[Wilhelm Blume]

Hausordnung für das Schulgemeindeheim des Humboldtgymnasiums (1919)

Quelle: Berlin, Landesarchiv, Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg
Veröffentlichung: Marburg 1999: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1999/0001/q01.html
Literatur: Haubfleisch, Dietmar: Schulfarm Insel Scharfenberg. Mikroanalyse der reformpädagogischen Unterrichts- und Erziehungsrealität einer demokratischen Versuchsschule im Berlin der Weimarer Republik (=Studien zur Bildungsreform, 39), Frankfurt [u.a.] 2001, bes. S. 103-113.


  1. Die Schulgemeinde überträgt die Verwaltung ihres Hauses auf Jahresfrist einem 10gliedrigen Ausschusse.

    1. Der Verwaltungsausschuß besteht aus
      1. 6 von der Schulgemeinde gewählten Mitgliedern und zwar einem Lehrer und 5 Schülern; für etwa innerhalb eines Jahres ausgeschiedene Mitglieder haben Ergänzungswahlen stattzufinden;
      2. es treten hinzu der Leiter und die Klassenführer der Schulgemeinde sowie der Obmann des Schülerausschusses.

    2. Der Verwaltungsausschuß, der mit Stimmenmehrheit beschließt, wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden, der bei Stimmengleichheit entscheidet, übergibt dem Leiter der Schulgemeinde und einem der zum Ausschuß gehörigen Schüler je eins der beiden Schlüsselbunde zur Aufbewahrung, verteilt unter seine Mitglieder die ständigen Sonderämter und hat das Recht der Zuwahl, die mit 2/3 Mehrheit erfolgen muß.

    3. Die Hauptaufgaben des Verwaltungsausschusses sind:
      1. die nötigen Anschaffungen zu machen und zu buchen,
      2. rechtzeitig bekannt zu geben, wann das Haus geöffnet sein soll,
      3. für diese Zeit jedes Mal einen Aufsichtsführenden zu ernennen,
      4. besondere Veranstaltungen im Heim wie Aufführungen, Sportfest u.ä. vorzubereiten,
      5. von Zeit zu Zeit durch den Schriftführer oder ein anderes Mitglied einen Verwaltungsbericht an die Schulgemeinde zu erstatten.

  2. Ein Mitglied des Verwaltungsausschusses oder im Notfall ein vom Verwaltungsausschuß beauftragtes Mitglied der Schulgemeinde führt in der Schulzeit tage- und den Ferien wochenweise die Aufsicht im Heim. Der aufsichtführende Kamerad sorgt für Ordnung und Sicherheit des Grundstücks; insbesondere

    1. bestimmt er für jeden Tage einen der Insassen, der für die Sauberkeit der Küche und Küchengeräte, einen zweiten, der für die Sauberkeit der Stuben und ihre Heizung im Winter, einen dritten, der für die Ordnung auf dem Boden und in den Anlagen sorgt, und wird dabei selbst überall mit Hand anlegen;

    2. um so mehr ist er berechtigt, im Bedarfsfalle jeden Besucher zu Arbeiten zum Besten des Allgemeinwohls im Garten, auf dem Felde oder im Walde heranzuziehen;

    3. weist er jedem Besucher für seine Habe eine Stelle im Regal oder auf dem Boden an;

    4. verteilt er die Lagerstätten in den Stuben und auf dem Boden unter die Übernachtenden und wird dabei die Betten in erster Linie den Längerbleibenden vorbehalten, bei gleicher Aufenthaltsdauer der Insassen darüber eine gütliche Übereinkunft herbeiführen, im Zweifelsfalle das Los entscheiden lassen;

    5. zieht er die von den Besuchern zu erhebenden Gebühren und die bei gemeinsamen Einkäufen etwa auf die einzelnen entfallenden Teilbeträgen ein und liefert das neueingegangene Geld nebst einer kurzen schriftlichen Aufstellung bei der nächsten Gelegenheit an einen der Kassenführer ab;

    6. schließt er vor dem Schlafengehen die Haustüre und die Fensterläden;

    7. liegt ihm ob, eine Übersicht über Zahl, Dauer und Art der Besuche ins Heimbuch einzutragen sowie wichtigere Vorkommnisse aus seiner Amtszeit entweder selbst zu schildern oder andere dazu anzuregen;

      ((Rückseite))

    8. muß er, wenn das Heim für längere Zeit geschlossen wird, das Haus in jeder erdenklichen Weise sichern, für die ungefährdete Aufbewahrung der Geräte in der Truhe sorgen, die Schlüssel wieder abliefern und das Heimbuch in der Bibliothek des Humboldtgymnasiums niederlegen.

  3. Die Insassen des Heimes schließen sich jedes Mal zu einer Kameradschaft zusammen. Alle kommen den Anordnungen des Kameradschaftsführers willig nach und sind sich bewußt, daß das vornehmste Ziel des gemeinsamen Draußenseins die Pflege echt kameradschaftlichen Geistes ist. Dabei soll jeder im Heim volle Freiheit genießen, soweit es die notwendige Ordnung und die Rücksicht auf die Mitinsassen gestattet.

    1. Durch sein Verhalten in der Umgebung des Hauses wird jeder von selbst dazu beitragen, der Schulgemeinde und ihrem Heim einen guten Ruf zu erwerben und zu bewahren. Selbstverständlich wird niemand in den Wäldern rauchen oder sonst Feuer anzünden, niemand Felder und Wiesen betreten; vielmehr soll jeder alles fremde Eigentum in der Umgebung des Hauses in seine Obhut nehmen, Wald- und Feldschäden, soweit es irgend in seiner Macht steht, zu behindern suchen. Auf Anfordern sind die Besucher verpflichtet, auf den Feldern des Gutes Stolpe Erntehilfe zu leisten. Das Baden in der Havel geschieht auf eigene Verantwortung; es ist nur Schwimmern erlaubt; Nichtschwimmer dürfen ausnahmsweise das Flußbett betreten, wenn ein Erwachsener sie an einer Schwimmleine hält.

    2. In den Räumen des Hauses selbst wird sich jeder Besucher möglichster Sauberkeit befleißigen, die Stuben durchaus als Wohnstuben behandeln, mit den Einrichtungsgegenständen und Geräten sorgsam umgehen, für selbstverschuldete Beschädigungen Ersatz leisten [...].

      Wer die Absicht hat, im Heim zu übernachten, hat dies im Laufe des Tages dem aufsichtführenden Kameraden mitzuteilen; Decken muß jeder selbst mitbringen; Heu oder Stroh zum Lager wird nach Möglichkeit gehalten. Spätestens um 11 Uhr hat jeder Übernachtende im Hause zu sein.

      Zur Bestreitung der Verwaltungskosten zahlt jeder für Feuerung und Benutzung der Geräte täglich 10 Pfennige, den gleichen Preis für das Übernachten. Gäste sind von der Zahlung befreit.

      Wer sich gegen die vorstehenden Bestimmungen vergeht oder sich den Anordnungen des aufsichtsführenden Kameraden widersetzt, kann von diesem aus dem Heim verwiesen werden. Gegen den Entscheid des Aufsichtführenden ist Beschwerde an den Verwaltungsausschuß und zuletzt an die Schulgemeinde möglich.

      Wer sich wiederholt solche Verstöße zu Schulden kommen läßt oder den guten Ruf des Heimes schädigt, kann auf Antrag des Verwaltungsausschusses durch die Schulgemeinde auf längere Zeit von dem Besuch des Hauses ausgeschlossen werden.

    Berlin, am ... 1919.

    Der Verwaltungsausschuß
    gez.
    ... Leiter der Schulgemeinde
    ... Obmann des Schülerausschusses
    ... Vorsitzender des Verwaltungsausschusses
    ... Schriftführer des Verwaltungsausschusses

    ((angefügtes Blatt))

    [Anhang:] Anspruch auf Aufnahme im Heim haben nur die Mitglieder der Schulgemeinde; mit Einwilligung des Aufsichtsführenden können auch ehemalige Schüler übernachten.


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