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Titel:Charakterisierung der antiviralen Aktivität von Rocaglamid-Derivaten und Validierung der humanen RNA-Helikase eIF4A als Target
Autor:Obermann, Wiebke
Weitere Beteiligte: Grünweller, Arnold (Prof. Dr.)
Veröffentlicht:2020
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2021/0061
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2021-00619
DOI: https://doi.org/10.17192/z2021.0061
DDC:570 Biowissenschaften, Biologie
Titel (trans.):Characterization of the antiviral activity of rocaglates and validation of the human RNA helicase eIF4A as target
Publikationsdatum:2022-05-30
Lizenz:https://rightsstatements.org/vocab/InC-NC/1.0/

Dokument

Schlagwörter:
antivirales Breitbandmedikament, Silvestrol, Coronavirus, CR-31-B (-), host targeting, Rocaglates, Broad-spectrum antiviral, Ebola Virus, eIF4A, RNA helicase, Coronaviren, Rocaglamide, Hepatitis-E-Virus, Ebolavirus, RNA-Helikase

Zusammenfassung:
Die COVID-19-Pandemie (coronavirus disease 2019) zeigt momentan sehr eindringlich, wie wichtig die Entwicklung neuer antiviraler Medikamente ist. Insbesondere ein Virostatikum mit Breitbandwirkung könnte dazu beitragen, auch neu auftretenden, bisher unbekannten Virusinfektionen entgegenzuwirken. Um einen solchen Ansatz zu verfolgen, bedarf es geeigneter Zielstrukturen, sogenannter Targets, sowie spezifischer Wirkstoffe, die das Target und somit die Virusvermehrung effizient hemmen. Da viele RNA-Viren in der Lage sind, sich durch Mutationen in ihrem Genom innerhalb kürzester Zeit an neue Umweltbedingungen anzupassen, muss bei der Adressierung virus-spezifischer Faktoren mit der Entwicklung von Resistenzen gerechnet werden. Ein geeignetes Zielmolekül könnte daher ein körpereigener Faktor, wie der eukaryontische Initiationsfaktor 4A (eIF4A) sein, der von vielen Viren für die Vermehrung in infizierten Wirtszellen genutzt wird. In der Krebsforschung stellt eIF4A bereits ein vielfach charakterisiertes und adressiertes Zielmolekül dar, hingegen ist die Validierung der Helikase als Target einer antiviralen Therapie noch unvollständig. Ein Fokus dieser Arbeit lag daher auf der Validierung der RNA-Helikase eIF4A als antivirales Zielmolekül. EIF4A entwindet Sekundärstrukturen innerhalb der 5‘-UTR einer mRNA, damit die Proteinbiosynthese initiiert werden kann. Da viele virale mRNAs über hochstrukturierte 5‘-UTRs verfügen, sind Viren bei ihrer Proteinsynthese häufig auf diese Helikase-Aktivität angewiesen. Eine Inhibition von eIF4A würde demnach die Synthese von Virusproteinen hemmen und infolgedessen die Vermehrung von Viren in infizierten Zellen stoppen. In vorherigen Zellkultur-Experimenten konnte bereits gezeigt werden, dass der natürlich vorkommende eIF4A-Inhibitor Silvestrol eine antivirale Aktivität im niedrigen nanomolaren Konzentrationsbereich gegenüber verschiedenen pathogenen RNA-Viren aufweist. Es war daher ein weiterer Fokus dieser Arbeit, neben Silvestrol weitere spezifische eIF4A-Inhibitoren zu identifizieren und deren antivirale Aktivität zu charakterisieren. Hierfür wurde zunächst die Zytotoxizität der potentiellen synthetischen eIF4A-Inhibitoren in einer humanen Krebszelllinie bestimmt und mit einem Reporter-Assay (Dual-Luciferase-Assay, DLA) fortgefahren, um die eIF4A-Spezifität der Verbindungen zu validieren. Zusätzlich wurde die Bindung der Liganden an rekombinant aufgereinigtes humanes eIF4A mithilfe eines in dieser Arbeit etablierten Thermal-Shift-Assays (TSA) charakterisiert. Dabei konnte das synthetische Rocaglamid-Derivat CR-31-B (-) als hochwirksamer eIF4A-Inhibitor mit einer vergleichbaren antiviralen Aktivität wie Silvestrol identifiziert werden. Außerdem zeigte das Rocaglamid-Derivat HGW-3 im DLA eine Wirksamkeit im mittleren nanomolaren Bereich. Um zukünftig anhand der mRNA-Beschaffenheit Vorhersagen über eine mögliche eIF4A-Abhängigkeit der viralen Proteinsynthese machen zu können, wurden mithilfe des DLAs verschiedene RNA-Struktur- und -Sequenzelemente untersucht. Neben viralen 5‘-UTRs wurden auch Variationen viraler Haarnadel-Strukturen oder unstrukturierte RNA-Motive mit bestimmten Sequenzmustern untersucht. Zudem wurde der Naturstoff Silvestrol mit dem synthetischen CR-31-B (-) im DLA verglichen. Es konnte gezeigt werden, dass für CR-31-B (-) hinsichtlich der eingesetzten RNA-Substrate eine Purin-Abhängigkeit zu bestehen scheint, während mit Silvestrol auch RNA-Substrate mit stabilen Haarnadel-strukturen ohne Polypurin-Sequenzen eine eIF4A-Abhängigkeit vermittelten. Dies lässt auf Unterschiede im molekularen Interaktionsmechanismus schließen. Zur Aufklärung des Wirkmechanismus von Rocaglamid-Derivaten wurde daher mithilfe der Wasserstoff-Deuterium-Austausch-Massenspektrometrie (HDX-MS) die Interaktions-fläche von eIF4A mit der Substrat-RNA und Silvestrol bzw. CR-31-B (-) auf Proteinebene analysiert. Hier konnte die bereits für RocA postulierte Interaktionsfläche mit eIF4A und der Polypurin-RNA bestätigt, jedoch keine Unterschiede zwischen Silvestrol und CR-31-B (-) festgestellt werden. Mit einem Microscale-Thermophoresis-Assay (MST) konnte eine Dissoziationskonstante für die Bindungen beider Liganden bestimmt werden. Zuletzt konnten, ausgehend von einer publizierten Kristallstruktur von eIF4A (PDB: 5ZC9), Docking-Experimente durchgeführt und so Vorhersagen über den Bindungsmodus und die Bindungsaffinität potentieller Inhibitoren an eIF4A gemacht werden. Dabei konnte eine mögliche Bindetasche bestehend aus Arginin-Resten identifiziert werden, über die eine zusätzliche Interaktion mit Silvestrol ausgebildet werden könnte. Diese könnte Unterschiede in der Wirkweise zwischen Silvestrol und CR-31-B (-) erklären. Weiterhin ermöglichte die virtuelle Mutation von eIF4A die Vorhersage von vermutlich Rocaglamid-sensitiven und -resistenten eIF4A-Varianten, die in verschiedenen human-pathogenen Organismen zu finden sind.


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