Haubfleisch, Dietmar: http://www.ub.uni-marburg.de - Die Universitätsbibliothek Marburg im World Wide Web (WWW). Ein Werkstattbericht. In: Hessens Bibliotheken arbeiten zusammen. Hessischer Bibliothekstag 1997 in Korbach, Offenbach 1997, S. 122-128. - Leicht überarb. auch: Marburg 1997: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1997/0014.html


Dietmar Haubfleisch

http://www.ub.uni-marburg.de

Die Universitätsbibliothek Marburg im World Wide Web (WWW).
Ein Werkstattbericht [Anm. 1]

Das Internet ist seit einigen Jahren in aller Munde. Das gilt auch für das World Wide Web (WWW), einem komfortablen, globalen Hypertext- und Hypermediasystem, das mit Hilfe der Dokumentenbeschreibungssprache HTML (HyperText Markup Language) Text, Grafik, Bewegtbilder und Ton vermitteln und mit Hilfe von Verweisen - sogenannten "Hyper-Links" - miteinander verknüpfen kann. Wie zahlreiche andere Bibliotheken und sonstige Einrichtungen im universitären Bereich [Anm. 2], stellte sich auch die UB Marburg gegen Ende des Jahres 1995 die Frage, ob und wenn ja, in welcher Weise auch sie die Möglichkeiten des WWW einsetzen und nutzen könnte.

Es bildete sich eine kleine, vier Personen umfassende Projektgruppe, die mit der Frage des strukturellen und inhaltlichen Aufbaus eines WWW-Angebotes beauftragt wurde. Von den Mitgliedern der Projektgruppe hatten zwei bereits eigene WWW-Erfahrungen, die beiden anderen waren im Bereich Benutzungsabteilung / Öffentlichkeitsarbeit tätig, waren also insbesondere mit Fragen der Informationsvermittlung und -präsentation betraut. Die Einarbeitung der Gruppenmitglieder in HTML und die verschiedenen mit der Aufgabe verbundenen Probleme erfolgte durch "Surfen" im Internet und die Lektüre von Handbüchern autodidaktisch.

Die UB Marburg unterhält einen eigenen WWW-Server, dessen Aufbau und Pflege einem Mitarbeiter der DV-Abteilung der UB obliegt. Damit folgt die UB Marburg auch im Bereich des WWW ihrem Gesamtkonzept, DV-Arbeiten im Rahmen der vom lokalen Rechenzentrum bereitgestellten Infrastruktur selbst zu realisieren.

Zu Beginn ihrer Arbeit investierte die Projektgruppe sehr viel Zeit in die Entwicklung einer Gesamtkonzeption. Zu diesem Zwecke wurden u.a. WWW-Seiten anderer deutscher Universitätsbibliotheken einer kritischen Analyse unterzogen.

Relativ rasch kristallisierten sich dabei für die Projektgruppe zwei Hauptziele heraus:
  1. Das erste Hauptziel lautete: die UB mit Hilfe des Mediums WWW über die bisherigen Möglichkeiten hinaus der Welt (sprich: der Internetwelt) zu öffnen. Mit diesem Ziel waren zwei Aufgaben verbunden:


  2. Das zweite Ziel bestand darin, einen möglichst komfortablen Weg zu finden, die Nutzung der weltweiten Internetressourcen für die Benutzer und die Mitarbeiter in der UB und den dezentralen Bibliotheken (an den von der UB gepflegten multifunktionalen DV-Arbeitsplätzen) sowie für die Mitglieder der Universität zu öffnen. Dieses sollte erreicht werden,


Innerhalb eines guten Jahres praktischer Arbeit ist ein strukturell durchdachtes und inhaltlich reiches WWW-Angebot entstanden. "Betont seriöser" gestaltet als viele andere Internetangebote - wie die lokale Presse lobend vermerkte [Anm. 3] -, kann sich jeder den Stand der Dinge ansehen.

Die Internetadresse (URL) der Homepage der UB lautet: "http://www.ub.uni-marburg.de". Von ihr gelangt man über einige Hauptmenüpunkte, zum Teil über untergeordnete Menüpunkte, zu den hierarchisch strukturiert dargebotenen Informations- und Dienstleistungsangeboten. Eine andere Möglichkeit ist, unter Umgehung der hierarchischen Strukturen über eine auf der Homepage dargebotene Registerleiste (A-Z) zu einzelnen Inhalten des WWW-Angebotes zu gelangen.

Zur Fülle des Angebotes gehören Informationen zur Lage der UB, zu den Öffnungszeiten und Angaben zu Namen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen der Mitarbeiter. Der Text der Benutzungsordnung ist enthalten wie Hinweise zur Benutzung des Katalog- und des Lesesaals, zur Leihstelle und der Lehrbuchsammlung. Es wird ebenso informiert über Dienstleistungen wie z.B. die Fernleihe und Dokumentlieferung sowie über Ausstellungen und andere kulturelle Veranstaltungen (in) der UB oder über das reiche CD-ROM- Angebot der UB, das im Regelfall campusweit zur Nutzung bereit steht, und die den Benutzern angebotenen Schulungsveranstaltungen und UB-Führungen.

Von den elektronischen Dienstleistungen der UB ist über WWW zur Zeit der Online-Gesamtkatalog des Marburger Bibliothekssystems (OPAC), das Bestellsystem der UB (MARIA) sowie das Marburger Elektronische Text-Archiv (META) zugänglich. Letzteres enthält gegenwärtig die ersten elektronischen Dissertationen, elektronische Fassungen von Texten, die zuvor in den "Schriften der Universitätsbibliothek Marburg" veröffentlicht worden sind, verschiedene Veröffentlichungen von Mitarbeitern der UB sowie die "Grundlagen des Bibliothekssystems der Philipps-Universität Marburg". Diese "Grundlagen" stellen eine umfangreiche Sammlung von Texten - z.B. von überregionalen Institutionen wie etwa der DFG, oder lokalen Gremien wie z.B. den Ständigen Ausschüsse der Marburger Universität - dar, die für das Bibliothekssystem relevant sind.

Per EDV erstellte Statistiken zeigen, daß das WWW-Angebot der UB Marburg von den Benutzern der UB, der dezentralen Bibliotheken, der Universität, aber auch außerhalb Marburgs in deutlich steigendem Maße angenommen wird. Für einen großen Teil der Mitarbeiter der UB und der dezentralen Bibliotheken gehört der Umgang mit dem WWW zum beruflichen Alltag.

Dennoch gab und gibt es bezüglich des Umgangs mit dem Medium einen deutlichen Schulungs- und Fortbildungsbedarf. Für die Kollegen der UB und der dezentralen Bibliotheken bieten daher versierte Mitarbeiter Einführungen an. Die UB ist Ausbildungsbibliothek; der Umgang mit den elektronischen Medien, also auch mit dem WWW, für die bibliothekarische Arbeit gehört inzwischen zum festen Ausbildungsprogramm für alle Laufbahngruppen. Für die Benutzer schließlich steht ein differenziertes Angebot an Führungen, Einführungen und Schulungen zur Verfügung.

Was nun die zukünftige Entwicklung anbelangt, so wird es darum gehen, das vorhandene Angebot weiter auszubauen und ständig aktuell zu halten - wobei der mit dieser Aufgabe verbundene Arbeitsaufwand nicht geringgeschätzt werden darf.

Bezüglich der Zielsetzung eines unmittelbaren WWW- Zugriffs auf möglichst viele elektronische Dienstleistungen der UB ist zur Zeit u.a. geplant, für Nutzer innerhalb des Campus der Marburger Universität einen Zugriff auf das umfangreiche CD-ROM-Datenbanken-Angebot der UB über WWW zu schaffen. Außerdem soll das elektronische Textarchiv ausgebaut werden und die enthaltenen Dokumente in der hessischen Verbunddatenbank bzw. in der Marburger Bibliographie - die die Schriften der Mitarbeiter der Marburger Universität enthält - katalogisiert werden. Mit Einführung des WWW-fähigen PICA-WEB-OPAC wird es möglich sein, in der Verbunddatenbank verzeichnete elektronische Werke aus dem OPAC heraus direkt als Volltext aufzurufen; dasselbe wird dann auch für die Marburger Bibliographie gelten.

In Marburg ist der Gedanke der Kooperation innerhalb des universitären Bibliothekssystems sehr stark ausgeprägt. Die Funktion der UB als Informationszentrale der Universität wird insbesonders im Bereich der neuen Medien realisiert, z.B. durch das Vorhandensein eines gemeinsamen lokalen OPACs, durch die Bereitstellung des CD-ROM-Angebots der UB für das gesamte Marburger Bibliothekssystem und die Retrokonversion des universitären Gesamtkataloges. Entsprechend dieser Situation war es erklärte Absicht der WWW-Projektgruppe, durch Struktur und Inhalt des WWW-Angebots die Funktion der UB als zentrale Informations- und Koordinierungsstelle des gesamten Bibliothekssystems auszubauen. Es ist eine offene und interessante Frage, ob bzw. inwieweit es gelingen wird, solche Koordinierungsfunktionen auch bezüglich der WWW-Informationen der bzw. über die dezentralen Bibliotheken wahrzunehmen.

Des weiteren wird die Frage zu klären sein, wer innerhalb der UB mittel- und langfristig den Ausbau und die Pflege des WWW-Angebotes betreibt. Hier deutet sich aus der Sicht der WWW-Projektgruppe zur Zeit folgende Entwicklung an:
  1. Für die technische Umsetzung von neuen bzw. zu aktualisierenden WWW-Inhalten (Schreibarbeit durch Aktualisieren veralteter Links; Überspielen von Dateien aus der DOS- in die UNIX-Welt) sind ein oder mehrere Personen zuständig.

  2. Für neue Inhalte und Aktualisierungen der WWW- Angebote wird die Verantwortlichkeit (zunehmend) von den zuständigen Abteilungen und Sachgebieten sowie den jeweils zuständigen Mitarbeitern übernommen.

    Ein Vorteil dieser Aufgabenverteilung wäre, daß durch sie am ehesten die sachliche Richtigkeit und Unmittelbarkeit der zu transportierenden Informationen gewährleistet werden könnte.

    Ein zweiter Vorteil wäre, daß der Umgang mit dem Medium WWW von einer Vielzahl von Kollegen (nicht nur in bezug auf "Recherchen") zur selbstverständlichen alltäglichen Aufgabe - und zugleich zu einem permamenten Fortbildungsprozeß - wird.

    Ein bereits seit einigen Monaten (in der Regel) gut funktionierendes Beispiel stellen die "Fachinformationen" (Einstiegspunkte für Informationen im Internet zu den einzelnen Fächern, die von der UB und der Universität gepflegt werden) dar, für deren Strukturierung und inhaltlichen Aufbau die einzelnen Fachreferenten allein verantwortlich sind.

  3. Als Ansprechpartner für WWW-Fragen im Allgemeinen, für Aufgaben der Pflege der Struktur des WWW-Angebotes sowie für die Koordination und Endredaktion der eingehenden Texte könnte eine - ggf. dem Bereich "Öffentlichkeitsarbeit" oder "Benutzungsabteilung" zugeordnete - "WWW-Zentralredaktion" verantwortlich sein.

    Der Verzicht auf eine solche "Zentralredaktion" scheint der Projektgruppe nicht ratsam, da sie Anlaß zu der Befürchtung hat, daß das WWW-Angebot dadurch in Struktur, Stil und Inhalt zu heterogen und für die Benutzung zu unübersichtlich zu werden droht.

Das "Fallbeispiel WWW" zeigt, wie sehr sich die praktische Arbeit der Bibliotheken bzw. der Bibliothekare und damit auch deren Berufsbild durch die elektronischen Medien in kürzester Zeit qualitativ verändert hat [Anm. 4]. Es ist zudem auch ein Beispiel für die Aufgabenerweiterung der Bibliotheken, die mitnichten mit einer ausreichenden Ausstattung an Sach- und Personalmitteln korrespondiert. Doch die neuen Aufgaben müssen von den Bibliotheken und Bibliothekaren angenommen werden, wollen sie in einer veränderten Informationslandschaft ihre Stellung als Informationsspezialisten der Hochschule bewahren.


Anmerkungen:

[Anm. 1:]
Überarbeitete Fassung des auf dem Hessischen Bibliothekstag 1997 in Kassel am 12.05.1997 gehalteten Vortrags, unter Verzicht auf die im Vortrag präsentierten Beispiele aus dem WWW-Angebot der UB Marburg.

[Anm. 2:]
Vgl.: Thomas Hilberer: Bibliothekarische Öffentlichkeitsarbeit durch Informationsangebote im World Wide Web. Beispiel: Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf. In: Bibliotheksdienst. Jg. 30 (1996), S. 1452-1459.

[Anm. 3:]
Markus Engelhardt: Marburg: Blick ins Internet. Was die lokale Kulturszene im Web bietet. In: Oberhessische Presse vom 30.05.1997.

[Anm. 4:]
Die veränderte Arbeitssituation gilt nicht nur für (all) diejenigen, die mit der Erstellung und der permanenten Überarbeitung existierender WWW-Texte betraut sind. Sie betrifft auch für all diejenigen, die sich durch Schulungen, Fortbildungen und durch "learning by doing" (immer bessere) WWW-Kenntnisse zum eigenen Gebrauch aneignen müssen. Und sie gilt schließlich auch für alle Kollegen aller Laufbahngruppen, die im Auskunftsbereich der UB oder als Fachreferenten in direktem Kontakt stehen, sowie - und dies ist noch nicht so recht in den Blick geraten - auch für all die Bibliothekare sowie für all die Aufsichtskräfte in den dezentralen Bibliotheken, die von den Benutzern in zunehmendem Maße mit entsprechenden Fragen konfrontiert werden und lernen müssen, damit umzugehen.