Presseinformationen der Universitätsbibliothek Marburg

- Presseinformation vom 27.06.1997 -

Adolf-Reichwein-Archiv jetzt in Berlin

Adolf Reichwein, geb. am 03.10.1898 in Bad Ems, war in der Zeit der Weimarer Republik Leiter der Volkshochschule in Jena (1923-1929), persönlicher Referent des preußischen Kultusministers Carl Heinrich Becker in Berlin (1929/30) und Professor an der Pädagogischen Akademie in Halle/Saale (1930-1933). Von den Nationalsozialisten aus seinem Hochschulamt entfernt, ging er im Herbst 1933 als Lehrer an die einklassige Landschule in Tiefensee/Kreis Oberbarnim, wo er ein Muster moderner Landschulpädagogik entwickelte. Nach 1939 als Museumspädagoge am Volkskundemuseum in Berlin tätig, führte ihn sein aktiver Widerstand gegen das NS-Regime in den "Kreisauer Kreis". Am 20.10.1944 wurde Adolf Reichwein zum Tode verurteilt und in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Bereits seit 1946 bemühten sich Freunde Adolf Reichweins, die Dokumente seines Wirkens für die Nachwelt zu sammeln und zu bewahren. Durch das Sammeln von Briefen, Fotos und Zeitzeugen-Berichten legten sie den Grundstock für das heutige "Adolf-Reichwein-Archiv". Dieses Archiv wurde bis 1976 von Prof. Hans Bohnenkamp an der Pädagogischen Hochschule Osnabrück verwaltet und nach dessen Tod von Prof. Wilfried Huber an der Pädagogischen Hochschule Münster weitergeführt. Nach dessen frühzeitigem Tod 1986 übernahm es zunächst Prof. Roland Reichwein in Münster. 1989 kam das Archiv als Depositum in die Universitätsbibliothek Marburg, da man in Marburg die Möglichkeit sah, daß hier tätige, an der Reichwein-Forschung interessierte Wissenschaftler das Archiv für ihre Arbeiten nutzen, verwalten und aufbereiten würden. Im Mai dieses Jahres fand das Archiv nun seinen dauerhaften Standort in der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung in Berlin.

Die Verlagerung geschah auf Bitten des Adolf-Reichwein-Vereins, der Eigentümer des Archivs ist. Der Verein erwartet sich von der Verlagerung des Archivs, daß das rege wissenschaftliche und kulturelle Leben in der Hauptstadt Berlin, in deren Stadtgebiet und Umland fünf Universitäten und Hochschulen und zahlreiche wissenschaftliche Institutionen liegen, die Erschließung und Nutzung des Archivs wesentlich befruchten wird. Motiviert wurde der Umzug auch durch die Tatsache, daß Berlin die letzte Wirkungsstätte Adolf Reichweins war. An der feierlichen Übergabe des Archivs nahm - neben anderen Persönlichkeiten - auch die Witwe Adolf Reichweins teil, die in Berlin wohnt und sich befriedigt über das neue Domizil des Archivs äußerte.


Dietmar Haubfleisch