Beschlüsse des Ständigen Ausschusses für das Bibliothekswesen (StA IV) der Philipps-Universität Marburg
Beschluß vom 29.06.1995:
Auswirkungen der Haushaltssperre
Der StA IV hat sich auf seiner Sitzung am 29.6.1995 mit der
Etatsituation der Bibliotheken der Philipps-Universität im
laufenden Haushaltsjahr befaßt. Er beurteilt die Lage, wie
sie sich insbesondere nach der am 21.3.1995 von der
Landesregierung verhängten 20%igen Haushaltssperre darstellt,
vor dem Hintergrund
- der massiven Bestandsdefizite in den hessischen Bibliotheken,
die auf ihre jahrzehntelange Unterdotierung
zurückzuführen sind,
- der einschlägigen Empfehlungen für die
Etatausstattung der Hochschulbibliotheken, wie sie aktuell von der
AG Finanzierung der wissenschaftlichen Bibliotheken in Hessen [Anm. 1],
der KMK [Anm. 2] und der DFG [Anm. 3] vorgelegt worden sind.
Über die alarmierenden Auswirkungen der Haushaltssperre hat
sich der Ausschuß exemplarisch am Beispiel der
Universitätsbibliothek und der Bibliothek Chemie sachkundig
gemacht.
- Für die Universitätsbibliothek bedeutet die
Haushaltssperre, daß sie ihre Funktion als zentrale
Literaturversorgungseinrichtung der Universität nicht mehr
erfüllen kann, insbesondere weil
- im laufenden Haushaltsjahr aktuelle monographische Literatur
einschließlich Lehrbüchern nicht mehr erworben werden
kann,
- der notwendige Ausbau des CD-ROM-Angebots unterbleiben
muß,
- Zeitschriftenabonnements im Umfang von mindestens 10%
storniert werden müssen,
- Bücher nicht mehr gebunden werden können und damit
nur noch eingeschränkt für die Benutzung
bereitstehen.
- Die Haushaltssituation der Bibliothek Chemie ist, ähnlich
wie die andererer dezentraler naturwissenschaftlicher
Bibliotheken, angesichts überproportional steigender Preise
schon seit Jahren außerordentlich prekär. Obwohl der
Periodikabestand bereits auf ca. 40% des Stands von 1980 reduziert
werden mußte und die letzte größere
Abbestellaktion erst zwei Jahre zurückliegt, zeichnet sich
für den Fall unverändert hoher Preissteigerungen
für das Jahresende eine Finanzierungslücke im Umfang von
über 60.000 DM ab. Durch die Haushaltssperre erhöht sich
der Fehlbetrag nochmals um ca. 50.000 DM auf über 110.000 DM.
Obwohl längst unter das vertretbare Minimum reduziert
muß die Bibliothek Chemie nun ein Drittel ihrer noch
verbliebenen Periodika-Abonnements stornieren.
Der StA IV konstatiert mit größter Besorgnis die
katastrophalen Folgen der Haushaltssperre für das Marburger
Bibliothekssystem. Er fordert als Sofortmaßnahme, die
Bibliotheken mindestens insoweit auszunehmen, wie dies zur
Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen, zu denen
insbesondere die Zeitschriftenabonnements zählen,
erforderlich ist. Mit allem Nachdruck erinnert der Ausschuß
die Landesregierung darüber hinaus an die eingangs genannten
Empfehlungen zur Bibliotheksfinanzierung. Mindestens die unter
ihrer maßgeblichen Mitwirkung entwickelten aktuellen
Vorstellungen sollte die Landesregierung ab dem kommenden Jahrendlich zur Richtschnur für die Dotierung der Bibliotheken im
eigenen Lande machen. Den Präsidenten bittet der
Ausschuß, den vorliegenden Beschluß mit Nachdruck bei
der Landesregierung vorzubringen und dringend auf seine Umsetzung
hinzuwirken.
[Anm. 1]
Informationssystem Hessen, Empfehlungen Arbeitsgruppe
Finanzierung der wissenschaftlichen Bibliotheken; Wiesbaden,
März 1994.
[Anm. 2]
Beschluß der KMK vom 27.01.1995: Ausweitung der
Nutzungsmöglichkeiten der Hochschulbibliotheken, ihre
notwendige Ausstattung und verbesserte Verwendung ihrer
Ressourcen.
[Anm. 3]
DFG, Bibliotheksausschuß: Zur finanziellen Situation
wissenschaftlicher Bibliotheken in der Bundesrepublik; Bonn, Mai
1995.