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Titel:Evaluation eines psychosozialen Trainings für Parkinson-Betroffene: Eine randomisierte kontrollierte Studie zur Untersuchung der Effekte auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität und die Krankheitsverarbeitung sowie weitere Parameter
Autor:Bergmann, Mareike Felicitas
Weitere Verfasser:Chlond, Magdalena Anette
Weitere Beteiligte: Schnoor, Heike (Prof. Dr.)
Veröffentlicht:2016
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2016/0807
DOI: https://doi.org/10.17192/z2016.0807
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2016-08073
DDC: Medizin
Titel (trans.):Evaluation of a psychosocial training for parkinson´s disease: A randomised controlled trial to evaluate the effectiveness on quality of life, coping behavior and additional outcomes
Publikationsdatum:2016-11-03
Lizenz:https://rightsstatements.org/vocab/InC-NC/1.0/

Dokument

Schlagwörter:
Lebensqualität, Parkinson´s disease, quality of life, Parkinson-Krankheit, patient education, Patientenschulung

Zusammenfassung:
Das Parkinson-Syndrom ist eine der häufigsten chronischen neurologischen Erkrankungen im fortgeschrittenen Alter (Muangpaisan et al., 2011). Bekannt ist die Erkrankung vor allem durch ihre Kardinalsymptome Rigor, Tremor und Akinese. Tatsächlich ist sie durch eine Interaktion zwischen körperlichen, kognitiven und psychischen Symptomen gekennzeichnet, die zu einer erheblichen psychosozialen Belastung und zu einer Verringerung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität führen kann (Schrag, 2006; Cubo et al., 2002). Die Erkrankten leiden häufig an Schwierigkeiten wie Störungen des Selbstkonzepts, des Körperbilds und des emotionalen Gleichgewichts. Viele Betroffene erleben Beeinträchtigungen von Beziehungen, Partnerschaft und beruflicher sowie finanzieller Situation (Schrag, 2004; Ellgring et al., 1993). Oft entwickeln sich emotionale Beschwerden wie Depressivität (Aarsland et al., 2011; Althaus et al., 2008), Ängstlichkeit (Richard, 2005; Marsh, 2000) und soziale Unsicherheit (Macht, Schwarz & Ellgring, 2005; Spliethoff-Kamminga et al., 2003). Darüber hinaus kann es zu einer Verminderung des sog. Kohärenzgefühls kommen (Pusswald, 2009). Durch ihre Progredienz verändert sich die Erkrankung im Verlauf, was sich auf den Inhalt und das Ausmaß der psychosozialen Belastung auswirkt. Die Betroffenen stehen damit vor der Aufgabe, sich an eine stetig ändernde Lebenssituation anzupassen (Leplow et al., 1994) und ihre Bewältigungsfertigkeiten entsprechend zu adaptieren (o. V., Psychosocial Counseling in Parkinson’s Disease, 2002). Nur etwa der Hälfte der Betroffenen gelingt nach eigenen Angaben die ausreichende Bewältigung der Erkrankung (Macht, Schwarz & Ellgring, 2005), mindestens ein Drittel kann sich psychologische Unterstützung vorstellen (ebd., Macht, Schwarz, Ellgring, 1997). Hieraus ergibt sich ein Versorgungsbedarf, der über die medizinisch-pharmakologische Behandlung hinausgeht. Mit dem im Gesundheitssystem gängigen biopsychosozialen Modell der Entstehung und Aufrechterhaltung von Erkrankungen haben heutzutage auch präventive, gesundheitserhaltende Ansätze einen Stellenwert in der Behandlung Kranker (Schleider & Huse, 2011), die an den beschriebenen Belastungen und Folgeerscheinungen ansetzen. Zu diesen Ansätzen zählen die psychosozialen Patientenschulungen, die zwischen einer unspezifischen psychosozialen Unterstützung (z. B. im Rahmen von sozialpädagogischen Hilfen und Selbsthilfegruppen) und einer Psychotherapie zu verorten sind (Schüßler, 1998). Sie dienen dazu, den Patienten in Kleingruppen mithilfe von Informationen, Materialien und Übungen Wissen und Fertigkeiten zu vermitteln. Patientenschulungen verfolgen das Ziel, krankheitsbedingten Stress abzubauen und somit die gesundheitsbezogene Lebensqualität zu verbessern und die positive Krankheitsbewältigung sowie die Selbstwirksamkeit der Betroffenen zu fördern. Die Wirksamkeit von Patientenschulungen bei chronischen Erkrankungen ist mittlerweile umfassend belegt (Vedsted, Jørgensen & Rytter, 2010; Warsi et al., 2004; Weingarten et al., 2002; Cooper et al., 2001). Die aktuellen Leitlinien für die Behandlung von verschiedenen chronischen Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, muskuloskelettale Erkrankungen, Mammakarzinom und Asthma bronchiale) sehen Patientenschulungen als festen Bestandteil der Behandlung vor. Die Idee, chronisch Kranke bei der Bewältigung ihrer Erkrankung zu unterstützen, ist nicht neu: Bereits 1955 stellte Chafetz fest, dass Bemühungen, die Reaktionen der Patienten auf eine chronische Erkrankung zu verbessern, wünschenswert seien. Mittlerweile gilt die Behandlung der psychosozialen Belastungen als ebenso wichtig wie die medizinische Versorgung (Calne, Lidstone & Kumar, 2008) und wird von zahlreichen Autoren als Element einer multimodalen Behandlung des Parkinson-Syndroms vorgeschlagen (z. B. von Visser et al., 2009; Groves & Forrest, 2005; MacCarthy & Brown, 1988). Auch aus den gesetzlichen Grundlagen des Rehabilitationswesens lässt sich die Notwendigkeit einer psychosozialen Versorgung chronisch Erkrankter ableiten: Nach § 2 SGB IX kann bei vielen Parkinson-Betroffenen von einer Behinderung ausgegangen werden, woraus verschiedene gesetzlich verankerte Ansprüche entstehen. Unter anderem besteht ein Recht auf medizinische, pädagogische oder psychologische Leistungen zur Teilhabe (§ 4), die den Zweck haben, die Einschränkungen durch die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen oder zu mildern, die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe an der Gesellschaft sicherzustellen. Patientenschulungen stellen eine Möglichkeit dar, diesem Versorgungsanspruch gerecht zu werden. Sie sind jedoch bis heute kein fester Bestandteil in der Behandlung der Parkinson-Erkrankung (z. B. in Worth, 2013). Auch die aktuelle Leitlinie Parkinson-Syndrome (Eggert et al., 2012) sieht bisher nur eine Behandlung motorischer und nicht-motorischer Beschwerden vor, die medikamentöse, operative und adjuvante Therapien wie Krankengymnastik und Logopädie einschließt. Lediglich beim Vorliegen einer begleitenden Depression sind nichtpharmakologische Ansätze wie Psychoedukation und Psychotherapie vorgesehen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Bedeutung einer umfassenden psychosozialen Versorgung von Parkinson-Betroffenen als bisher nicht ausreichend belegt gilt. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, den Nachweis über die Effektivität von psychosozialen Patientenschulungen bei der Parkinson-Erkrankung zu erbringen und so zu einer Implementierung in den Standardbehandlungsplan beizutragen.


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