Protokoll der 48. Abendaussprache


Quelle: Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, Bd. V, S. 34-36

[Datum: [vor dem 11.09.].1924 - Protokollant: Wilhelm Blume]


Zu Beginn der Abendaussprache verteilt der Vorsitzende die von A. Fritz künstlerisch ausgeführten Urkunden an die Sieger bei dem freilich durch Regen stark beeinträchtigten Sportfest. Er weist ferner auf die von jetzt ab regelmäßig ausliegenden Zeitschriften "Umschau" und "Westermanns Monatshefte" hin. Auf die Angebote der Zeitschrift "Der Bücherwurm" wird hingedeutet. Der Aufbau unter Führung des Physikers Herrn Bandmann wünscht die Anschaffung einer Feuerspritze; man will in der nächsten Schulgemeinde die Sammlung von Geld für Instandsetzung der kleinen Bollespritze und die Anschaffung eines Schlauches veranlassen. Erich Dietz wird auf Antrag seines Amtes als Lampenputzer entsetzt und an seiner Statt Rudi Frey gewählt. Diesem soll auch fortan das von Erich Ulm zu selten erfüllte Wapo-Amt zufallen; Haffner, Hobus, Kroll und Lehmann verlangen Aufklärung der Kabelangelegenheit; Erich Dietz bekam noch manches böse Wort der Entrüstung zu hören, weil die von ihm angeregte Fährklingelanlage mißlungen ist; das hier und da herumliegende Kabel soll im Laboratorium verwahrt werden zu günstigerer Verwendung. Der Musik- und Saalwart bittet, die Sofaritzen nicht als Papierkorb zu benutzen. Heinz Faas, der den Vorwurf erhebt, man treibe in Scharfenberg Kirschenwucher, wird bedeutet, daß selbstverständlich Tegeler Preise genommen werden; wem von den Eltern sie zu teuer seien, könne ja ruhig seinen Bedarf an dem Berliner Wagen decken; es sei nicht der Zweck der Scharfenberger Landwirtschaft, zu allem übrigen den Eltern noch Verbilligungen für ihren Hausbedarf zu schaffen. Und ein Schar-

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fenberger Junge brauche für sich keine Kirschen zu kaufen; er ist als Pflücker immer willkommen und kann dabei nach Herzenslust essen. -

Blume spricht - und das ist der wichtigste Punkt des Abends - von den etwa heraufziehenden Gefahren, wenn - wie es den Anschein habe, Paulsen aus dem Magistrat ausscheide [Anm. 1]. Um für den Notfall gerüstet zu sein, denke er an 2 Abwehrmaßregeln, die zwar mehr indirekt wirken würden, aber entschieden wirksam seien: die eine gehöre vor das Forum der Schulgemeinde, die andere bedürfe der aktiven Mitarbeit der Schüler. Es sei gut, ein "Scharfenbergbuch" herauszugeben; so sehr ihm literarische Ausschlachtung zuwider sei, benötige man doch ein monumentum, auf das man die Öffentlichkeit hinweisen könne; ja, schon sein bloßes Dasein mache ein Hinwegwischen, das juristisch noch durchaus angängig sei, moralisch unmöglich. Selbstverständlich dürfe das Buch nicht von Blume allein geschrieben sein, wenn es nicht von vornherein unsere Prinzipien Lügen strafen solle; sondern es müsse aus dem Zusammenwirken vieler hervorgehen, scheinbar ein Mosaik nicht dispositionell aufgezogener Beiträge, und wenn man es ganz gelesen und gesehen doch den einheitlichen Richtungs- und Stilwillen erkennen lasse. Blume erinnerte daran, daß unser Georg Netzband im Verfolg desselben Gedankens schon vor einiger Zeit seine talentierten Getreuen um sich versammelt in Calle Berischs Bude und die Sammlung einer Scharfenbergmappe angeregt habe, aus der dann die illustrativen Beigaben genommen werden sollen; vom Umschlagsdeckel bis zur Schlußsignette müsse das Buch eigene Arbeit werden. Vielleicht benutze man die gr. Ferien, daran zu denken und versuchsweise Beiträge zu schaffen!

Ein ebenfalls wichtiger Punkt war die Entscheidung über das Probevierteljahr; jeder Stimmberechtigte macht hinter den Namen des Aufzunehmenden ein + oder Minus. Der Modus sollte erst nach dem Vorschlag des Ausschusses ein anderer sein, indem nur über die abgestimmt werden sollte, gegen die vorher beim Ausschuß Widerspruch erhoben sei; doch kam man noch in letzter Stunde aus Gerechtigkeitsgründen ab. Während der Auszählung der Stimmen durch den Ausschuß spielte Bandmann aus dem Sommernachtstraum. Es ergaben sich von 41 Stimmen für Blümel, Oeser, Pewesin 41, für Heyn 36, Opalka 34, Reschke 35, Völkner 31, Schwatlo und Molo 30,

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für Samter 27, für Kuttner 25, für Voigt 17. Die erforderliche 2/3 Minuszahl hat niemand auf sich vereinigt; die sie beinah streifen, müssen sich selbst gründlichst überlegen, ob sie sich dauernd in dieser Gemeinschaft wohl fühlen werden.

Der Name Karl Metzners war vom Ausschuß mit auf die Abstimmungsliste gesetzt; da er aber vor Annahme des Probevierteljahrs eingetreten war, konnte sie nur Stimmungswert haben; diesen zu fixieren, war deshalb nicht unwichtig, weil K. Metzner seit Ostern auf dringenden Wunsch des Lehrerkollegiums von seinem Vater zu Haus unterrichtet wurde, da er in Mathematik und den Sprachen den Anschluß nicht hatte finden können. Für seine Wiederkehr hatte sich niemand erklärt. -

Im Namen des alten Deutschkurses erbat Willi Grundschöttel in dieser letzten Abendaussprache vor den Ferien die Erlaubnis, daß sich der um W. Schramm und Peter Völkner verstärkte alte Deutschkurs auf seiner 3. Studienfahrt "Scharfenberger Schultheater" nennen dürfe; er legte Entstehung, Plan und Ziel der Theaterfahrtidee klar und erhielt die nachgesuchte Erlaubnis.


Anmerkungen::

Anm. 1:
Berlin, LA, SIS: CH, V, S. 34, vor Beginn des Protokolls, schreibt Blume: "In der Philologenschaft regt sich doch ab und zu wieder die alte Gegnerschaft gegen Scharfenberg; und in diesen Wochen, in denen Paulsens Stellung wankt, wittert sie Morgenluft. Wir konnten uns niemals ganz mit Paulsens Programm identifizieren, das ja bei größeren Schulen noch schwerer oder gar nicht durchzuführen wäre; aber andererseits war er trotzdem unser Gönner und Freund. Und so drohen hier tatsächlich schlimmere Gefahren; auch in der 48. Abendaussprache mußte offen von ihnen geredet werden."



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