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Titel:Verbesserung der Reproduzierbarkeit der Kariesdiagnostik mittels Widerstandsmessung und elektronischer Abschirmtechnik
Autor:Willamowski, Matthias
Weitere Beteiligte: Gente, Michael (Prof. Dr.)
Veröffentlicht:2020
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2020/0024
DOI: https://doi.org/10.17192/z2020.0024
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2020-00245
DDC: Medizin
Titel (trans.):Improvement of the reproducibility of caries diagnostics by means of resistance measurement and electronic shielding technology
Publikationsdatum:2020-02-04
Lizenz:https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0

Dokument

Schlagwörter:
Abschirm-Treiber-Technik, quantitative caries diagnosis, Widerstandsmessung, hidden caries, reproducibility, Electrical resistance measurement, Dentin, fluoride syndrome, Zahnschmelz, Kariesdiagnostik, Reproduzierbarkeit, Pulpa

Zusammenfassung:
Problemstellung und Zielsetzung: Zeitgleich mit der sinkenden Kariesprävalenz hat sich das klinische Erscheinungsbild der okklusalen Karies verändert, was höhere Anforderungen an die Diagnostik mit sich bringt. Das Auftreten der sogenannten „Hidden Caries“ (auch okkulte Karies, Fluorid-Syndrom oder versteckte Karies genannt), welche auf die topische und systemische Applikation von Fluoriden zurückgeführt wird zeigt ein visuelles klinisches Bild, bei dem der Zahnschmelz gesund erscheint, das Dentin aber kariös unterminiert ist. Bisherige Verfahren der elektrischen Widerstandsmessung am menschlichen Zahn unterlagen insbesondere der Notwendigkeit einer definierten Trocknung, um einerseits Nebenschlüsse bei zu feuchten Zähnen und andererseits Fehlkontakte bei zu trockenen Zähnen zu vermeiden. Insbesondere die mangelnde Reproduzierbarkeit der Messwerte und viele falsch-positive Testergebnisse verhinderten eine Etablierung der bisherigen Methoden. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Entwicklung einer neuen Technik, die unabhängig vom Feuchtigkeitsniveau der Mundhöhle hoch reproduzierbare Ergebnisse mit einer klinisch verwendbaren Sensitivität und Spezifität liefert. Material und Methode: Eine Auswahl von 75 nicht kavitierten unbeschädigten extrahierten Molaren und Prämolaren wurden in künstlichem Speichel gelagert, der auf die elektrische Leitfähigkeit von natürlichem Speichel eingestellt wurde. Pro Zahn wurden entlang der zentralen Fissur und/oder Grübchen drei Messpunkte ausgewählt, die über ein Koordinatenraster an digitalen Fotografien reproduzierbar wieder auffindbar waren. Die digitalen Fotos dienten dabei auch zur visuellen Befundung nach dem ICDAS II-Verfahren. Alle Zähne wurden für die Messungen in individuell aus Kunststoff gegossenen Halterungen in Dappenbehältern positioniert und tauchten mit ihren Wurzeln in dem künstlichen Speichel ein. Die elektrischen Widerstandsmessungen fanden nach drei Methoden durch zwei Untersucher in fünf Messreihen statt, die jeweils im Abstand von mehreren Wochen durchgeführt wurden: - Widerstandsmessung mit einem Wechselstrom-Ohmmeter - Widerstandsmessung unter Verwendung eines Isoliergels aus Agar-Agar - Widerstandsmessung unter Verwendung eines Isoliergels aus Agar-Agar und Einsatz der neuen Messtechnik und einer dafür entwickelten Messeinheit bestehend aus einer Messelektrode und einer sie zirkulär umgebenden Kompensationselektrode zur Vermeidung von Nebenschlüssen durch den Feuchtigkeitsfilm auf dem Zahn Die Ergebnisse wurden durch DVT-Untersuchungen und histologische Aufarbeitung validiert. Zur statistischen Auswertung der Reproduzierbarkeit wurde der Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman (rs) bestimmt und Streudiagramme (Scatter plots) sowie Bland-Altman-Plots erstellt. Als Parameter der diagnostischen Güte wurden Werte für Sensitivität, Spezifität, Likelihood-Quotienten, ROC-Kurven mit den entsprechenden AUC-Werten, sowie positive und negative Vorhersagewerte und Accuracy bestimmt. Zum Vergleich der diagnostischen Verfahren ICDAS II, elektrische Widerstandsmessungen, digitale Volumentomografie und Histologie wurden Kreuztabellen erstellt. Verwendet wurden die Programme SPSS 24 und Microsoft Excel 2016. Ergebnisse: Für die Reproduzierbarkeit der neuen Messtechnik ergab sich eine fast perfekte Korrelation nach Spearman (Intra-Untersucherreproduzierbarkeit: rs = 0,913 ¬– 0,944; Inter-Untersucherreproduzierbarkeit: rs = 0,939) und entsprechender visueller Darstellung der sehr guten Reproduzierbarkeit in den Scatter- und Bland-Altman-Plots. Für das D1-Niveau (Schmelz- und Dentinkaries) konnte ein mittlerer Sensitivitätswert von 0,71 und ein mittlerer Spezifitätswert von 0,98 ermittelt werden. Die entsprechenden Likelihood-Quotienten zeigten Werte von LR(+) = 42,87 (ausgezeichnete diagnostische Evidenz) und LR(-) = 0,30 (schwache/mäßige diagnostische Evidenz). Die prädiktiven Vorhersagewerte für das D1-Niveau ergaben aussagekräftige Werte von PPV = 0,965 und NPV = 0,790; der Accuracywert betrug 87,35. Als Ergebnis der ROC-Analyse ergaben sich AUC-Werte (Area Under the ROC-Curve) von 0,828 – 0,863 (gute diagnostische Gesamtgenauigkeit). Die Kariesprävalenz betrug hier 47,0 %. Auf D3-Niveau (Dentinkaries) ergaben sich mittlere Sensitivitäts- und Spezifitätswerte von 0,84, bzw. 0,97. Die entsprechenden Likelihood-Quotienten für das D3-Niveau zeigten Werte von LR(+) = 33,60 und LR(-) = 0,16 (jeweils ausgezeichntete diagnostische Evidenz). Das Ergebnis des positiven prädiktiven Wertes (PPV) ergab hier einen Wert von 0,949, der negative prädiktive Wert (NPV) betrug 0,871. Die Accuracy auf D3-Niveau ergab einen Wert von 92,95. Die AUC-Werte waren hier 0,907 – 0,923 (ausgezeichnete diagnostische Gesamtgenauigkeit). Die Kariesprävalenz betrug hier 37,4 %. Diskussion und Schlussfolgerung: Im Rahmen der Limitationen einer In-vitro-Studie konnte gezeigt werden, dass es möglich ist, ein elektronisches Widerstandsmessverfahren für (versteckte) okklusale Läsionen zu entwickeln, dass durch die Eliminierung des Störfaktors „Speichel“ als leitendem Elektrolyten ohne definierte Trockung des zu untersuchenden Zahns diagnostische Ergebnisse auf einem klinisch verwendbaren Niveau liefert, die hoch reproduzierbar sind. Eine Verwendung der neuen Technik für approximale Läsionen erscheint nach ersten Vorversuchen möglich. Weitere standardisierte Studien an Zähnen der ersten und zweiten Dentition in vitro und in vivo, die die hier erhobenen Daten stützen, wären wünschenswert.


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