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Titel:Ystoryaeu Seint Greal - Zwischen Übersetzung und Adaption
Autor:Zimmermann, Claudia
Weitere Beteiligte: Poppe, Erich (Prof. Dr.)
Veröffentlicht:2021
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2021/0106
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2021-01061
DOI: https://doi.org/10.17192/z2021.0106
DDC:890 Literatur in anderen Sprachen
Titel (trans.):Ystoryaeu Seint Greal - Between Translation and Adaption
Publikationsdatum:2021-03-31
Lizenz:https://rightsstatements.org/vocab/InC-NC/1.0/

Dokument

Schlagwörter:
Perlesvaus, loanwords, Gral, Middle Welsh, Erzählerpräsenz, Ystoryaeu Seint Greal, Haut Livre du Graal, Altfranzösisch, translation, Perlesvaus, König Artus, Queste del Saint Graal, Mittelkymrisch, Peniarth 11, Peniarth 11, King Arthur, Old French,, Lehnwörter, Walisisch, Y Greal, Queste del Saint Graal, 14. Jahrhundert, Ystoryaeu Seint Greal, Grail, Übersetzung, Y Greal

Zusammenfassung:
Ystoryaeu Seint Greal (YSG), die Geschichten vom Heiligen Gral, sind eine zweiteilige walisische Übersetzung des späten 14. Jh. von zwei französischen Artusgeschichten des frühen 13. Jh. Der erste Teil (YSG1) beruht auf der Queste del Saint Graal, der zweite (YSG2) auf dem Haut Livre du Graal, heute meist Perlesvaus genannt. Die vorliegende Arbeit untersucht anhand ausgewählter Themenbereiche das Verhältnis zwischen Vorlagen und walisischer Bearbeitung. Leitfragen betreffen die Nähe/Distanz zwischen Vorlagen und Übersetzung, das Vorgehen des Übersetzers und mögliche Rückschlüsse daraus auf den/die Übersetzer, das soziokulturelle Umfeld und das Zielpublikum Ziel dieser Arbeit ist, auf Basis einer neuentwickelten Vergleichsmethode erstmals statistisch nachvollziehbar die relative Distanz bzw. Nähe von Vorlagen und Übersetzung zu messen und gleichzeitig die Erkenntnisse vorangegangener Untersuchungen überprüfen. Bei den YSG handelt es sich um den einzigen walisischen Vertreter der auf dem europäischen Kontinent so weitverbreiteten Gralserzählungen und zudem in Wales um die einzige erhaltene Übersetzung narrativer Prosa aus dem späten 14. Jh. Sie sind bisher wenig erforscht, obwohl ihre relativ späte Entstehungszeit Einblicke in eine entwickelte Übersetzungstradition ermöglicht. Grundlage aller in dieser Arbeit vorgenommenen statistischen Untersuchungen ist eine Satz-für-Satz-Gegenüberstellung des walisischen Textes auf Basis von Aberystwyth, National Library of Wales, MS Peniarth 11 und seiner französischen Quellen. Vorlagen und Übersetzung stehen sich im Fall von YSG, Queste und Perlesvaus so nahe, dass dies ohne Probleme möglich ist. Für die französischen Vorlagen werden jeweils zwei moderne Ausgaben der altfranzösischen Geschichten verwendet, die sich aufgrund von stichprobenartigen Vergleichen als dem walisischen Text am ähnlichsten herausgestellt haben. Um Einblicke in Vorgehensweise und Kompetenzen des Übersetzers zu erlangen, sowie in die Anforderungen, die sein Zielpublikum an ihn gestellt hat, werden am Beispiel von YSG1 und der Queste die Formen der Bearbeitung untersucht, die zur Anwendung kamen. Über die Untersuchung von Lehnwörtern und Lehnworthybriden werden die Sprachkompetenz und das kulturelle Umfeld von Übersetzer und Zielpublikum beleuchtet. Da die Präsenz eines Erzählers anders als in den französischen Vorlagen in der mittelalterlich-walisischen Erzähltradition eine Ausnahme darstellt, zeigt der Umgang des Übersetzers mit derartigen Passagen, inwieweit solche fremden Elemente mit Akzeptanz durch das Zielpublikum rechnen konnten, oder eine Anpassung an einheimische Gewohnheiten notwendig war. Die Untersuchung von Bekräftigungsausrufen, walisischen Übersetzungen für das französische chevalier, sowie die Verwendung des Adjektivs urdawl offenbaren schließlich individuelle Sprachgewohnheiten und -kompetenzen des Übersetzers. Auf den ersten Blick scheint YSG1 eine fast wörtliche Übersetzung der Queste zu sein. Eine genaue statistische Untersuchung zeigt jedoch, dass tatsächlich nur knapp 40% der französischen Vorlage inhaltlich unverändert übernommen wurden. Über 60% wurden hingegen gestrichen, gekürzt, innerhalb des Textes verschoben oder inhaltlich leicht verändert. Dies ist insofern überraschend und spricht für die Sorgfalt des walisischen Übersetzers, als dennoch ein Text entstand, der auch heutigen Vorstellungen von einer Übersetzung durchaus genügt. Ein statistischer Vergleich von YSG1 und Queste differenziert nach Inhaltskategorien zeigt, dass handlungsintensive Passagen wie Kämpfe nicht, wie in früheren Untersuchungen vermutet, unterdurchschnittlich, religiös-didaktische Textstellen hingegen überdurchschnittlich gekürzt wurden. Eine deutlich überdurchschnittliche Kürzung lässt sich nur bezüglich religiöser Ermahnungen feststellen, bei denen über 70% betroffen sind. Der Übersetzer übernimmt großenteils die in den mittelalterlich-französischen Vorlagen üblichen Formen der Erzählerpräsenz, obwohl diese in seiner eigenen walisischen Erzähltradition eher ungewöhnlich sind. Dies setzt bei seinem Zielpublikum eine gewisse Toleranz gegenüber, aber auch ein Grundwissen von fremder französischer Kultur voraus. Die Analyse der Lehnwörter und der Übersetzungsvarianten des Wortes chevalier zeigt, dass das Vokabular des Übersetzers über einen recht hohen Anteil an Fremdwörtern verfügt, die er oft auch ohne direkte Anregung durch seine Vorlagen verwendet. Dies spricht zum einen für ein Umfeld größerer sprachlicher und kultureller Durchmischung, zum anderen aber auch für ein gewisses Bildungsniveau des Übersetzers, der auch höfische, militärische und administrative Fachbegriffe seiner Vorlage sicher und nuanciert in seine eigene Sprache überträgt. Als Anpassung an sein Zielpublikum fügt er Anspielungen auf Figuren oder Begebenheiten aus anderen walisischen Texten ein. Besonders bei der Analyse der Verteilung von Bekräftigungsausrufen, aber auch in der Bearbeitung der Stellen mit Erzählerpräsenz zeigen sich z.T. deutliche Unterschiede zwischen YSG1 und YSG2. Diese könnten ein Hinweis darauf sein, dass mehrere Übersetzer mit der umfangreichen Aufgabe betraut waren. Die vorliegende Arbeit zeigt für YSG erstmals statistisch nachvollziehbar die enge Verbundenheit von Vorlagen und Bearbeitung und die hohe, weit über den täglichen Gebrauch hinausgehende, sprachliche und kulturelle Kompetenz eines walisischen Übersetzers des späten 14. Jh. sowohl in der Ursprungssprache Französisch als auch in seiner Zielsprache Walisisch.


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