dulden, daß zwei Frauen zum ersten Mal zu den Vorlesungen, wir wissen nicht, ob auch zu denen des Rektors, zugelassen wurden. Eine Engländerin und eine Oesterreicherin, die Vorsteherin eines Lyceums, waren die Friedensstörer. Herr Theobald Fischer nahm Gelegenheit, in ernster Mahnung auf die fürchterlichen Konsequenzen dieses ersten Umsturzes hinzuweisen. Bald werden die Studentinnen die Hörsäle überfluten, hineingerissen in den"zügellosen Wettbewerb" werden sie entweibt, schließlich auch das Wahlrecht verlangen; und doch sei eine Erweiterung der Rechte der Frauen nicht zu dulden ohne entsprechende Ausdehnung der Pflichten. Damit aber käme man zu dem Absurdum der Militärdienstpflicht der Frauen. Einige Studenten in unserer Umgegend belohnten den geistreichen Scherz mit beifälliger Heiterkeit.

Der Kurator, dem es peinlich war, die z.T. sensationssüchtigen Zeitungsausschnitte, wie er sie bezeichnete, über die Rede des Rektors seinem Jahresbericht 1895 beifügen zu müssen, betonte aber, daß Professor Fischer - den Direktiven aus Berlin entsprechend - trotzdem der Lehrerin Natalie Wickerhauser aus Agram (Zagreb) und der Lehrerin Miss Mackenzie die Erlaubniß zum Hören von Vorlesungen gemäß § 77 der hiesigen Universitätsstatuten ertheilt habe; doch die Sorge um den Verfall der Wissenschaft klingt auch bei ihm genauso an, wie bei der Nachricht, daß auch der im Oktober 1895 mit ihrem Gatten hierhergekommene[n] Amerikanerin Mistress Matthews nach Feststellung ihrer genügenden Vorbildung der Hörerschein ausgehändigt worden sei. Um so erstaunlicher ist es, daß in einem mehrseitigen Gutachten der Universität Freiburg vom 29. Januar 1898, nur wenige Jahre später also, über die Meinung der deutschen Universitäten zum Frauenstudium unter "Marburg" zu lesen ist: In Marburg dagegen dürften die meisten Collegen einer Änderung, nach welcher Frauen unter gleichen Bedingungen wie Männer immatrikuliert würden, geneigt sein [Anm. 7]. Bei nahezu allen anderen Hochschulen heißt es, sie hätten sich dagegen ausgesprochen (Katalogteil 4).

Was verstand man im Königreich Preußen unter "genügender Vorbildung"? Ein Gymnasium, ein Realgymnasium oder eine Oberrealschule, deren Abschlußzeugnis zum Studium an Universitäten und Hochschulen berechtigte, durften grundsätzlich nur Knaben besuchen. Ein Mädchen konnte nur in Ausnahmefällen am Unterricht einer Knabenschule teilnehmen und damit das Abitur machen. Eine einem Gymnasium vergleichbare höhere Schule für Mädchen existierte in Preußen nicht. Zwar gab es in jeder größeren Stadt eine staatliche oder wenigstens private "Höhere Töchterschule", doch das waren Bildungseinrichtungen für Töchter aus besseren Kreisen, in denen diese bis zum 15. Lebensjahr meist nicht einmal den Unterrichtsstoff einer Realschule für Jungen vermittelt erhielten. Erst 1908, mit dem Augenblick, als auch in Preußen Frauen zum regulären Studium an den Universitäten zugelassen wurden [Anm. 8], entstand für das Berliner Ministerium die Notwendigkeit, die schulische Vorbildung zu verbessern und staatliche Einrichtungen hierfür zu schaffen (Katalogteil 5). So konnten von 1908 an junge Mädchen nach der 10klassigen "Höheren Töchter- oder Mädchenschule" unter drei weiterführenden Anstalten wählen: einer ein- oder zweijährigen Haushaltsschule, einem höheren Lehrerinnenseminar (= Oberlyzeum) und einer Studienanstalt, die unmittelbar auf ein Universitätsstudium vorbereitete. Natürlich existierte ein solch reiches Bildungsangebot nur in großen Städten. In der Universitätsstadt Marburg z.B. gab es keine der drei Anstalten. Die meisten Kommunen und Provinzen entschieden sich für die Einrichtung von höheren Lehrerinnenseminaren [Anm. 9], da der erfolgreiche Besuch eines solchen Seminars der Absolventin zweierlei Möglichkeiten bot: Die junge Frau konnte als Lehrerin arbeiten oder, wenn sie genügend Energie aufbrachte, sich nach einem zweijährigen Schulpraktikum an einer der Universitäten im Deutschen Reich einschreiben lassen. Doch war den Frauen mit Seminarvorbildung nur ein Studium in der Philosophischen Fakultät erlaubt. Ebenso konnten sie keinen Doktorgrad erwerben, sondern nur ein Staatsexamen für das Lehramt an Höheren Schulen anstreben. Durch diese preußischen Bestimmungen aus dem Jahre 1908 war erst ab 1912 mit den ersten Studentinnen zu rechnen, die einen Anspruch auf einen Zugang zur Universität und zum Studium aller Fächer besaßen. Die Berechtigung der Frauen mit Lehrbefähigung für mittlere und höhere Schulen zum Studium an einer Universität wurde trotzdem immer wieder besonders von den Philosophischen Fakultäten beklagt. Als das Ministerium für Unterricht in Berlin den Erlaß vom 3. April 1909, der den Lehrerinnen nach einer zweijährigen Berufspraxis ein Universitätsstudium ermöglichte, am 11. Oktober 1913 modifizierte und den Lehrerinnen die zweijährige Berufspraxis zugunsten eines einjährigen Probejahrs nach dem Universitätsexamen erließ, erhob sich innerhalb der Universitäten ein Sturm der Entrüstung. Die dreiseitige Eingabe der Philosophischen Fakultät der Universität Marburg mit schweren Bedenken, welche die Fakultät gegen die Ministerialerlasse [...] über die Zulassung seminaristisch vorgebildeter Lehrerinnen zur vollen Immatrikulation und zum Oberlehrerexamen [Anm. 10] hatte, wurde jedoch abgewiesen.

Bis zum Ende dieses ersten möglichen "Durchgangs" hatten immer wieder begabte junge Frauen versucht, sich trotz aller Schwierigkeiten die notwendige Voraussetzung zur Zulassung zum Studium bzw. Hören von Vorlesungen zu verschaffen. War Geld genug vorhanden, besuchten die Mädchen ein Gymnasium in der Schweiz oder ein College in England [Anm. 11], oder sie wurden von Privatlehrern unterrichtet und konnten auf Antrag als Externe an Abiturprüfungen teilnehmen. Der andere, am häufigsten gewählte Weg war der über eine Ausbildung als Lehrerin (Katalogteil 3). Schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte es Bemühungen der evangelischen Kirche gegeben, die Bildung der Mädchen zu verbessern; so existierte eine bedeutende Bildungsanstalt für evangelische Gouvernanten in Droyßig bei Weißenfels [Anm. 12]; eine andere Keimzelle war das Kaiserswerther Mutterhaus der Diakonissen. Innerhalb der katholischen Kirche besaßen die Schulorden - besonders die Ursulinen und Englischen Fräulein - eine lange Bildungstradition; doch standen ihre anerkannt guten Fortbildungsschulen nur den Frauen offen, die in den jeweiligen Orden eingetreten waren. In Hamburg war schon 1850 eine sogenannte "Hochschule für das weibliche Geschlecht" entstanden, die jedoch im Jahre 1852 interner Schwierigkeiten wegen eingestellt wurde [Anm. 13]. Unabhängig von der Qualität der Ausbildung mußten die Frauen, die Lehrerinnen an staatlichen Schulen werden oder eine Privatschule eröffnen wollten, sich einer öffentlichen Prüfung unterziehen [Anm. 14]. Lehrerinnen waren infolgedessen auch die Vorkämpferinnen der "Frauenbewegung", die neben sozialen und politischen Zielen gleiche Bildungschancen für Jungen und Mädchen forderte. Ihnen und ihrer Vereinigung, dem 1890 gegründeten "Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein", ist die im Jahre 1894 für das Königreich Preußen erlassene "Bestimmung über das Mädchenschulwesen, die Lehrerinnenbildung und die Lehrerinnenprüfungen" zu verdanken.

Die erfolgreichste Vordenkerin war Helene Lange [Anm. 15], auch sie eine Lehrerin, die 1889 in Berlin die ersten "Realkurse für Frauen" eröffnete und vier Jahre später diese Klassen zu vierjährigen "Gymnasialkursen" zur Vorbereitung des Universitätsstudiums erweiterte [Anm. 16]. Im Jahre 1896 bestanden die ersten Frauen aus diesen Gymnasialkursen als Externe die Reifeprüfung. Helene Langes Vorbild ermöglichte ähnliche Einrichtungen in anderen großen Städten des Deutschen Reiches, so in Leipzig, Frankfurt und Breslau. Im badischen Karlsruhe wurde sogar schon 1893 das erste Mädchengymnasium eingerichtet. Obgleich sich bis zum Wintersemester 1908/09 am Status der Hospitantinnen im Königreich Preußen nichts änderte, beweist eine Regelung zur Zulassung zu medizinischen, zahnärztlichen und pharmazeutischen Staatsprüfungen vom 24. September 1900, daß die Kultusbehörden in Preußen sich gezwungen sahen, dem Drängen der Frauen nachzugeben. Die Bedingungen zur Zulassung konnten jedoch nur wenige Frauen erfüllen, setzten sie doch ein Reifezeugnis und ein Auslandsstudium - meist in der Schweiz - voraus [Anm. 17]. Immerhin gab es ab 1901 die ersten Zulassungen zur staatlichen Approbation. Bis dahin hatten in der Schweiz ausgebildete, examinierte Ärztinnen im Königreich Preußen nicht einmal einen Totenschein ausstellen dürfen.

Durch dieses Entgegenkommen ermuntert, versuchten Anfang 1902 junge Frauen an allen preußischen Universitäten - in Berlin 27, in Bonn 7, in Breslau 4, in Göttingen 2, in Königsberg 1, in Marburg [Anm. 18] 1 - die eine offizielle Reifeprüfung abgelegt hatten, in einem gemeinsamen, wohlformulierten Brief [Anm. 19] die preußischen Behörden und die Universitätsverwaltungen von der Notwendigkeit zu überzeugen, ihrer Bitte um Immatrikulation als reguläre Studierende zu entsprechen. Ihr Hauptargument wirkt durchaus überzeugend: Frauen ohne genügende Vorbildung drängten an die Universitäten. Unter den 611 hörenden Frauen der Berliner Universität seien nur 31Abiturientinnen. Ihr Vorschlag ging nun dahin, eine strenge Scheidung zwischen Studentinnen und Hörerinnen aufgrund der Vorbildung vorzunehmen. Die jungen Frauen mit Abiturzeugnis beklagten zudem, daß sie es als entehrend empfänden, wenn sie als Hörerinnen jeweils die Einwilligung des akademischen Lehrers einholen müßten, an dessen Vorlesungen sie teilzunehmen wünschten. Außerdem betonten sie, daß sie alle gezwungen seien, ihre preußischen Universitäten zu verlassen, um an einer Hochschule in Baden [Anm. 20] ein Examen zu machen (Katalogteil 2). Daß diese Behauptung den Tatsachen entsprach, läßt sich übrigens auch noch im Jahre 1906 und 1907 in Marburg nachweisen; einige der jungen Damen, die in Marburg als Hörerinnen an Vorlesungen teilnehmen, waren ein Jahr später in Freiburg, Heidelberg oder auch in Leipzig immatrikuliert, um eine Prüfung ablegen zu können.

Aus den universitätsinternen Stellungnahmen zu dem Brief der Abiturientinnen kann man erkennen, daß sich eine deutliche Mehrheit der Marburger Professoren für eine Immatrikulation der Frauen mit Reifezeugnis aussprach. Von 27 anwesenden Senatsmitgliedern erklärten sich 18 dafür und nur 9 grundsätzlich dagegen [Anm. 21]. Dem Brief der Studentinnen, der vom preußischen Kultusministerium an allepreußischen Universitäten verschickt worden war, sind Abschriften von Stellungnahmen anderer Universitäten zur Frage der Frauenimmatrikulation beigefügt, die jedoch ein von dieser positiven Meinung abweichendes Bild spiegeln. Nach einem mehrseitigen Gutachten, das von der "augenblicklichen" Situation ausgeht (Wintersemester 1903/04), studierten in Heidelberg 28 Frauen, in Freiburg 26, in München 25, in Erlangen 1 und in Würzburg 3; die Zahl der Hörerinnen im Reich betrug 1.260. Der namentlich nicht genannte Verfasser behauptet nun, daß die Frauen die Universitäten stürmen würden, wenn man ihnen den Zugang gestattete. So heißt es bei ihm u.a.: Sie werden sich mit dem rücksichtslosen Eifer, der einer auf Eroberung neuen Landes gerichteten Bewegung innewohnt, nach allen Studienzweigen drängen, die ihnen zu ergreifen freistehen wird [Anm. 22]. Der Vorschlag des Professors geht nun dahin, in Preußen eine Frauenuniversität wie in England oder den USA zu eröffnen; da es sich um zwei Kulturfragen ersten Ranges handelt, erstens um die Bewahrung der preußischen Universitäten und zweitens um die wahre Lösung des Problems der höheren Frauenbildung, so werden die finanziellen Hindernisse zu überwinden sein [Anm. 23]. Von noch entschiedenerer Ablehnung ist ein Schreiben aus Göttingen, das mit "gez. Roethe" [Anm. 24] versehen ist. Ein ausländisches Gutachten aus Genf bündelt viele der Vorurteile gegen Frauen: Unser ganzes übergrosses weibliches Studentenmaterial kommt aus Vorderasien, es sind polnische und russische Jüdinnen, Polinnen, Russinnen, Armenierinnen, Serbinnen und Bulgarinnen, und vor diesen möge der Himmel die deutschen Universitäten bewahren. [...] Die Frau studiert nicht, sie lernt, und wenn viele lernen, lernen die andern auch, d.h. die Männer verlernen das Studieren und begnügen sich mit Lernen. [...] Ueberwiegen aber erst die Frauen der Zahl nach, dann wird sie [die Universität] trotz der Anwesenheit von Männern, Professoren und Studenten, eine höhere Töchterschule [Anm. 25]. Trotzdem schienen die preußischen Ministerialbeamten die Entwicklung genauer beobachten zu wollen, denn sie entwarfen schon während der universitätsinternen Diskussionen ein neues Verzeichnis der an den preußischen Universitäten hörenden Frauen; bis 1902 hatte es genügt, die Namen, den jeweiligen Geburts- und Wohnort etc. und die pauschale Vorbildung der weiblichen Hörer nach Berlin zu melden. Nun war darüber hinaus außer Namen, Geburtsort und -datum, Konfession, Wohnort, Beruf des Vaters [Anm. 26] etc. die Vorbildung mit der genauen Bezeichnung der besuchten Schule und dem letzten Zeugnis bzw. dem Examen anzugeben.

Waren die Marburger Professoren in ihrer Mehrheit durchaus bereit, gründlich vorgebildete Frauen zur Immatrikulation zuzulassen, so schieden sich bei der nächsten Stufe, der Zulassung zur Habilitation, jedoch die Geister (Katalogteil 8). Nur die Mediziner sprachen sich im Jahre 1907 in ihrer Antwort auf eine diesbezügliche Anfrage des preußischen Ministeriums mit einer Stimme Mehrheit für eine mögliche Habilitation einer Dame an einer preußischen Universität aus [Anm. 27]. Die anderen akademischen Lehrer verneinten die statutenmäßige Zulässigkeit zur Frauenhabilitation - eine rechtlich zutreffende Feststellung, denn es sollte ja noch eineinhalb Jahre dauern, ehe Frauen überhaupt sich immatrikulieren durften -, aber sie sahen eine solchen Schritt auch mit den Interessen der Universität unvereinbar, da Frauen bisher noch keine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen gezeigt hätten. Der Rektor, Professor Ludwig von Sybel, meldete daraufhin u.a. nach Berlin: Rektor und Deputation glauben auf die Frage nicht eingehen zu sollen, inwieweit Frauen die Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit besitzen, halten sie aber für den Unterricht der Studenten und für deren amtliche Leitung wie für die übrigen Amtsgeschäfte im allgemeinen für ungeeignet. Sollte eine einzelne Frau in der Wissenschaft sich außerordentlich hervortun, wie z.B. die in Paris zum ordentlichen Professor an der Sorbonne ernannte Madame Currie (sic!), so könnte sie auf Vorschlag der in Frage kommenden Fakultät zum Honorarprofessor ernannt, wenn nicht lieber von einer Akademie zu ihrem Mitglied gewählt werden [Anm. 28]. Geradezu mit Abscheu betrachtete der Altphilologe Ernst Wilhelm Theodor Maass, der 16 Jahre später noch ebenso denken wird, eine fiktive Kollegin: Für mich ist der Gedanke undiskutierbar, eine Dame zur Amtskollegin aufzuziehen, wohl gar zu Dekanat, Rektorat usw. Die anderen preußischen Universitäten müssen ähnlich lautende Stellungnahmen abgegeben haben, denn am 29. Mai 1908 erging ein offizieller Beschluß des preußischen Ministeriums, daß die Zulassung von Frauen zur akademischen Laufbahn weder mit der gegenwärtigen Verfassung noch mit den Interessen der Universitäten vereinbar sei [Anm. 29].

Wenn man sich diese Stimmung gegen studierende Frauen vor Augen hält, läßt sich der Schritt einiger der 29 Hörerinnen an der Marburger Universität verstehen: 11 junge Damen entschlossen sich am Ende des Sommersemesters 1906, einen Verein ohne jede weltanschauliche Ausrichtung zu gründen, um gemeinsam ihre Interessen zu vertreten, sich gegenseitig bei der Suche nach einer Wohnung zu unterstützen - Frauen waren bei den Vermieterinnen nicht gern gesehen, da sie angeblich ihre Wäsche waschen und kochen wollten - und neu an die Marburger Universität kommenden Frauen durch Information über Studienverhältnisse zu helfen. Außerdem wollten sie natürlich auch eine ihnen genehme Art von Geselligkeit pflegen, gemeinsam wandern und Abende mit wissenschaftlichen Vorträgen und solchen über neuere Literatur organisieren [Anm. 30]. Es ist nicht weiter verwunderlich, daß sie keine grundsätzlich neuen Formen des studentischen Miteinanders schufen, sondern die Gebräuche der männlichen Verbindungen, die in Marburg besonders stark waren, nachzuahmen suchten (Katalogteil 10). Der offizielle Name lautete "Verein studierender Frauen zu Marburg angeschlossen an den Verband studierender Frauen Deutschlands" [Anm. 31].

Aus der Satzung kann man nicht nur die Ziele des Vereins ablesen, sondern aus den Bedingungen der Mitgliedschaft zusätzliche Absichten erkennen, die diese erste Marburger Studentinnenverbindung auszeichneten. So sind nicht nur reichsdeutsche Studentinnen Mitglieder, sondern es heißt unter 2. [es werden aufgenommen:] als außerordentliche Mitglieder: in Marburg immatrikulierte Ausländerinnen. Eine weitere Auffälligkeit sind die Studienfächer der 11 Gründungsmitglieder. Überall an den deutschen Universitäten waren die Frauen, die - aufgrund ihrer Vorbildung - nur an der Philosophischen Fakultät studieren durften, in der Überzahl. Von den Gründungsmitgliedern des Studentinnenvereins hingegen bezeichneten sich drei Frauen als cand. med., zwei als cand. iur. [Anm. 32], eine als cand. math. und zwei als cand. phil. bzw. phil. Drei nannten sich Oberlehrerin/Lehrerin, vermutlich waren auch sie Hörerinnen an der Philosophischen Fakultät. Das heißt, daß von den 11 Frauen 7 ein Abiturzeugnis besaßen, eine Quote, die ungewöhnlich hoch war. Diese durchaus ernst zu nehmende Gruppe wandte sich am 12. Juli 1906 mit einem Schreiben an die Königliche Universitätsdeputation zu Marburg mit der Bitte, die beiliegenden Statuten gütigst genehmigen zu wollen. Aus den Voten der Mitglieder der Deputation läßt sich jedoch erkennen, daß sich die Bitte um Genehmigung erübrigte, da die jungen Frauen gar nicht als akademische Partner angesehen wurden. So lautete einer der Kommentare: Da es sich nur um einen Verein von "Hörerinnen" handelt, bedarf m[eines] Er[achtens] der Verein der Genehmigung der Deputation nicht. Alle anderen Mitglieder schlossen sich der Meinung an.

Im Sommersemester 1907 zählte der Verein - bei 25 Gasthörerinnen an der Universität [Anm. 33] - schon 18 Mitglieder, unter ihnen 4 ausländische Studentinnen; hinzu kamen 6 inaktive Mitglieder, die zu Universitäten gewechselt waren, an denen sie ein staatliches Examen ablegen oder sich auf ein Examen in Marburg vorbereiten wollten [Anm. 34]. Sieben Altmitglieder unterstützten die Ziele der Gruppe. Als die offizielle Immatrikulation von Studentinnen an preußischen Universitäten im Wintersemester 1908/09 gestattet wurde, überarbeiteten die ehemaligen Hörerinnen und neueingeschriebene Studentinnen ihre Satzung und legten sie am 28. Januar 1909 dem Universitätsrichter und den Mitgliedern der Königlichen Universitäts-Deputation zur geneigten Genehmigung vor. In der revidierten Fassung hielten die Frauen an der "übernationalen" Ausrichtung ihrer Verbindung fest, obgleich zur gleichen Zeit in allen anderen Korporationen die Betonung des "Völkischen" zunahm.

So hieß es im § 2 unter "Mitglieder":

Es werden aufgenommen:

1. als ordentliche Mitglieder mit aktivem und passivem Wahlrecht
a. in Marburg immatrikulierte reichsdeutsche Studentinnen
b. als außerordentliche Mitgliedermit aktivem Wahlrecht in Marburg studierende Ausländerinnen.


Ehemalige Mitglieder und eingeschriebene Hörerinnen werden hingegen nur als außerordentliche Mitglieder mit beratender Stimme aufgeführt [Anm. 35] . Den Namen in den Mitgliederlisten nach zu urteilen, haben sich auch einige Jüdinnen von der Arbeit dieses Vereins und der Möglichkeit, Gleichgesinnte zu finden, angesprochen gefühlt [Anm. 36] (Katalogteil 6).

Diese erste Studentinnen-Verbindung in Marburg strebte, so gewinnt man den Eindruck, darüber hinaus eine Vereinigung aller akademisch gebildeten Frauen an, da sie auch in Marburg ansässige ehemalige Studentinnen und Hörerinnen und Personen, die besonderes Interesse für unsere Bestrebungen bekunden, zu ihren regelmäßigen Versammlungen, zu zwanglosen geselligen Zusammenkünften, zu Vorträgen und zu Wanderungen einlud. Von den im Wintersemester 1908/09 in Marburg studierenden 27 Frauen [Anm. 37] waren mehr als die Hälfte Mitglieder des Vereins.

Mit der wachsenden Zahl unter den Studierenden und dem Grad der Anerkennung der Frauen als Studentinnen und ihrer Vereinigung bei den meisten akademischen Lehrern, wuchs die Abneigung, ja der Spott der männlichen Studenten, vor allem der der studentischen Korporationem [Anm. 38]. So wenig die einzelnen männlichen Verbindungen miteinander kooperierten, in der Ablehnung der weiblichen Verbindungen waren sie sich erstaunlich einig (Katalogteil 7).

An den Reaktionen auf die wiederholten Gesuche des "Vereins studierender Frauen" um Aufnahme in den "Marburger Studentenausschuß", der Vertretung aller Studenten der Marburger Universität, läßt sich die Politik der Ausgrenzung demonstrieren. Der Verein studierender Frauen, der mittlerweile schon 35 ordentliche und 5 außerordentliche Mitglieder zählte, erhielt am 5. Dezember 1910 von der z.Zt. vorsitzenden Korporation des "Studentenausschusses", dem Akademischen Philologischen Verein, eine Absage mit einer Begründung, der das Selbstverständnis des weiblichen Vereins empfindlich traf, offen für alle studierenden Frauen zu sein, unabhängig davon, aus welchem Land sie kamen. Der Brief der Studenten lautete:

Marburg, d. 5. XII. 1910

Einem verehrlichen Verein studierender Frauen teilt Unterfertigter geziemend mit, daß Ihr Gesuch um Aufnahme in den Marburger Studentenausschuß von diesem abgelehnt worden ist mit der Begründung, daß Ihr Verein, der auch Ausländerinnen als ordentliche Mitglieder aufnimmt, nicht auf dem nationalen Princip steht, das die Satzungen des Ausschusses fordern.

Mit studentischem Gruß
Die z.Zt. vorsitzende Korporation des
Marburger Studentenausschusses:
Der Akad. Phil. Verein i. A. H. Garner


Um die Bedingungen des Marburger Studentenausschusses zu erfüllen, opferten die Studentinnen ihre Internationalität und vergaben in ihrer revidierten Satzung aus dem Sommersemester 1911 nur noch ein "Gastrecht" an Ausländerinnen. Doch das Gesuch aufgrund der neuen Satzung wurde wieder abgelehnt, ohne daß sich die Burschenschaft Alemannia, die den Vorsitz innehatte, überhaupt um eine Begründung glaubte bemühen zu müssen:

Marburg, d. 16. Juni 1911

Burschenschaft Alemannia

Einem verehrlichen Verein studierender Frauen gestattet sich unterfertigter Ausschuß mitzuteilen, daß das Gesuch um Aufnahme in den Marburger Studentenausschuß abgelehnt wurde.

Mit studentischem Gruß
Der Marburger Studenten-Ausschuß.
Die z.Zt. Vorsitzende M. B. Alemannia
I. A. Heinz Koch
Schriftwart


Obgleich der "Verein studierender Frauen", mittlerweile schon auf 53 Mitglieder angewachsen, am 13. Dezember 1911 mitteilte, daß er selbstverständlich auf den Vorsitz verzichten würde, wenn die Reihe an ihn käme, lehnte die Burschenschaft Germania den Antrag im Wintersemester 1911/12 mit den gleichen Worten wieder ab. Auch noch im Jahre 1915 verweigerten die Männer den Vertreterinnen der inzwischen 269 studierenden Frauen den Zugang zum Marburger Studentenausschuß [Anm. 39].

Eine andere, noch in das Ende des 19. Jahrhunderts zurückreichende Form der Reaktion auf die Bestrebungen der Frauen, im Zuge der Gleichberechtigung männliche Verhaltensweisen und studentisches Verbindungswesen nachzuahmen, stellt eine Satire im Stile Wilhelm Buschs von Max Brinkmann dar: "Das Corps Schlamponia - eine Studentinnen-Geschichte aus dem 20sten Jahrhundert" [Anm. 40]. In ihr werden alle Ebenen des "freien" Studentenlebens auf weibliche Wesen übertragen und durchgehend ironisiert. So gibt es einen "filius hospitalis", mit dem sich die netteste der Studentinnen - leider nicht folgenlos - vergnügt, oder eine andere Studentin verwöhnt und unterhält einen Mann und kämpft um seine Ehre; es gibt zwar keine Kneiptouren, aber genauso laute Kaffeefahrten mit Prügeleien zwischen konkurrierenden weiblichen Verbindungen, die sich darin voneinander unterscheiden, daß die einen Hosen tragen, die anderen hingegen Röcke [Anm. 41]. Doch am Schluß des Buches läßt der Autor das akademische Engagement der Frauen scheitern; seine Studentinnen sind entweder zu bequem oder zu dumm, werden alt und fett, ohne ein Examen zu bestehen, und heiraten wie eh und je, zudem noch unter ihrem Stand, bekommen acht Kinder und denken manchmal beim Wäschewaschen mit Wehmut an den "filius hospitalis". Obgleich die Verse und Zeichnungen auch heute noch erheitern, zeigen sie wohl die vor hundert Jahren verbreitete Meinung über die studierenden Frauen und die grundsätzliche Geringschätzung der weiblichen Bemühungen.

Auch bekannte Studentenlieder z.B. "Es zog ein flotter Bursch zum Rhein" und "Oh alte Burschenherrlichkeit" mußten sich weibliche Varianten gefallen lassen [Anm. 42]. In dem Lied mit der Überschrift "Klagen einer Studentin" läßt der Autor in der ersten Strophe und den ersten vier Zeilen der zweiten Strophe eine Studentin über die während des Studiums versäumten Chancen jammern. Der Rat des Verfassers schließt mit dem Motiv des "Carpe diem" und erinnert ein wenig an die Lyrik des Dichters Johann Christian Günther mit der Aufforderung, die Jugendzeit zu genießen, ehe es zu spät ist:

Klagen einer Studentin
(Melodie: Es zog ein flotter Bursch zum Rhein.)

Wie wütend ich aufs Studium bin!
Mein rosenfarb'ner Teint ist hin,
Vom Lernen geh'n die Haare aus,
Die Stirn durchziehen Falten kraus,
Und kurzsichtig wird bald der Blick,
Vom vielen Sitzen wird man dick,
Sich gut zu kleiden hält sehr schwer;
Mein Gott, die Schönheit leidet sehr!
Und eh' so ein Examen naht,
Da ist man meist schon recht bejahrt!

Doch ist es glücklich dann vorbei,
Da hat verpaßt man mancherlei.
Da sitzt man mit der Bildung dann
Und kriegt im Leben keinen Mann.
Und drum, ihr Mädels jung und nett,
Werft Hume und Kant aufs Bücherbrett,
Werft Kolben und Retort beiseit',
Schnell, denn es drängt und eilt die Zeit!
Eh' euer Jugendreiz verweht
Und eh's zu spät, ja, eh's zu spät!



Im zweiten Beispiel (Melodie: "O alte Burschenherrlichkeit") verfügt der männliche Verfasser sogar über Selbstironie und hat in den vier ersten Strophen witzige Beschreibungen für die veränderten Zeiten gefunden:


O junge Mädchenherrlichkeit

O junge Mädchenherrlichkeit
Welch neue Schwulitäten!
Bezieht ihr alle weit und breit
Die Universitäten!
Vergebens spähe ich umher,
Ich finde keine Hausfrau mehr!
(O jerum, jerum, jerum
O quae mutatio rerum!)

Die Nähmaschin' bedeckt der Staub;
Es sank der Herd in Trümmer;
Der Kessel ward des Rostes Raub,
Verblichen ist sein Schimmer.
Die Wäsche gibt man aus dem Haus
Und beizt mit Chlor die Flecken aus.

Wo sind sie, die beim Kaffeekranz
Nicht wankten und nicht rückten,
Die ohn' Latein bei Scherz und Tanz
Die Herr'n der Erd' entzückten?
Jetzt komm'n sie ihnen ins Geheg
Und wandern früh in das Kolleg.

Da forscht mit glüh'ndem Angesicht
Die ein' in Quellenschriften,
Die andre Frauenrecht verficht,
Und die hantiert mit Giften.
Sie alle hat der Wissensdrang
Hinaus gelockt aus altem Zwang. (...)



Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges veränderte sich das zahlenmäßige Verhältnis von männlichen und weiblichen Studenten. Im Wintersemester 1915/16 waren z.B. von 1.940 eingeschriebenen Studierenden 1.423 im Felde beurlaubt, in Marburg waren nur 517 ortsanwesend, davon 262 Frauen (Katalogteil 9). Viele dieser Studentinnen engagierten sich - besonders ab Herbst 1917 - in der Krankenpflege und übernahmen als unbezahlte Praktikantinnen die Plätze der Assistenzärzte, die eingezogen worden waren [Anm. 43]. Andere folgten den Aufrufen zum Hilfsdienst und zur Arbeit in der Rüstungsindustrie in Kassel. Auch in Marburg konnten vom WS 1916/17 an Studierende in der Lehrwerkstätte des Physikalischen Instituts ihre Zivildienstpflicht ableisten [Anm. 44] (Katalogteil 11 und 15). Eine Veränderung anderer Art läßt sich an der Marburger Universität außerdem feststellen: Neben dem "Verein studierender Frauen" gab es nun zwei neue Gruppierungen von Studentinnen, eine Vereinigung und eine Verbindung. Anders als der "Verein studierender Frauen" waren diese Zusammenschlüsse "weibliche" Ausgaben von schon in Marburg vorhandenen männlichen Vereinigungen und zudem prononciert konfessionell ausgerichtet. Es waren die "Deutsch-Christliche Vereinigung studierender Frauen" [Anm. 45], die sich an alle evangelischen Studentinnen wandte, und der "Katholische Studentinnenverein Friedhort" [Anm. 46], dessen Mitglieder überwiegend aus dem katholischen Rheinland und Westfalen kamen. Interessant für die vorliegende Untersuchung ist die Tatsache, daß diesen weltanschaulich geprägten Vereinigungen in ihrer Gründungsphase nahezu ausschließlich Studentinnen der Philosophischen Fakultät angehörten.

Nun sollte man denken, daß diese neuen Vereine durch ihre männlichen Parallel-Einrichtungen innerhalb der Studentenschaft Rückhalt fanden und durch die Bedingungen der Mitgliedschaft (immatrikulierte, reichsdeutsche, katholische bzw. evangelische Frauen, d.h. keine Jüdinnen) weniger Anstoß erregten; doch auch sie hatten Schwierigkeiten, einen Platz innerhalb der Korporationen bzw. Vereine zu finden. Da allen Studentinnen, wie schon gesagt, eine Vertretung im "Marburger Studentenausschuß" verweigert wurde [Anm. 47], beschlossen im Jahre 1915 die in Marburg studierenden Frauen eine eigene Vertretung, den "Verband der Marburger Studentinnen", zu gründen, in dem neben je einer Sprecherin der drei Vereine auch die gewählte Vertreterin der Studentinnen der "Freien Studentenschaft" und sechs Studentinnen der Nichtkorporierten die gemeinsamen Interessen aller studierenden Frauen an der Universität Marburg zu vertreten versuchten. Die Mitgliederlisten liegen bis 1918 vor. [Anm. 48]

Als der 1906 gegründete "Verein studierender Frauen" im Jahre 1921 sich in "Studentinnen-Verein Marburg" umbenannte und die Satzung der Zeitströmung anpaßte, blieb der Begriff "arisch" trotzdem ausgespart, und Ausländerinnen wurden weiterhin als Verkehrsgäste eingeladen. Zudem legten diese Studentinnen Wert darauf zu betonen, daß ihr Verein im Gegensatz zu den republikfeindlich und z.T. antisemitisch eingestellten männlichen Verbindungen keine religiöse oder parteipolitische Richtung vertreten wolle [Anm. 49].

Die Ablehnung, auf die die studierenden Frauen besonders nach dem Ersten Weltkrieg stießen, hatte nicht nur einen Grund in ihrer Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht und in der unbestimmten Furcht der jungen Männer, ihre dominierende Rolle in der Familie und der Gesellschaft einzubüßen, sondern war überwiegend materiell bedingt. In der Zeit hoher Arbeitslosigkeit und mangelnder Bereitschaft des Staates, neue Stellen für Beamte mit akademischer Ausbildung einzurichten, mußten die Studenten, besonders die relativ alten ehemaligen Kriegsteilnehmer, jede studierende Frau als unmittelbare Konkurrenz auffassen. Unter den 3.150 Studenten im Sommersemester 1919 waren immerhin 492 Frauen, eine überdurchschnittlich hohe Quote; in den folgenden Jahren sank die Anzahl der Studentinnen jedoch absolut und prozentual. Da es vermutlich für viele Familien unmöglich war, Sohn und Tochter studieren zu lassen, entschied man sich im Sinne der Tradition für den Sohn; das Mädchen blieb zu Hause oder erlernte einen Büroberuf. Nur so lassen sich die auffällig niedrigen Zahlen der zwanziger Jahre erklären. Im Sommersemester 1925 - Marburg war eine sogenannte Sommeruniversität, die im Sommer besonders viele Studierende anzog - waren nur 253 Frauen immatrikuliert. Erst Ende der zwanziger Jahre stieg die Anzahl der Studentinnen in Marburg wieder auf 869 (1930) an bei einer Gesamtzahl von 3.918 Studierenden [Anm. 50] (Katalogteil 9).

Am aggressivsten polemisierten die Lehrerverbände gegen eine akademische Ausbildung von Frauen; unter ihnen fielen besonders die Oberlehrer an Mädchenschulen auf, die mit allen Mitteln zu verhindern suchten, daß Frauen mit Universitätsbildung Stellen an höheren Mädchenschulen bekamen oder gar Direktorinnen von Mädchenschulen wurden [Anm. 51]. Einen Eindruck von der vernichtenden Zukunftsperspektive der Akademikerinnen aus gewerkschaftlicher Sicht kann man aus den Ausführungen des späteren Reichskanzlers Dr. Heinrich Brüning gewinnen. Unter dem Oberthema "Wirtschafts- und Wohlfahrtsfragen" äußerte er sich im Jahre 1920 zur "Notlage des Akademikers" [Anm. 52]:

Und nun ein Wort über die Aussichten der studierenden Frauen. Ihre Zahl ist von 2.000 = 4% der Gesamtziffer im Jahre 1910 auf 7.724 = 9,1% der Gesamtziffer der Studierenden im Jahre 1920 gestiegen. Das Charakteristische für die Gestaltung des akademischen Studiums der Frauen liegt in der starken Abwanderung vom Studium der Philologie und Geschichte zu den Naturwissenschaften, Mathematik, Medizin und Staatswissenschaften. Es ist bekannt, daß die aus dem Felde zurückkehrenden Kommilitonen die während des Krieges eingetretene gewaltige Zunahme des Frauenstudiums mit einem gewissen Ressentiment empfunden haben. Man nahm vielfach an, daß dabei eine gewisse Berechnung im Spiel sei.

[Nachdem Brüning erläutert hat, daß die Zunahme nur auf die Beendigung der ersten Abiturkurse zurückzuführen sei, fährt er fort:]

Wir haben also eine ganz naturgemäße und selbstverständliche Entwicklung vor uns. Das Trostlose ist nur, daß der Höhepunkt dieser Entwicklung mit einem Augenblick fürchterlichster wirtschaftlicher und politischer Depression zusammenfiel, so daß alle bei Beginn des Studiums gehegten Zukunftshoffnungen zunichte wurden.

Die Lage der weiblichen Studierenden hat sich innerhalb von 2 Jahren von Grund aus verändert. In der Philologie sind die Aussichten trostlos, vor allem auch deshalb, weil wir heute vor einer Krise unseres Privatschulwesens stehen.

Verhältnismäßig günstige Aussichten bestehen heute für die Studentinnen der Naturwissenschaft und Mathematik. Was ich aber vorhin bezüglich der allgemeinen Aussichten des Oberlehrerberufes [Negatives] gesagt habe, das gilt in gleichem Maße für die weiblichen Studierenden.

Außerordentlich trübe erscheinen auch die Aussichten der Medizinerinnen. [...] Von den Nationalökonomen [...] hoffen die meisten auf spätere Anstellungen als Sozialbeamtinnen. Aber wenn irgendwo, so hat es hier die Frau sehr schwierig, weil erfahrungsgemäß der Mann aus dem Unterbewußtsein heraus die in der praktischen Tätigkeit geschulte Frau vorzieht, für die organisatorische Tätigkeit aber den Mann.


Aus den ernsten Ausführungen des Geschäftsführers der "Vereinigung christlicher Gewerkschaften" (Deutscher Gewerkschaftsbund) Heinrich Brüning geht nicht hervor, daß er der Frau die Studierfähigkeit absprechen wolle; er malte nur ihre Berufserwartung genauso schwarz wie vorher die der männlichen Studierenden [Anm. 53]. Aus den Voten zur Habilitation der Germanistin Luise Berthold - der ersten Habilitation einer Frau an der Marburger Universität überhaupt - gewinnt man sogar den Eindruck, als sei die überwiegende Zahl der Professoren im Jahre 1923 bereit gewesen, die wissenschaftliche Leistung einer Frau relativ vorurteilsfrei zu würdigen. Der seit 1922 emeritierte Professor Friedrich Vogt, an dessen Lehrstuhl Luise Berthold gearbeitet hatte, beurteilte die unter seinem Nachfolger Professor Wrede entstandene und eingereichte Habilitation als ungewöhnlich gut. Über die Kandidatin, die er während seiner Amtszeit nicht zur Habilitation ermuntert hatte, schrieb er: Sie ist eine so entschieden wissenschaftlich gerichtete Natur, wie man sie unter Frauen nur sehr selten findet. [Anm. 54] Nur der Altphilologe, Professor Ernst Wilhelm Theodor Maass (1856-1929), wurde grundsätzlich und sprach - wie im Jahre 1907 - den Frauen die Fähigkeit ab, an einer Hochschule lehren und forschen zu können. Daß er mit seiner Meinung allein war, beweist sein schriftliches Votum, das sich auch gegen seine "frauenfreundlichen" Kollegen richtete:

Ich lese in einem Votum, daß inzwischen der Usus über die Zulassung von Frauen zur Habilitation entschieden habe. Das ist ein Irrtum. Der Usus oder Abusus hat nicht entschieden: Tatsache ist, daß einige Univer[sitäten] Frauen zugelassen haben, andere abgelehnt. Der Usus kann hier also gar nicht entschieden haben. Ich bin nach wie vor gegen Habil[itation] der Frauen, also auch im vorliegenden Falle dagegen - aus den altbekannten Gründen - da meine vier Insultanten in der Fakultät mir die Beteiligung an den Sitzungen unmöglich gemacht haben [...], so muß ich jetzt schon meine Ablehnung aussprechen [Anm. 55]. Wie sehr Professor Maass mit seiner Auffassung allein stand, sieht man nicht nur daran, daß Frau Berthold sich erfolgreich habilitierte und am 8. Dezember 1923 ihre Antrittsvorlesung hielt, sondern auch daran, daß Rektor Wilhelm Busch schon am 5. November 1923 einen Antrag an das Kultusministerium geschrieben hatte mit der Bitte, der Wissenschaftlerin den Status einer Privatdozentin zu verleihen. Ab 1. Januar 1924 erhielt Luise Berthold mehrfach ein Privatdozentenstipendium. Daß Frau Berthold trotzdem keine Professur erhielt und bis 1952 warten mußte, ehe sie zur beamteten a.o. Professorin ernannt wurde, hatte viele Gründe, wobei ihr Geschlecht nicht allein ausschlaggebend war [Anm. 56].

Ein äußeres Zeichen eines erträglichen Miteinanders brachte des Fest zum 400jährigen Bestehen der Universität im Jahre 1927. Vertreterinnen der Studentinnen-Vereine - es gab seit Mai 1927 eine weitere farbentragende Studentinnenkorporation, den Deutsch-Akademischen Frauenbund [Anm. 57] - nahmen an dem Festzug und den anderen offiziellen Feierlichkeiten teil, wenn auch auf den hinteren Rängen [Anm. 58]. Zu den Karnevalsfeiern [Anm. 59] des "Studentinnenvereines" ging man auch als Student mit Begeisterung [Anm. 60]. Selbst die studierenden Mittelschul- und Volksschullehrer hofften, mit der Gründung eines Vereins, der "Marburger Vereinigung studierender Lehrer und -innen" [Anm. 61], mit vereinter männlicher und weiblicher Kraft ihre Ziele der Universitätsverwaltung gegenüber besser durchsetzen zu können. Anders als die Studentinnen wurden sie von Berufsinteressen geleitet und kämpften um zusätzliche Ergänzungskurse in Englisch und Französisch, da ihrer Meinung nach in den Lektorenkursen die Anfänger nicht berücksichtigt würden.

Auch die Wahlen zur Kammer der Marburger Studentenschaft am 22. Juli 1927 [Anm. 62] trennten weniger Frauen und Männer voneinander als die wenigen Befürworter der Weimarer Republik von den vielen Studenten beiderlei Geschlechts, die eine Vorstellung von einem Deutschland vertraten, das an den Grenzen des Reichs nicht Halt machte (Katalogteil 12). Die Studentenschaft Danzigs, "Sudeten-Deutschlands" und "Deutsch-Österreichs" wurden mit eingeschlossen. Die zahlenmäßig größte Liste war die Liste I, die "Hauptliste der Marburger Korporationen"; die aufgeführten 35 Verbindungen vertraten betont großdeutsche Tendenzen. Die Liste IV, die "Nationale Studentenliste" mit 24 Verbindungen, propagierte antirepublikanische Gedanken. Die ursprünglich liberale "Finkenschaft" hatte sich - entsprechend den politischen Strömungen der Zeit - gespalten; die "Nationale Finkenschaft (Großdeutsche Liste)" als V. Liste mit 12 Kandidaten bekämpfte die Liste II, die "Finkenschaft" mit 15 Kandidaten, die den Weimarer Staat bejahten und, das spricht für ihre fortschrittlichere Gesinnung, eine Listenverbindung mit der Liste III, der "Liste der Studentinnen" mit 7 Kandidatinnen, eingegangen war. Außerdem versuchten die "Finken", auch die vielen Studenten und Studentinnen der Universität Marburg anzusprechen, die nicht korporiert waren. Sowohl bei den "Nationalen Finken" als auch bei den eher republikanischen "Finken" gab es auf vorderen Listenplätzen Frauen. Das Ergebnis der Wahl zeigt deutlich, wie stark die antirepublikanischen Strömungen unter den Studenten war: Bei 70,17 % Wahlbeteiligung fielen von den 70 Sitzen auf die I. Hauptliste der "Marburger Korporationen" 31 Sitze, die II. Liste, die "Finken", konnten 9 Sitze erringen, die III. Liste, die der "Studentinnen", bekam immerhin 5 Sitze, die IV. Liste, "Nationale Studenten", 20 Sitze und dieV. Liste, die "Nationale Finkenschaft", erhielt 5 Sitze [Anm. 63].

Diese Polarisierung der Studierenden spiegelte sich besonders in der Vielzahl der politisch ausgerichteten Zusammenschlüsse. So existierten eine sozialistische Studentengruppe und eine freisozialistische, eine, die dem Zentrum nahestand oder den Deutschnationalen; die demokratische Studentengruppe wünschte nicht mit der republikanischen verwechselt zu werden; die Hochschulgruppe im Stahlhelmstudentenring unterschied sich von der Hindenburggruppe usw. Wenig Bedeutung maß man innerhalb der Universität und der Korporationen anfangs dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) bei, der bei seiner Gründung am 21. Mai 1926 nur neun Mitglieder hatte. Der erste Führer, stud. iur. Hans Glauning, war überdies Mitglied in einer Korporation und versprach sich durch seine Doppelmitgliedschaft einen engen Kontakt zu den Verbindungen. Ab 1928 übernahm Hans Krawielitzki, der spätere Kreisleiter der NSDAP und Landrat in Marburg [Anm. 64], die Leitung, und die Mitgliederzahlen stiegen in den folgenden Jahren leicht an: von 28 Mitgliedern im Jahre 1928 auf 36 im Jahre 1930 und schließlich 48 im Jahre 1931, wo es dem NSDStB gelang, 11 Mandate bei den Wahlen zur Kammer zu erringen. Im Jahre 1932 zählte der Bund schon 76 Mitglieder [Anm. 65].

Doch zurück zu den Studentinnen und ihren Gruppierungen. Im Wintersemester 1930/31 waren von den 3.210 immatrikulierten Studierenden 660 weiblich. Von ihnen hatten nur 66 ihre Heimat in den vier genannten Verbindungen gefunden: Der "katholische Studentinnenverein" hatte 21 Mitglieder, die "Deutsch-Christliche Studentinnenbewegung" 25, der "Studentinnenverein Marburg" nur noch 12 und der relativ junge "Deutsch-Akademische Frauenbund" 8 Mitglieder. Unter den vielen "Freistudenten" gab es sicherlich eine größere Anzahl von jungen Frauen, die einer der wissenschaftlich orientierten Gruppierungen nahestanden. Im nächsten Sommersemester - es waren 854 Frauen immatrikuliert - trat am 10. Mai 1931 eine kleine Schar von nationalsozialistischen Studentinnen, mit Propagandamaterial wohl versehen, reichsweit organisiert und voller Sendungsbewußtsein, an den Rektor der Marburger Universität heran, er möge ihnen einen Anschlagkasten für eine Marburger Sektion der "Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen (A.N.St.)" [Anm. 66] geben. Am 11. Juni 1931 wurde ihrem Antrag entsprochen.

Die weiblichen Mitglieder aller studentischen Gruppierungen und selbstverständlich die der vier Studentinnenverbindungen waren sich trotz aller Unterschiede in weltanschaulicher Hinsicht in dem Ziel einig, die einmal erlangte Position der Frauen an den deutschen Universitäten zu stärken und auf Dauer gleiche berufliche Chancen wie die männlichen Kommilitonen innerhalb des wissenschaftlichen Betriebs und außerhalb der Universität zu erlangen. Auch wenn durch die große Arbeitslosigkeit infolge der Weltwirtschaftskrise unter den Akademikern gerade die Frauen stärker zu leiden hatten und jede Lehrerin, die heiraten wollte, ihre Stelle aufgeben mußte, resignierten die Frauen nicht. Sie hofften, wie die arbeitslosen Männer auch, auf bessere Zeiten und den Sieg der Vernunft. Um so absurder will es im Abstand von 65 Jahren scheinen, daß zehn junge studierende Frauen sich im Jahre 1931 zusammenschlossen, um sich strenggenommen im Dienste der NS-Ideologie als gleichberechtigte Partner abzuschaffen oder wenigstens weitgehend auf den häuslichen Bereich zurückzuziehen. Die Ideale der Frauenbewegung (gleiche Schulbildung für Jungen und Mädchen, gleiche berufliche Bildung, qualifizierter beruflicher Abschluß für Mädchen, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Kindergärten für die Kinder der Mütter, die einem Beruf nachgehen usw.) wurden verraten zugunsten eines antiquierten Frauenbildes (Katalogteil 13).

Die Vorderseite des Flugblattes, das die zehn Studentinnen als Satzung dem Rektor einreichten, verriet von diesem rückwärtsgewandten Rollenverständnis nahezu nichts: Hier hieß es appellativ: Du aber, deutsche Studentin, die du jung bist, und voller Tatendrang, du gehörst nicht zu denen, die verzweifeln. Du stehst mit beiden Füßen drin im Leben der Gegenwart und darfst Anteil haben an den geistigen Gütern Deines Volkes. Du weißt auch ganz genau, daß die heutigen Zustände in Deutschland unerträglich sind. [...] Klage nicht das Schicksal an, daß es dir soviel Verantwortung deinem Volke gegenüber aufbürdet. [...] Komm zu uns und hilf uns! [Anm. 67] Die Satzungen der ANSt sprachen nicht von "geselligem Beisammensein", von "gegenseitiger Hilfe", von "Wohnungsvermittlung", wie die anderen Vereinigungen, sondern waren unmißverständlich auf politische Propaganda und auf Mitgliederwerbung ausgerichtet:

Die Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen ist eine Vereinigung von Studentinnen nationalsozialistischer Weltanschauung. Ihre Aufgaben sind:

a) kulturpolitische (Bearbeitung von Spezialfragen hinsichtlich des politischen Wirkens der Frau)

b) propagandistische (Verbreitung nationalsozialistischer Gedankengänge auf der Hochschule)

c) erzieherische (Staatspolitische Schulung in Arbeitsgemeinschaft mit dem NSDStV).


Auch die zentralistisch organisierte, antidemokratische Struktur wurde nicht versteckt, denn es hieß dort: Die Leitung der Arbeitsgemeinschaft liegt in den Händen der vom Reichsführer der NSDStV ernannten Reichsleiterin. Als der Marburger Rektor sich daran stieß, daß die Leitung außerhalb der Universität lag, änderte die Gruppe geschickt ihre Satzung; nun lag sie plötzlich in den Händen der aus der Mitte der nationalsozialistischen Studentinnen der Philipps-Universität Marburg gewählten voll verantwortlichen Hochschulgruppenführerin [Anm. 68].

Die engbedruckte Rückseite des Flugblatts jedoch war dazu angetan, über die Auffassung von der Rolle der Frau in dem angestrebten Staat aufzuklären. Die Reichsleiterin Maria Nau zeigte im 1. Punkt ihres Programms, wen sie als ihren ärgsten "Feind" ansah; es war - verständlicherweise - die Frauenbewegung, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts für die Selbstbestimmung der Frau gekämpft hatte. (Wenn die NSDAP auch wesentlich andere Ideen vertritt als die sogenannte Frauenbewegung, so scheint es doch notwendig, schon im Hinblick auf ein geschultes, klares Denken, historische Zusammenhänge kennen zu lernen.) Das Thema des 2. Punkts, "Einstellung der Frauenbewegung zur Frage der Ehe und Mutterschaft - Kritik vom Standpunkt des Nationalsozialismus", hätte nun eine Gelegenheit geboten, sich mit den Gedanken Helene Langes oder Gertrud Bäumers, die der Mutter und Erzieherin einen hohen Wert beimaßen, ernsthaft auseinanderzusetzen. Doch Maria Nau diskutiert nicht, sie propagiert nur: Das Kernproblem allen Frauenstrebens wird stets Ehe und Mutterschaft sein. Auch in der heute studierenden weiblichen Jugend erblicken wir die zukünftigen Mütter und Erzieherinnen unseres Volkes. Bei Punkt 3 "Erziehung und Bildung der Frau" erwartete man als Leserin, endlich über den Weg dorthin aufgeklärt zu werden; doch statt einen Bildungsplan zu entwickeln, verkündete Frau Nau: Die Aufgabe unserer Arbeitsgemeinschaft kann es heute nicht sein, etwa neue Lehrpläne für Mädchenbildung auszuarbeiten. Es soll nur kritisch beleuchtet werden: wie gestaltete sich die Erziehung eines Mädchens von ehedem, wie liegen die Verhältnisse heute, und was erscheint uns als erstrebenswertes Ideal für einen Staat der Zukunft. Hier wäre auch die Frage eines weiblichen Dienstjahres zu untersuchen. Die Erläuterung zum 4. Punkt, "Die Frau im Beruf", war dann keine Überraschung mehr: Eine Frau im Beruf ist gewiß kein Ideal. Doch wird diese Erscheinung sich auch in einem Zukunftsstaat nicht beseitigen lassen. Es ist unsere Aufgabe, die Entwicklung auf diesem Gebiet in gesunde Bahnen zu lenken. Die Punkte "Frau und Recht" und "Die Funktionen der Frau" wurden mit hohlen Phrasen über die klare und schöne Zukunft abgehandelt. Zum Schluß nahm die Reichsleiterin zum Thema "Die Religion im Leben der Frau" Stellung. Den Angriff auf den Marxismus hatte man als Leser erwartet; doch die Definition des Begriffs "Religion" klang sicherlich auch 1931 einigermaßen überraschend: Ich möchte hier Religion natürlich nicht irgendwie mit Konfession verwechselt wissen.

Vermutlich haben die meisten der umworbenen Marburger Studentinnen die Rückseite des Flugblatts gelesen und Abstand genommen, denn die 10 nationalsozialistischen Gründungsmitglieder blieben fünf Semester lang nahezu unter sich. Erst im Wintersemester 1933/34 zählt der Verein plötzlich 54 Mitglieder. Doch scheinen die wöchentlichen Schulungsabende mit der parteipolitischen Indoktrination im Studentinnenheim "Bettinahaus" selbst auf "gutwillige" Studentinnen eher abschreckend gewirkt zu haben, denn die Mitgliederzahl des ANSt ging, trotz hoher Vergünstigungen für Mitglieder, wieder auf 16 (SS 1934 und WS 1934/35) zurück. Erst im Sommersemester 1935 konnte der ANSt wieder 54 Mitglieder melden. Aber nicht nur die von den Studentinnen vertretene Ideologie, die die Emanzipation der Frau rückgängig machen wollte, schreckte ab, mehr noch das "Reichsgesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen" vom 25. April 1933 [Anm. 69]. In diesem Gesetz war festgelegt worden, daß der Anteil der Studentinnen 10 % der gesamten Studentenschaft im Reich nicht überschreiten durfte. Entsprechend sank die Gesamtzahl der Studentinnen in Marburg vom Sommersemester 1932 mit 684 und Sommersemester 1933 mit 629 Frauen im Sommersemester 1934 auf 400 Studentinnen, d.h. nicht auf 10%, aber auf 18,28% aller Studenten in Marburg; im Sommersemester 1935 durften sich nur noch 309 Studentinnen einschreiben. Noch interessanter ist es zu untersuchen, welche Fächer diese Studentinnen belegt hatten: Von den 400 Frauen im Jahre 1934 studierten die relativ meisten Medizin (124), gefolgt von Pharmazie (107) und Chemie (64); die Fächer Jura (9; 1930 waren es 47), neuere Sprachen (43; 1930 waren es 181) oder Germanistik (46; 1930: 125) verloren die meisten ihrer Studentinnen. Vermutlich war es leichter, einen Studienplatz in den naturwissenschaftlichen Fächern zu beantragen und zu erhalten als in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen, in denen eher eine parteikonforme Gesinnung erwartet wurde.

Über das Schicksal der "alten" Studentinnenvereine nach der sogenannten Machtergreifung erfährt man relativ wenig: Nacheinander lösten sie sich auf oder wurden gedrängt, sich aufzulösen. Die Formulierungen klangen ähnlich:


26. 2. 1934

An das Sekretariat der Universität

Hiermit geben wir Ihnen die im WS 33/34 erfolgte Auflösung des Marburger Studentinnenvereins (im Verband der Studentinnenvereine Deutschlands) bekannt. Zugleich erfolgt die Rückgabe des Schlüssels für das Schwarze Brett.

Irmgard Wagner
[Anm. 70]

Die letzten Mitgliederlisten der beiden konfessionell ausgerichteten Vereine stammen aus dem Wintersemester 1934/35. Während keines ihrer Mitglieder - wenn man die Namen vergleicht - dem nationalsozialistischen Studentinnenverein beitrat, finden sich drei Namen aus den beiden anderen Studentinnenvereinen in den Listen der "Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen". Ausgerechnet diejenige Studentin gab am 20. Mai 1933 dem Universitäts-Sekretariat die Auflösung des "Deutsch-Akademischen Frauenbundes" bekannt, die zur selben Zeit schon zu den wenigen Mitgliedern des ANSt zählte [Anm. 71] . Eine zweite folgte ihr im selben Semester. Die dritte junge Frau gehörte noch 1931 dem "Marburger Studentinnenverein" an und war schon ab 1932 Mitglied der ANSt. Wie bei den Korporationshäusern, die zu Kameradschaftshäusern umgewandelt wurden, geriet auch das Studentinnenheim "Bettinahaus" unter den Einfluß der NSDAP. Die Gleichschaltung war im Jahre 1934 auch innerhalb der Studentinnenvereinigungen vollzogen worden. Die nationalsozialistischen Frauenorganisationen zwangen alle anderen Verbände zur Auflösung - so den "Bund Deutscher Frauenvereine" im Mai 1933 - oder zur Aufgabe ihrer Ideale.

Um so erstaunlicher ist es, daß das bedeutende Organ der Frauenbewegung "Die Frau", das im Jahre 1893 von Helene Lange gegründet und von Gertrud Bäumer weitergeführt worden war, bis Oktober 1944 erscheinen konnte (Katalogteil 14). Am 1. Januar 1934 stellte sich die Zeitschrift mit dem 4. Heft des 41. Jahrgangs als ein Forum vor [Anm. 72], das in einer Zeit des Aufbruchs unterschiedliche Meinungen unter dem Thema "Zur Krisis des Frauenstudiums" vereinen wolle. Im Vorwort, verfaßt von Gertrud Bäumer und Frances Magnus-von Hausen, versuchten die Herausgeberinnen, die unterschiedlichen Stellungnahmen zum oben genannten Thema, die in der Probenummer abgedruckt worden waren, als Beweis einer positiven Kritik darzustellen, die in einer Zeit des Aufbruchs nötiger als sonst sei. Die Aufgabe aller Beiträge sollte darin bestehen mitzuhelfen, vor allem das Problem der inneren Einordnung der Frauen in eine auf neuen Bildungsideen aufgebaute Hochschule zu lösen. Daß dieser Versuch scheitern mußte, läßt sich im Nachhinein leicht sagen. Anfang 1934 konnten sich viele der akademisch gebildeten Frauen nicht vorstellen, daß jeder Ansatz einer Diskussion unerwünscht war. Die Zeitschrift hatte die Wahl, sich vorsichtig anzupassen oder ihr Erscheinen einzustellen. Sie konnte sich "retten", ohne das Gesicht zu verlieren, indem die Herausgeberinnen sich unverfänglichen Themen zuwandten, ja politische Distanz übten: So erschienen Reiseberichte, Gedenkartikel über bedeutende Frauen und zahlreiche Gedichte von Autoren wie Ricarda Huch, Agnes Miegel, Rainer Maria Rilke und Ernst Jünger oder solche religiösen Inhalts. Bücher wurden ausführlich rezensiert, im Olympia-Jahr betonte man die Wichtigkeit des Sports und der Leibeserziehung für Mädchen, in den Kriegsjahren die "Frauendienstpflicht als Gegenwartsaufgabe", und man erörterte den rechtlichen Status der Frau, besonders die Situation unehelicher Kinder und die der Mütter. Erwies es sich als unumgänglich, Äußerungen der Reichsfrauenschaftsführerin Gertrud Scholz-Klink zu übernehmen, wurden ihre Verlautbarungen kommentarlos aus der Zeitschrift "NS-Frauenwarte" im kleingedruckten Literaturteil zitiert [Anm. 73]. Daß die Zeitschrift bis zum Schluß ohne Kochrezepte und Modeseiten überleben konnte, war sicherlich dem Umstand zu verdanken, daß ihr Ruhm groß war und die Autorinnen systemunfreundliche Themen aussparten [Anm. 74]. An Aufsätze über ein Thema wie die "Schrumpfung des Frauenstudiums - Auswirkungen der Beschränkungsmaßnahmen" [Anm. 75], wie im Jahre 1934, war jedoch nicht mehr zu denken.



Anmerkungen:

Anm. 1:
Centralblatt für die Unterrichts-Verwaltung in Preußen, No. 134, 1886, S. 620. - Frau Archivoberrätin Prof. Dr. Inge Auerbach, Marburg, fühle ich mich für ihre geduldige Beantwortung meiner vielen Fragen zum Komplex des "Frauenstudiums" zu besonderem Dank verpflichtet.

Anm. 2:
Dazu: Boehm, Laetitia: Von den Anfängen des akademischen Frauenstudiums in Deutschland. Zugleich ein Kapitel aus der Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München. In: Historisches Jahrbuch 77 (1958), S. 298 - 327. - Siehe auch: Heiler, Anna Maria: In Marburg dürften die meisten Kollegen geneigt sein... Aus den Anfangszeiten des Frauenstudiums. In: Alma mater philippina, H. 5, WS 1964/65, S. 21-23. - Glaser, Edith: "Sind Frauen studierfähig?" Vorurteile gegen das Frauenstudium. In: Kleinau, Elke u. Opitz, Claudia: Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 2, Frankfurt 1996, S. 299-309.

Anm. 3:
Erlaß des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten vom 16. Juli 1896; Druck: Centralblatt für den Unterricht, 1896, S. 567. StAM Best. 310 Acc. 1975/42 Nr. 2170, 1896-1926.

Anm. 4:
StAM Best. 310 Acc. 1975 /42 Nr. 2171; Akten betr. Zulassung von Frauen zum Studium bezw. zum Hören von Vorlesungen.

Anm. 5:
Ebenda, Bericht des Universitäts-Kurators vom 18. November 1895.

Anm. 6:
Hessische Landeszeitung, Marburg, Nr. 242, 15. Oktober 1895. Bericht über die Rektoratsübergabe vom 13. Oktober 1895.

Anm. 7:
StAM 305a Acc. 1975/79 u. 1976/19 Nr. 815, Frauenstudium 1896-1935. Gutachten der Universität Freiburg über die Meinung der Professoren aller deutschen Universitäten zum Frauenstudium. Gedruckt bei: Nauck, Ernst Theodor: Das Frauenstudium an der Universität Freiburg i.B., Freiburg 1953, S. 48 ff.

Anm. 8:
Der Prozentsatz der eingeschriebenen Frauen betrug in der Gesamtzahl der Studierenden im WS 1908/09 nur 2,48%. Siehe: Bäumer, Gertrud: Die Frau in Volkswirtschaft und Staatsleben, Stuttgart u. Berlin 1914, S. 147.

Anm. 9:
Im Jahre 1913 waren von 160 Anstalten, in denen in Preußen Mädchen eine Vorbildung für die Universität erhalten konnten, 124 Lehrerinnenseminare. Siehe: Bäumer, Die Frau, S. 148. - Siehe auch: Kleinau, Elke: Gleichheit oder Differenz? Theorien zur höheren Mädchenbildung. In: wie Anm. 2, S. 113-128. - Nieswandt, Martina: Lehrerinnenseminare: Sonderweg zum Abitur oder Bestandteil höherer Mädchenbildung. In: wie Anm. 2, S. 174-188.

Anm. 10:
StAM Best. 305a Acc. 1950/9 Nr. 626, Eingabe der Philosophischen Fakultät vom 14. Januar 1914, die der Rektor der Universität Marburg an den Minister in Berlin weiterleitete.

Anm. 11:
Im Jahre 1896 beantragte Magda Enneccerus, die Nichte des bedeutenden Marburger Juristen Enneccerus, Vorlesungen über französische und englische Sprache und Literatur hören zu dürfen. Sie war ausgebildete Lehrerin mit Berufserfahrung an einer höheren Mädchenschule und einem Lehrerinnenseminar und hatte am Holloway College in England studiert. Im selben Jahr "hörten" vier Engländerinnen mit ähnlich vorzüglicher College-Ausbildung an der Marburger Universität. - Siehe: StAM Best. 305a Acc. 1950/9 Nr. 626, Verzeichniß derjenigen Damen, welche im Sommer-Semester 1896 bei der Universität zu Marburg zu den Vorlesungen als Hospitanten zugelassen worden sind. - In dem Antrag, in dem Professor Ludwig Enneccerus in Berlin um die Erlaubnis bat, daß Magda Ennecerus Vorlesungen hören dürfe, wird sie stets als "Nichte" bezeichnet. Von Andrea Freisberg u. Kerstin Trostmann, ("Schützt das Weib gegen den Intellectualismus" Frauen an der Universität Marburg. In: Frauen in Marburg, Hrsg. DGB Kreis Marburg-Biedenkopf, Marburg 1993, S. 25) wird sie irrtümlich "Tochter" genannt.

Anm. 12:
In dem Dorf Droyßig bei Weißenfels gründete Fürst Schönburg im Jahre 1847 eine evangelische Gouvernantenanstalt und ein Pensionat für Mädchen höherer Stände. Im Jahre 1852 wurde die Schule in seinem Schloß eröffnet. Siehe: Brockhaus' Konservations-Lexikon, 14. Auflage, Bd. 5, 1901, S. 454.

Anm. 13:
Kleinau, Elke: Ein (hochschul-)praktischer Versuch. Die "Hochschule für das weibliche Geschlecht" in Hamburg. In: wie Anm. 2, S. 66-82.

Anm. 14:
StAM Best. 330 Marburg C Nr. 522 (Acta Gestattung von Privatschulen 1824-1851). Über die Situation der Mädchenbildung in Marburg im 19. Jahrhundert erscheint demnächst in einem anderen Zusammenhang eine Untersuchung der Verfasserin.

Anm. 15:
Lange, Helene: Die Frauenbewegung in ihren modernen Problemen, Leipzig 1907, und Lange, Helene: Lebenserinnerungen, Berlin 1921. Von weittragender Bedeutung war ihre Schrift "Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung", die "Gelbe Broschüre" genannt, die sie als Beilage einer Petition an das preußische Unterrichtsministerium und an das Abgeordnetenhaus verfaßt hatte. Siehe auch: Die Lehrerinnenfrage. In: Allgem. Schulblatt, Nr. 13, 5. Mai 1906, Wiesbaden 1906. - Eine gewisse Wirkung hatte auch der Verein "Frauenbildung - Frauenstudium", der in Marburg z.B. anspruchsvolle Vorträge organisierte.

Anm. 16:
Die spätere Marburger Professorin Luise Berthold wurde 1907 in die "Gymnasialkurse" in Berlin aufgenommen. Ab April 1912 studierte sie - nach Berlin und Jena - in Marburg , wo sie im Wintersemester 1914/15 das Staatsexamen ablegte und am 23.1.1918 das Rigorosum bestand. Siehe auch: Luise Berthold - Eine Festschrift zu ihrem neunzigsten Geburtstag, Marburg 1981, S. 7ff. - StAM Best. 307d Acc. 1966/10 Nr. 82.

Anm. 17:
Am 22. Dezember 1900 beantragte die approbierte Ärztin Dr. med Anna Moestra die Zulassung zur ärztlichen Vorprüfung in Marburg, die ihr gewährt wurde. - Siehe auch: Graepel, Peter Hartwig: Die ersten Marburger Pharmaziestudentinnen (1901- 1925). In: Pharmazeutische Zeitung, 129 Jg. Nr. 29, 19. Juli 1984, S. 1660 f.

Anm. 18:
Die Marburger Studentin hieß Alix Westerkamp. Sie hatte in Leipzig den "Gymnasial-Kurs" besucht und 1899 in Hersfeld am humanistischen Gymnasium die Reifeprüfung abgelegt. Sie gehörte zu den Gründungsmitgliedern des "Vereins studierender Frauen" in Marburg im Jahre 1906. Im Juli 1900 wurde ihr ein reguläres Jurastudium verweigert; ein Antrag auf Promotion wurde ihr als Hörerin am 5. November 1903 von Berlin aus genehmigt. Das Thema ihrer Promotion lautete: Muß sich der zur strafrechtlichen Verschuldung erforderliche Bewußtseinsinhalt auf die rechtliche oder sittliche Wertung der Handlung erstrecken? Dogmengeschichtliches und Dogmatisches. Alix Westerkamp arbeitete nach ihrem Studium als Leiterin der Rechtsschutzstelle für Frauen in Frankfurt a.M. und war eine bedeutende Frauenrechtlerin ihrer Zeit. Die Zulassung zur Promotion wurde demnach auch Frauen gewährt, ein juristisches Staatsexamen jedoch nicht. Für Andrea Freisberg u. Kerstin Trostmann läßt es sich ("Schützt das Weib ...", S. 25)" nicht rekonstruieren, welchen Umständen sie ihre Zulassung zur Doktorprüfung [...] zu verdanken hat". Solche Zulassungen zur Promotion waren an preußischen Universitäten durchaus üblich.

Anm. 19:
StAM Best. 310 Acc. 1975/42 Nr. 2170 und 305a Acc. 1975/79 u. 1976/19 Nr. 815. Der vervielfältigte Brief vom 3. Februar 1902 wurde zusammen mit Stellungnahmen zur Frauenimmatrikulation an alle preußischen Universitäten geschickt.

Anm. 20:
Die Immatrikulation von Studentinnen war ab SS 1900 in Baden möglich, in anderen Bundesstaaten des Deutschen Reiches dagegen erst später: Ab WS 1903/04 in Bayern, ab SS 1904 in Württemberg, ab SS 1906 im Königreich Sachsen, ab SS 1907 im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, ab WS 1908/09 in Preußen, im Großherzogtum Hessen, im Reichsland Elsaß-Lothringen, ab 1909/10 in Mecklenburg. - Siehe auch: Meseberg-Haubold, Ilse: Einzelne Hospitantinnen sehe ich gerne.... In: Historische, systematische und religionspädagogische Beiträge aus dem Institut für Evangelische Theologie und Religionspädagogik (Hrsg. Wolfgang Weiß), Oldenburg 1996, S. 31-53.

Anm. 21:
Brief des Senats an den Universitäts-Kurator vom 5. Mai 1902. StAM Best. 310 Acc. 1975/42 Nr. 2171.

Anm. 22:
StAM Best. 305 Acc. 1975/79 u. 1976/19 Nr. 815.

Anm. 23:
Ebenda, Anlage I A.

Anm. 24:
Ebenda, Anlage I B. Der Altgermanist Professor Gustav Roethe, der einen Ruf nach Berlin angenommen hatte, duldete auch nach 1908 keine Frauen in seinem Hörsaal. In der studentischen Festzeitung zum 100jährigen Jubiläum der Berliner Universität (1910) findet man einen Vierzeiler auf die Antwort, was Schillers Frauengestalten wohl studiert hätten: "Zutritt zu der Germanistenklasse / Ist Luise Millerins Begehr./ Ach, Luise, Du bist viel zu blasse. Ohne Roet(h)e ist das Studium schwer." - Siehe auch: Bickert, Hans Günther u. Nail, Norbert: Marburger Karzer-Buch, Marburg 1989, S. 44.

Anm. 25:
Ebenda, Anlage II A.

Anm. 26:
Die Studentinnen der ersten Generation stammten alle aus dem gehobenen Bürgertum. Die Väter waren Akademiker, Offiziere, Gutsbesitzer usw.

Anm. 27:
Die Hintergründe der Umfrage aus Berlin erläutern: Brocke, Bernhard vom und Krüger, Peter: Hochschulpolitik im Föderalismus. Die Protokolle der Hochschulkonferenzen der deutschen Bundesstaaten und Österreichs 1898 bis 1918, Berlin 1994, S. 115, Anm. 6: Maria Gräfin von Linden war mit einem Stipendium des "Allgemeinen Deutschen Frauenvereins" 1895 in Tübingen promoviert worden. Im Sommersemester 1906 beantragte sie in Bonn die Habilitation im Fach Zoologie,die ihr verweigert wurde. Sie wurde 1908 zur Vorsteherin der Parasitologischen Abteilung des Hygiene-Instituts und 1910 als erste Frau zur a.o. Professorin ohne venia legendi ernannt. Alle Angaben stammen aus: Brocke/Krüger, Die Protokolle. Herrn Professor Peter Krüger möchte ich für den Hinweis auf diese Publikation herzlich danken.

Anm. 28:
StAM Best. 305a Acc. 1950/9 Nr. 600, Zulassung von Frauen zur akademischen Laufbahn; siehe auch: 310 Acc. 1975/42 Nr. 2170, Brief des Kurators vom 20. März 1907.

Anm. 29:
Ebenda, Brief des Ministers an alle preußischen Universitäten vom 29. Mai 1908. Siehe auch: Wobbe, Theresa: Aufbrüche, Umbrüche, Einschnitte. Die Hürde der Habilitation und die Hochschullehrerinnenlaufbahn. In: wie Anm. 2, S. 342-353.

Anm. 30:
Die Ziele dieser ersten, an fast allen Universitäten verbreiteten Frauen-Verbindung kann man auch in der vom Verband der Vereine studierender Frauen Deutschlands herausgegebenen Zeitschrift "Die Studentin" (1. Jahrgang, Nr. 1, Berlin 3. Februar 1912; Schriftleitung: Charlottenburg, Wilmersdorfer Straße 95) verfolgen, in der sich die einzelnen Verbandsvereine mit ihrer Tätigkeit vorstellten.

Anm. 31:
StAM Best. 305a Acc. 1954/16 Nr. 42.

Anm. 32:
Die erste Marburger Schriftführerin, Carina (Catharina Bianca) Zehme, meldete sich am 27. November 1908 in Marburg zur Prüfung an und wurde am 9. Juni 1909 zum Dr. iur. promoviert, das Gründungsmitglied Doris Hertwig sogar schon am 2. Juli 1908 zum Dr. phil. und Eva Hoffmann am 16. Februar 1909 zum Dr. med. Die erste Frau, die in Marburg am 28.2.1905 den Dr. med. erwarb, war die japanische Apothekerin und Ärztin Tada Urata aus Kumamoto (Japan), die seit dem SS 1903 als Hörerin eingeschrieben war.

Anm. 33:
Von diesen 25 Frauen waren 16 der philosophischen, 1 der juristischen, 1 der theologischen. und 7 der medizinischen Fakultät zuzurechnen.

Anm. 34:
2 Frauen in München, 2 in Leipzig, 2 in Heidelberg. - StAM Best. 305a Acc. 1950/9 Nr. 626, 1892-1914. Einer Umfrage aus dem Jahre 1907 kann man entnehmen, in welchen Städten das Studium möglich war und wieviele Studentinnen und Hörerinnen jeweils existierten: Erlangen 4 / -; Freiburg 55/ 37; Heidelberg 76 / 32; Jena 14 / 51; Leipzig 35 / 105; München 100 / 63; Tübingen 10 / 35; Würzburg 8 / 10.

Anm. 35:
Die Universitätsleitung meldete seit WS 1908/09 pro Semester die Zahl der Studentinnen getrennt von der der Hörerinnen nach Berlin. Ab 1908/09 studierten oder hörten ungewöhnlich viele ausländische Frauen in Marburg; sie kamen aus Nordamerika (USA, Kanada), England, Schweiz, Rußland, Rumänien, Bulgarien, Frankreich, Österreich-Ungarn und Spanien. - Siehe: StAM 310 Acc. 1975/42 Nr. 2171, Zulassung von Frauen zum Studium bezw. zum Hören von Vorlesungen, 1895-1928.

Anm. 36:
Im WS 1908/09 waren in Preußen 488 Studentinnen protestantisch, 150 jüdisch und 61 katholisch. Im SS 1911 waren 1168 protestantisch, 305 katholisch und 247 jüdisch. Siehe: Bäumer, Die Frau, S. 149.

Anm. 37:
Unter diesen ersten 27 immatrikulierten Studentinnen an der Marburger Universität befand sich auch stud. math. Mathilde Vaerting, die ohne Habilitation im Jahre 1923 eine ordentliche Professur für Pädagogik in Jena erhielt. Sie gehörte mit Margarete von Wrangell zu den beiden ersten deutschen Professorinnen. Siehe: Luise Berthold. Eine Festschrift zum 90. Geburtstag, Hrsg. Deutscher Akademikerinnenbund e.V., Marburg 1981, S. 31.

Anm. 38:
Die "Freistudenten", die Finken und die dem Wandervogel nahestehenden Studenten ließen auch weibliche Studenten in ihren Reihen zu. Die 1907 aus der Jugendwanderbewegung entstandene "Freischar" nahm nach einer Mitgliederliste aus dem Jahre 1913 in Marburg Frauen nur als "Freischarfreundinnen" auf. Es waren zwei Studentinnen der Phil. Fakultät, Erna Behne und Anneli Weniger. Siehe: StAM Best. 305a Acc. 1950/9 Nr. 189, Freischar Marburg.

Anm. 39:
Heer, Georg: Marburger Studentenleben, Marburg 1927, S. 182. - Siehe auch: Die Deutsche Studentenschaft in ihrem Werden, Wollen und Wirken, hrsg: v. Vorstand der Deutschen Studentenschaft, 1928, S. 20.

Anm. 40:
Brinkmann, Max: Das Corps Schlamponia, Berlin 1899. Der an der Kunstakademie in Königsberg ausgebildete Max Brinkmann war als Zeichner und Redakteur am "Kladderadatsch" tätig. Für den Hinweis auf den Nachdruck dieses Buches und für andere Ratschläge möchte ich Frau Archivoberrätin Dr. Uta Löwenstein, Marburg, herzlich danken.

Anm. 41:
Hier wie an anderer Stelle spürt man, daß der Verfasser in seiner Satire das Verbindungswesen allgemein ironisieren wollte; so soll sicherlich der "Kampf" der Frauen stellvertretend für die Auseinandersetzungen zwischen den Corps und den Burschenschaften stehen.

Anm. 42:
Liederbuch für Studentinnen, Strassburg 1910, "Es zog ein flotter Bursch zum Rhein", S. 18 f. und "O junge Mädchenherrlichkeit", S. 38 f.

Anm. 43:
StAM Best. 310 Acc. 1975/42 Nr. 2060, Mitteilung des Rektors Elster vom 15. 12. 1915. - StAM Best. 310 Acc. 1975/42 Nr. 985, Akten betr. die weiblichen Hilfskräfte - Ausbildung technischer Assistentinnen an medizinischen Instituten. Am 16. 12. 1915 arbeiteten 9 Frauen als Laborantinnen oder als Röntgen- und Bürogehilfinnen in den medizinischen Instituten. Ab 1917 übernahmen zwei unbezahlte Praktikantinnen die Stellen zweier Assistenzärzte, die eingezogen worden waren. StAM Best. 310 Acc. 1975/42 Nr. 667.

Anm. 44:
StAM Best. 305a Acc. 1950/9 Nr. 575 und 305a Acc. 1952/1 Nr. 49 und: Chronik der Preußischen Universität Marburg für die Rechnungsjahre 1916-1924, Marburg o.J., S. 8. - Unter den studentischen Arbeiterinnen dort befand sich auch Ingeborg Schnack (Katalogteil 15).

Anm. 45:
StAM Best. 305a Acc. 1954/16 Nr. 24. Die Vereinigung hatte sich vermutlich 1915 gegründet. Obgleich die Akte nicht aufzufinden ist, läßt sich jedoch aus der Antwort des Rektors der Marburger Universität auf die Anfrage des Rektors aus Gießen nach den bestehenden anerkannten Vereinigungen von Studentinnen vom 24. Februar 1915 auf die Existenz von nur einer Studentinnenvereinigung schließen: Es besteht hier eine als Verein anerkannte Vereinigung von Studentinnen. - Die männliche Vereinigung (Best. 304a Acc. 1954/16 Nr. 23) hatte sich schon 1899 in Marburg gegründet und 1913 in "Deutsch-Christliche Studentenvereinigung" umbenannt. Ihre Ziele waren: "wöchentliche Bibelbesprechung", "christliche Geselligkeit" und "gesunde Leibesübung". Sie lehnten die zeitgenössische wissenschaftliche Betrachtung der biblischen Texte grundsätzlich ab.

Anm. 46:
StAM Best. 305a Acc. 1954/16 Nr. 27.

Anm. 47:
Dieser Schritt richtete sich nicht nur gegen den "Verein studierender Frauen", (so Freisberg/Trostmann, "Schützt das Weib", S. 33), sondern gegen die männlichen Studenten und deren Vertretungen, die allen Frauen, auch dem "Studentinnenverein", eine Aufnahme im "Marburger Studentenausschuß" verweigerten.

Anm. 48:
StAM Best. 305a Acc. 1950/9 Nr. 651; Verband Marburger Studentinnen.

Anm. 49:
StAM Best. 305a Acc. 1954/16 Nr. 42, eingereichte Satzung aus dem Jahr 1925.

Anm. 50:
Titze, Hartmut: Datenhandbuch zur deutschen Bildungsgeschichte, Band I. Hochschulen, Teil 2, Wachstum und Differenzierung der deutschen Universitäten, Göttingen 1995. Titze kommt zu dem Ergebnis: Seit dem Wintersemester 1908/09 konnten sich auch Frauen immatrikulieren. Hier war die Philipps-Universität bemerkenswert aktiv, in der Zwischenkriegszeit zog sie mehr Studentinnen an als eine Reihe erheblich größerer Hochschulen (Göttingen, Tübingen, Halle, Würzburg). o.o.a. S. 428 ff.

Anm. 51:
Lange, Lebenserinnerungen, S. 252 ff.

Anm. 52:
Brüning, Heinrich: Wirtschafts- und Wohlfahrtsfragen, 1. Die Notlage des Akademikers. In: Das erste Jahr Deutsche Studentenschaft 1919-1920, Göttingen 1921, S. 235-259, hier: S. 252.

Anm. 53:
Um der Not der Studierenden zu begegnen, gründeten Professor Franz Leonhard und der Student Hans Sikorski 1921 in Marburg den "Verein Studentenwerk", der sich um alle sozialen Belange der Studenten sorgte. Professor Heinrich Hermelink gelang es sogar, 1927/28 für den Verein ein Haus in der Sybelstraße (das Bettinahaus) zu erwerben, in dem bedürftige Studentinnen wohnen konnten. Ende Februar 1996 feierte das "Studentenwerk" in Marburg sein 75jähriges Bestehen. - Siehe auch: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Beiheft 29, Wiesbaden 1983, Wirtschaft, Schule und Universität, und Beiheft 35, Stuttgart 1985, Die Frau in der deutschen Wirtschaft.

Anm. 54:
StAM Best. 307d Acc. 1966/10 Nr. 82, Personalakten, Habilitationsverfahren; Votum des emeritierten Germanisten Professor Friedrich Vogt vom 21.6.1923. Vor ihm hatten sich die Professoren Wrede und Helm überaus positiv für Luise Berthold ausgesprochen.

Anm. 55:
Ebenda, 15. 9. 1923.

Anm. 56:
Siehe: Berthold, Luise: Erlebtes und Erkämpftes. Ein Rückblick, Marburg 1969. Da Frau Berthold sich 1932 in einem Zeitungsartikel gegen das Frauenbild in der NS-Ideologie gewandt hatte und 1934 Mitglied der "Bekennenden Kirche" geworden war, zog sie es vor, während der NS-Zeit unauffällig ihre Tätigkeit am Hessisch-Nassauischen Wörterbuch weiterzuführen und auf die Annahme eines a.o. Lehrstuhls zu verzichten.

Anm. 57:
StAM 305a Acc. 1954/16 Nr. 14. Diese Studentinnenverbindung, die als Mitgliedschaft "deutsche Abstammung, deutsche Muttersprache" voraussetzt und als "Bedingung: arische Abstammung" nennt, hatte auf ihrem Höhepunkt 1928 nur 15 Mitglieder.

Anm. 58:
Bei der Rektoratsübergabe 1931 fühlten sich die drei Chargierten des katholischen Studentinnen-Vereins von dem Zugordner zurückgesetzt. Als sie sich schriftlich über ihre Behandlung beim Rektor beschwerten, stellte der Rektor alles als Irrtum hin, glaubte aber am Schluß seiner Erwiderung darauf hinweisen zumüssen, daß die Anrede nicht lauten dürfe "An den Rektor", sondern "An Seine Magnificenz den Herrn Rektor".

Anm. 59:
Einladung zum Winterfest des "Studentinnenvereins Marburg", Sonntag, den 19.2.1928 Hotel Freidhof, Ecke Kasernen-Universitätsstr. Die erste Strophe des Einladungsgedichts lautet: Die Jahrmarktschell' erklinget hell:/ Im Freidhof ist's gedacht./ Zu Spiel und Tanz und Mummenschanz / Am 19. um 8!

Anm. 60:
Auch der Spott über die Studentin trug andere Züge. So sieht man auf einer gelungenen Karikatur des wegen "Lärmszenen auf dem Markt in der Nacht zum 31. Januar 1929" zu einem Tag Karzer und 30,- RM Strafe verurteilten stud. iur. Wolfgang Wolff an der Wand des Marburger Karzers eine fleißige Studentin, die zielstrebig auf flachen Schuhen zur Vorlesung eilt; eine andere mit kurzen Haaren, kniefreiem Rock und hochhackigen Schuhen sitzt am Kaffeehaustisch. Es ist laut Überschrift eine "Studeuse". StAM Best. 305a Acc. 1975/79 u. 1976/19 Nr. 1289. - Siehe auch: Bickert/Nail, Marburger Karzer-Buch, S. 45.

Anm. 61:
StAM Best. 305a Acc. 1950/9 Nr. 214.

Anm. 62:
Universitätsbibliothek Marburg, Sammelmappe: Studenten-Flugblätter, Marburg 1927.

Anm. 63:
Oberhessische Zeitung vom 23. Juli 1927.

Anm. 64:
Hans Krawielitzki war ab 1933 Kreisleiter der NSDAP und Landrat in Marburg. Seitdem er die Leitung des NSDStB innehatte, nahmen die Straftaten mit politischen Motiven deutlich zu. Bis dahin bestanden die "Vergehen" der Studenten hauptsächlich in ruhestörendem Lärm und in Sachbeschädigung. Siehe: StAM Best. 310 Acc. 1975/42 Nr. 2068, Nr. 2070 und Nr. 2059, Akten betr. die Bestrafung der Studierenden. Am 5. Juli 1930 war außerdem das Verbot des öffentlichen Tragens nationalsozialistischer Uniformen erlassen worden, ein Verbot, das häufig übertreten wurde.

Anm. 65:
Die 36 Mitglieder des NSDStB und weitere 14 Gesinnungsgenossen "begrüßten" den Kultusminister Carl Heinrich Becker, der am 15. Januar 1930 zur Verleihung einer neuen Satzung die Marburger Universität besuchte, mit Rufen wie "nieder" und "pfui". Am 27. Februar 1930 erhielten sie das "consilium abeundi", d.h. die Androhung der Universitätsverweisung.

Anm. 66:
StAM Best. 305a Acc. 1954/16 Nr. 13.

Anm. 67:
Ebenda, Flugblatt "Deutsche Studentin. Hinein in die A.N.St.!"

Anm. 68:
Ebenda, Brief an den Rektor vom 9. Juni 1931.

Anm. 69:
Reichsgesetzblatt. Teil I. S. 225.

Anm. 70:
StAM Best. 305a Acc. 1954/16 Nr. 42.

Anm. 71:
StAM Best. 305a Acc. 1954/16 Nr. 14.

Anm. 72:
StAM Best. 305a Acc. 1975/79 u. 1976/19 Nr. 815; Gertrud Bäumer schickte im Januar 1934 die Probenummer der Zeitschrift vom 1. Januar 1934 an den Rektor der Philipps-Universität.

Anm. 73:
Die Frau, 43. Jg., Heft 11, 1935.

Anm. 74
Seeger, Jutta: Das Wesen der deutschen allgemeinen Frauenzeitschrift unter besonderer Berücksichtigung von "Die Frau" 1893-1944, Diss. München 1953. - Siehe auch: Die Frau, [...] Jahrgänge 1-50 - 1893/94 - 1942/43 nebst Anhang: Jahrgang 51 - 1943/44 (letzter Jahrgang), Gesamtverzeichnis der Aufsätze, hrsg. Elisabeth Boedeker, Hannover 1968, Vorwort I - XVI.

Anm. 75:
Die Frau, 42. Jg. Heft 2, 1934.