Felix Scholz

Schulfarmordnung [vermutlich Ende Oktober 1933]

Quelle: Privatsammlung Bernd Stückler
Veröffentlichung: Marburg 1999: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1999/0001/q52.html - Zuvor in: Jahnke, Heinz K., Scharfenberg unter dem Hakenkreuz. Die Geschichte der Schulfarm Scharfenberg zwischen 1933 und 1945, Berlin 1997, S. 190f.
Literatur: Haubfleisch, Dietmar: Schulfarm Insel Scharfenberg. Mikroanalyse der reformpädagogischen Unterrichts- und Erziehungsrealität einer demokratischen Versuchsschule im Berlin der Weimarer Republik (=Studien zur Bildungsreform, 39), Frankfurt [u.a.] 2001, bes. S. 790f.


Schulfarmordnung

Die Schulfarm Scharfenberg ist eine nationalsozialistische Gemeinschaft von Schülern und Lehrern. Sie wird nach dem Führergrundsatz geleitet; das Leben in ihr beruht ebenso auf Kameradschaft wie auf straffer Disziplin. Da man sich nicht einer Person an sich, sondern dem freiwillig anerkannten Gesetz nationalsozialistischer Gemeinschaftshaltung unterwirft, gibt es keine Disziplin mit Vorbehalt, etwa weil einem Anordnungen oder Person des Führers nicht passen. Wer dem zuwiderhandelt, schließt sich selbst aus der Scharfenberger Gemeinschaft aus.

Erste Ordnungsforderung ist Erfüllung der übernommenen Pflichten; dazu gehört vor allem pünklichste Innehaltung der Zeiteinteilung.

Auf dieser selbstverständlichen Grundlage ergibt sich das deutsche Jungenleben, das wir und in Scharfenberg schaffen wollen.

1. Amtswaltung des Wochenmeisters.

Die Gliederung der Amtswaltung des Ordnungsdienstes ist aus der Zeichnung zu ersehen. Die Amtszeit des Wochenmeisters beginnt mit dem Aufstehen am Montag. Er beaufsichtigt die gesamte Ordnung außerhalb des Unterrichts und der praktischen Arbeit. Über den vorgefundenen Zustand berichtet er nach dem letzten abendlichen Umgang dem Heimleiter. Er ist beim Morgenlauf zugegen. Er beurlaubt vom Aufenthalt auf der Insel und nimmt die Anmeldung der Zurückkehrenden entgegen. Er überzeugt sich von der Innehaltung der abendlichen Wasch- und Ruhezeiten, wobei er die Reihenfolge

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der zu besuchenden Häuser wechselt.

An den Ausgeh-Sonnabenden dürfen die Schüler die Insel erst verlassen, wenn der Wochenmeister sich von dem Ordnungszustand der Wohn- und Schlafräume überzeugt hat. Die Schüler haben bei der Musterung stets zugegen zu sein.

Der Wochenmeister nimmt an den gemeinschaftlichen Mahlzeiten teil. Er veranstaltet in jedem Hause wenigstens einmal einen Gesamtappell, der beim Mittagessen angekündigt wird; auch Teilappelle (Schulzeit, Kulturzeit usw.) sollen öfter stattfinden. Unter seiner Leitung findet die Montagmorgenfeier statt; außerdem soll unter seiner Mitwirkung in der Woche üblicherweise eine gemeinsame Veranstaltung stattfinden.

2. Amtswaltung der Schüler

Der Hausälteste ist dem Wochenmeister für den gesamten Zustand seines Hauses in erster Reihe verantwortlich. Notwendige zusätzliche Flurreinigung hat er selbstständig bei den mit der Reinigung beauftragten Angestellten zu veranlassen. Die ihm unterstellten Amtswalter bleiben für ihre Aufgaben natürlich voll verantwortlich.

Der Stubenälteste (über den Wechsel im Neubau siehe Stubenverteilung) bestimmt den wöchentlichen Stuben- bezw. Schlafsaaldienst. Der letzte besteht in den Neubausälen und in der Scheune aus je zwei Mann. Die Dienstzeit des Stuben- oder Schlafsaaldienstes, der seine Arbeit nicht ordentlich oder nicht pünktlich verrichtet, wird durch den Stubenältesten verlängert. Der Stubenälteste sorgt insbesondere für pünktliche Innehaltung der Ruhezeit und für rechtzeitige Ausdrehung des Lichtes.

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Der Waschraumwart ist für die pünktliche Innehaltung der Waschzeit und für den Zustand aller durch das Waschen in Mitleidenschaft gezogener Räume verantwortlich. Er ernennt den Badewart, leitet ihn an und überzeugt sich von der richtigen Durchführung des Badedienstes.

Der Mahlzeitenwart bestimmt den Tischdienst und ist für dessen pünktliches und geordnetes Arbeiten vor, während und nach den Mahlzeiten dem Wochenmeister voll verantwortlich.

Der Fähr- und Feuerwehrwart bestimmt den Wechsel des Fährdienstes, leitet diesen zur vorsichtigen und ordnungsmässigen Tätigkeit an und überzeugt sich immer wieder von deren Ausführung. Er verwaltet die Fährkasse. Der Fährdienst hat sämtliche benutzten Kähne einschl. der Wagenfähre in Ordnung und Sauberkeit zu erhalten.

Als Feuerwehrwart hat der Obengenannte für Sauberkeit und Bereitschaft der Feuerlöschverrichtungen zu sorgen.

3. Berater und Mannschaft.

Die Schüler sind, in Mannschaften zusammengefaßt, je einem Lehrer, ihrem Berater zugeteilt. Dieser berät die Jungen in allen an ihn herangebrachten Fragen, kümmert sich um ihre Leistungen und sonstigen Sorgen und steht den Eltern bei ihrem Monatsbesuch für Auskünfte zur Verfügung.

4. Mahlzeitenordnung.

Die Mannschaften setzen sich mit ihrem Berater zusammen. Jeder erhält einen bestimmten Platz. Das Mittagsmahl wird durch einen Löffelspruch eingeleitet, den ein Schüler aus der Mann-

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schaft des diensthabenden Wochenmeisters im Einvernehmen mit diesem spricht. Das Zeichen zum Aufstehen gibt beim Mittag- und Abendessen der Wochenmeister.

5. Sonstige Ordnungsbestimmungen.

  1. Das Betreten der Insel wird durch einen Wochenhabenden geregelt. Es ist grundsätzlich nur den Besuchern, Amtspersonen und Lieferanten gestattet, Angehörigen der Schüler, Lehrer und Angestellten an den dazu bestimmten Sonntagen.

    Die Angehörigen der Lehrer und Angestellten können ausnahmsweise nach Eintragung in das Fremdenbuch, das beim Wachhabenden ausliegt, die Insel auch zu anderen Zeiten, aber nicht vor 14 Uhr, betreten. Ihre Abmeldung erfolgt ebenfalls in das Fremdenbuch.

    Andere Besucher werden nur auf Grund eines schriftlichen Ausweises des Schulleiters, in der Regel erst nach 14 Uhr, zugelassen und haben an den Fährdienst ein Fahrgeld von 15 Pfg. zu entrichten. Sie haben sich bei Betreten und bei Verlassen der Insel, das bis zum Einbruch der Dunkelheit erfolgt sein muß, in das Fremdenbuch einzutragen.

  2. Der Privatverkehr der Schüler und ihrer Angehörigen mit den Angestellten, insbesondere Besuch in deren Wohnung, ist nicht gestattet. Die Hausdame steht den Genannten natürlich ebenso wie die Lehrer zur Verfügung. Angesetzte Sprechstunden sind innezuhalten.

  3. Der verbindliche Gruss innerhalb der Schulfarm ist der vorschriftsmäßig ausgeführte Hitler-Gruß. Er wird, seiner hohen Bedeutung entsprechend, während des Tages nur zur ersten und

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    letzten Begrüßung, außerdem gemeinsam zu Beginn und Schluß jeder Unterrichtsstunde erwiesen.

  4. Verteilung der Sonntage. Üblicherweise gehört jeder 1. und 3. Sonntag im Monat der Hitler-Jugend bezw. steht den Schülern auf der Wiese zur freien Verfügung. Der 2. Sonntag einschließlich des vorausgehenden Sonnabends ab 14 Uhr soll von den Schülern zum Besuche ihrer Angehörigen benutzt werden. Der 4. Sonntag ist ab 13 Uhr Besuchstag für die Angehörigen.



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