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Titel:10-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit kolorektalem Karzinom in Abhängigkeit vom PIK3CA- und KRAS- Mutations- und Acetylsalicylsäureeinnahmestatus
Autor:Gebauer, Leonie
Weitere Beteiligte: Neubauer, Andreas (Prof. Dr. med.)
Veröffentlicht:2020
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2020/0394
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2020-03945
DOI: https://doi.org/10.17192/z2020.0394
DDC:610 Medizin
Publikationsdatum:2020-11-10
Lizenz:https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0

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Zusammenfassung:
Je mehr über die molekularen Eigenschaften, die zu Entstehung, Wachstum und Metastasierung des kolorektalen Karzinoms führen, bekannt wird, desto größer wird der Wunsch nach einer individualisierten Therapie für den einzelnen Patienten. Dafür werden molekulare Biomarker benötigt, die anzeigen, ob ein Patient aufgrund seiner Tumoreigenschaften von einer bestimmten Therapie profitieren könnte. In verschiedenen retrospektiven Analysen und Metaanalysen konnte ein Überlebensvorteil durch eine „adjuvante“ Einnahme von Acetylsalicylsäure bei Patienten mit kolorektalem Karzinom gezeigt werden. Als molekularer Biomarker für das Ansprechen der Therapie mit Acetylsalicylsäure wurde der PIK3CA- Mutationsstatus in Erwägung gezogen. Ziel dieser Arbeit war es, zu überprüfen, ob der PIK3CA-Mutationsstatus und der KRAS-Mutationsstatus bei Patienten mit kolorektalem Karzinom geeignete molekulare Biomarker für die „adjuvante“ Therapie mit Acetylsalicylsäure, sowie geeignete prognostische Marker für das Gesamtüberleben, darstellen. In diese retrospektive Analyse wurden 153 Patienten mit Erstdiagnose eines kolorektalen Karzinoms im Jahr 2003/2004 im Universitätsklinikum Marburg eingeschlossen. Die in Paraffin eingebetteten Tumorproben wurden entparaffiniert und es erfolgte die Extraktion der DNA. Der PIK3CA-Mutationsstatus der Tumorzellen wurde mittels Pyrosequenzierung bestimmt und der KRAS-Mutationsstatus mithilfe der Multiplex-Sequenzierung. Der Acetylsalicylsäure-Einnahmestatus sowie das 10-Jahres- Überleben wurden mit Hilfe von Patientenakten und Melderegistern ermittelt. In dieser Arbeit lag eine Mutation im PIK3CA-Gen bei 16% und eine KRAS-Mutation bei 57% der Patienten vor. Die Einnahme von Acetylsalicylsäure erfolgte bei 34% der Patienten und das 10-Jahres-Gesamtüberleben betrug 44%. Es konnte gezeigt werden, dass Patienten mit PIK3CA-Wildtyp einen signifikanten Überlebensvorteil gegenüber Patienten mit PIK3CA-Mutation aufwiesen (Log-rank-Test: HR=0,59; 95% KI=0,29-0,96; p=0,04). Patienten mit regelmäßiger Einnahme von Acetylsalicylsäure zeigten im Gesamtkollektiv keine signifikant verbesserte absolute 10-Jahres-Überlebensrate im Vergleich zu Patienten ohne regelmäßige Einnahme von Acetylsalicylsäure (Log-rank- Test: HR=0,77; 95% KI=0,5-1,22; p=0,29). Unter allen Patienten mit regelmäßiger Acetylsalicylsäure-Einnahme konnte für die Patienten mit PIK3CA-Wildtyp ein signifikanter Überlebensvorteil gegenüber Patienten mit PIK3CA-Mutation aufzeigt werden (Log-rank-Test: HR=0,33; 95% KI=0,05-0,62; p<0,01). Dieser Überlebensvorteil zeigte sich unter den Patienten ohne Acetylsalicylsäure-Einnahme nicht (Log-rank- Test: HR=0,78; 95% KI=0,38-1,51; p=0,43). Bei kombinierter Betrachtung des PIK3CA- und KRAS-Mutationsstatus zeigte sich unter den Patienten mit regelmäßiger Acetylsalicylsäure-Einnahme für Patienten mit PIK3CA-Wildtyp und KRAS-Mutation ein signifikanter Überlebensvorteil gegenüber Patienten mit anderen Kombinationen des Mutationsstatus (Log-rank-Test: HR=0,38; 95% KI=0,17-0,87; p=0,02). Dieser Überlebensvorteil zeigte sich unter den Patienten ohne Acetylsalicylsäure-Einnahme nicht (Log-rank-Test: HR=0,95; 95% KI=0,58-1,57; p=0,84). Für Patienten mit KRAS- Mutation, PIK3CA-Wildtyp und Acetylsalicylsäure-Einnahme zeigte sich ein Trend für einen Überlebensvorteil gegenüber Patienten mit KRAS-Mutation, PIK3CA-Wildtyp ohne Acetylsalicylsäure-Einnahme (Log-rank-Test: HR=0,57; 95% KI=0,30-1,08; p=0,09). Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen zusammenfassend vermuten, dass vor allem Patienten mit der Kombination von PIK3CA-Wildtyp und KRAS-Mutuation von einer Acetylsalicylsäure-Einnahme nach Diagnosestellung des kolorektalen Karzinoms profitieren. Die Studienlage ist diesbezüglich sehr heterogen. In Studien von Liao et al. und Domingo et al. zeigte sich ein signifikant verbessertes Outcome für Patienten mit Mutation im PIK3CA-Gen gegenüber Patienten mit PIK3CA-Wildtyp bei Einnahme von Acetylsalicylsäure. In einer Studie von Reimers et al. zeigten Patienten mit regelmäßiger Acetylsalicylsäure-Einnahme und PIK3CA-Wildtyp ein signifikant längeres Gesamtüberleben gegenüber Patienten mit PIK3CA-Wildtyp ohne regelmäßige Einnahme. Aktuelle Studien von Murphy et al. und Kothari et al. konnten keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem PIK3CA-Mutationsstatus und einer Verlängerung des Gesamtüberlebens bei Einnahme von Acetylsalicylsäure feststellen. Die Ergebnisse dieser Arbeit unterstreichen zusammenfassend, dass für die Rollen des PIK3CA- und KRAS-Mutationsstatus als mögliche prädiktive Marker für eine „adjuvante“ Therapie mit Acetylsalicylsäure bei Patienten mit kolorektalem Karzinom prospektive Studien erforderlich sind. Aufgrund der aktuellen Studienlage und des nicht zu unterschätzenden Nebenwirkungsprofils von Acetylsalicylsäure sollte bei Patienten mit kolorektalem Karzinom eine „adjuvante“ Therapie mit Acetylsalicylsäure derzeit nur im Rahmen von Studien erfolgen.


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