Presseinformationen der Universitätsbibliothek Marburg

- Presseinformation vom vom 02.12.1997 -

Neue Veröffentlichung der Universitätsbibliothek Marburg

Margret Lemberg: Otto der Schütz. Literatur, Kunst und Politik. Ein Bilderzyklus in der Alten Aula der Philipps-Universität Marburg. Marburg 1997, 46 S.
(Schriften der Universitätsbibliothek Marburg, 82)
ISBN 3-8185-0241-2 ISSN 0931-7163

Wenige in Marburg vorhandene bedeutende Gemälde sind so unbekannt wie der Bilderzyklus von "Otto dem Schützen" in der neogotischen "Alten Aula" der Philipps-Universität. Die Aufmerksamkeit der Besucher dieses Saales wird nämlich gemeinhin völlig von den sieben großen Historiengemälden aus dem Jahre 1903 von Peter Janssen an den drei fensterlosen Seiten mit Ereignissen aus der Stadt- und Landesgeschichte gefangengenommen. Erst wenn das Auge sich an das Dämmerlicht in der Aula gewöhnt hat, entdeckt der aufmerksame Besucher in den sechs Zwickeln oberhalb der drei großen gotischen Fenster weitere Bilder.

Diese für den Beobachter meist durch die Fenster überstrahlten sechs Gemälde erzählen eine ehedem populäre Sage von der Brautfahrt des hessischen Landgrafensohns "Otto des Schützen" nach Kleve: Der jugendliche Otto soll der Sage nach vor dem Studium der Theologie geflohen sein und als unbekannter Diener des Grafen von Kleve Herz und Hand der schönen jugendlichen Grafentochter Elisabeth errungen haben.

Das soeben erschienene Buch von Margret Lemberg, die bereits in einer ihrer früheren Publikationen die großen Aulagemälde vorgestellt hat, enthält nicht nur erstmals Abbildungen des romantischen Sagenzyklus "Otto der Schütz" von Peter Janssen in Farbe, es stellt außerdem diesen Wandgemälden fünf thematisch verwandte Bilder anderer Künstler entgegen. Im Text vergleicht die Autorin den Marburger Zyklus vor allem mit der heute weithin vergessenen, zu ihrer Zeit aber berühmten dichterischen Fassung der Sage von Gottfried Kinkel, die allen Illustrationen zugrunde lag. Durch diesen Vergleich wird deutlich, wie sehr sich der Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie Peter Janssen, einer der letzten bedeutenden Historienmaler des 19. Jahrhunderts, von dem Sagentext Kinkels gelöst hat, ohne jedoch den Inhalt und die poetische Stimmung der literarischen Vorlage verfälscht zu haben.

Im Schlußkapitel des Buches werden diese Gemälde in ihren politischen Zusammenhang zu Beginn des 20. Jahrhunderts gestellt. Die Verfasserin kann hierbei aufgrund von Archivmaterial zeigen, daß der Zyklus mit seinem "preußisch" überformten Sagenstoff ohne Wissen der Marburger Universität vom Maler im Einvernehmen mit dem preußischen Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten vereinbart wurde; die zuständige Universitätskommission übte hieran wie auch an den Themen der großen Aulabilder entsprechend Kritik; nach der Vollendung gab sich die Universität jedoch auch damit zufrieden.

Die vorliegende Publikation, die aus einem Vortrag der Verfasserin anläßlich ihrer Ehrenpromotion hervorgegangen ist, rückt also nicht nur den bisher kaum beachteten Bilderzyklus "Otto der Schütz" von Peter Janssen ins rechte Licht, sie ruft gleichzeitig die Gestaltung der Sage durch Gottfried Kinkel wieder ins Gedächtnis und zeigt den bewußten oder unbewußten Einfluß der Politik auf die künstlerische Gestaltung der Marburger Aula, eines der letzten großen architektonisch-malerischen Zeugnisse des Historismus in Deutschland.

Der Band ist zum Preis von DM 30,- bei der Universitätsbibliothek Marburg, Wilhelm-Röpke-Straße 4, 35039 Marburg, zu beziehen.


Margret Lemberg