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Titel:Vergleich von Schlaf EEG und kognitiver Leistungsfähigkeit bei Patienten mit idiopathischem Parkinsonsyndrom, Multisystematrophie und REM-Schlaf Verhaltensstörung
Autor:Schneider, Timo
Weitere Beteiligte: Hemmeter, U. (Prof. Dr.)
Veröffentlicht:2015
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2016/0457
DOI: https://doi.org/10.17192/z2016.0457
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2016-04579
DDC: Medizin
Titel (trans.):Comparison of sleep EEG and cognitive performance in patients with Parkinon´s disease, Multisystematrophy and REM sleep behavior disorder.
Publikationsdatum:2016-07-19
Lizenz:https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0

Dokument

Schlagwörter:
REM Sleep behavior disorder, sleep, Parasomnie, Kognition, REM Schlafverhaltensstörung, Multisystematrophie, Parkinson, Cyril Northcote, Mulitsystematrophy, Cognition, Schlaf, Parkinson´s disease

Zusammenfassung:
Die Krankheiten idiopathisches Parkinsonsyndrom (IPS), Multisystematrophie (MSA) und die REM-Schlaf Verhaltensstörung (RBD) werden neben ihrer pathognomonischen Symptomatik von Schlaf- und Gedächtnisstörungen begleitet. Die RBD ist dabei einerseits als isolierte Erkrankung mit vorwiegender Symptomatik im Bereich des Schlafverhaltens zu sehen. Darüber hinaus wird sie einerseits als Vorstufe eines sich später entwickelnden IPS oder einer MSA angesehen, andererseits kann sie auch einen Teil der Symptomatik der beiden Erkrankungen ausmachen (s. Kap. II.3.2.2 und II.3.3.2). Polysomnographische Daten zeigen bei allen Patientengruppen eine Störung der Schlafkontinuität (IPS und MSA > RBD), wie auch das Auftreten von periodischen Beinbewegungen im Schlaf (PLMS). Dazu wird für MSA-Patienten eine Reduktion des REM-Schlafs beschrieben. Aufgrund der wenigen vorliegenden Studien sind die Befunde zu Schlafarchitekturstörungen bei den Erkrankungen IPS und RBD nicht eindeutig. Kognitive Störungen in Form von exekutiven Störungen werden v.a. für MSA und IPS berichtet, weniger aber für RBD. Bei Patienten mit IPS werden zudem Einschränkungen des Arbeitsgedächtnisses und des deklarativen Gedächtnisses beschrieben, bei MSA-Patienten Störungen des Arbeitsgedächtnisses und der Aufmerksamkeitsfunktionen, nicht aber des deklarativen Gedächtnisses und der Visuokonstruktion. Für diese beiden Bereiche (Visuokonstruktion und deklaratives Gedächtnis) liegen jedoch Befunde vor, die eine Störung bei RBD-Patienten beschreiben, jedoch geringere Störungen des Arbeitsgedächtnisses und der Aufmerksamkeitsfunktionen. Diese Befunde liefern Hinweise darauf, dass sich die drei Krankheitsgruppen anhand einiger Charakteristika des Schlafs und der Kognition unterscheiden. Eine Problematik der bisher vorliegenden Befunde ist, dass die Untersuchungen meist an relativ kleinen Patientengruppen mit bereits längerer (in den Studien unterschiedlicher) Erkrankungsdauer vorgenommen wurden und entweder eine Patientengruppe mit gesunden Kontrollpersonen oder mit einer anderen, nicht aber gleichzeitig alle drei Patientengruppen in einem Studiendesign verglichen wurden. In der vorliegenden Arbeit wurde nun versucht, den Schlaf mittels Polysomnographie wie auch das kognitive Leistungsprofil mit einer umfassenden und strikt kontrollierten neuropsychologischen Abklärung bei diesen drei Patientengruppen im Rahmen einer Studie zu vergleichen. Im Gegensatz zu den meisten bisherigen Studien wurde versucht, Patienten der drei Krankheitsgruppen, IPS, MSA und RBD in einem sehr frühen Krankheitsverlauf, d.h. bereits kurz nach der Diagnosestellung zu erfassen. Zudem wurde in der vorliegenden Arbeit der Frage nachgegangen, ob zwischen den Parametern des Schlaf-EEGs und der detailliert erhobenen kognitiven Leistungsfähigkeit bei diesen Patientengruppen – analog zu den Ergebnissen gesunder Probanden und depressiver Patienten – ein Zusammenhang besteht. Im Rahmen des Gruppenvergleichs ergab die - entsprechend der ersten Fragestellung (Unterschiede in der kognitiven Leistungsfähigkeit) der Studie - durchgeführte Analyse (ANOVA, Kruskal-Wallis Test), dass sich die Patientengruppen in einzelnen Parametern der kognitiven Leistungsfähigkeit unterscheiden, wobei sich v.a. ein Unterschied zwischen Patienten mit MSA sowie Patienten mit IPS und RBD zeigt. Die Unterschiede betreffen v.a. die deklarative Gedächtnisleistung und die exekutiven Funktionen. Diskrete Unterschiede finden sich auch zwischen Patienten mit IPS und RBD (v.a. „Zahlenfolge rückwärts“ sowie „tonische und phasische Aufmerksamkeit“). Diese Befunde deuten darauf hin, dass im Bereich der kognitiven Leistungsfähigkeit bereits in einem sehr frühen Krankheitsstadium Unterschiede zwischen den Krankheitsgruppen sichtbar werden. Weitere Unterschiede zwischen IPS und RBD, die in anderen Studien mit z.T. deutlich längeren Erkrankungsdauern berichtet wurden, konnten bei den hier erhobenen Daten nicht beobachtet werden. Dies deutet daraufhin, dass sich Unterschiede in kognitiven Variablen zwischen IPS und RBD vermutlich erst mit zunehmender Erkrankungsdauer ergeben und damit eine Verlaufssensitivität zeigen könnten. Auch für die zweite Fragestellung bezüglich der Parameter der Polysomnographie konnten Unterschiede erhoben werden, die auch hier v.a. Unterschiede zwischen Patienten mit MSA auf der einen und Patienten mit IPS und RBD auf der anderen Seite zeigen. Dies betrifft insbesondere die Variablen der Schlafkontinuität, den REM-Schlaf sowie einzelne Parameter der schlafbezogenen Atemstörungen. Letztlich konnten auch Zusammenhänge zwischen einzelnen Variablen der Polysomnographie und Parametern der kognitiven Leistungsfähigkeit gefunden werden, die v.a. einen relativ homogenen Zusammenhang zwischen Schlafkontinuität und sprachlichen wie auch exekutiven Funktionen aufweisen. Zudem zeigten sich auch Korrelationen zwischen Parametern des NREM-, aber auch des REM-Schlafs und einzelnen Parametern der kognitiven Leistungsmessung. So ergaben sich positive Korrelation zwischen der Leistung in den exekutiven Funktionen und dem NREM1-Schlaf sowie der REM-Latenz mit der tonischen Aufmerksamkeit. Der in der Literatur gesehene Zusammenhang zwischen der deklarativen Gedächtnisleistung und dem NREM-Schlaf konnte in unserer Studie – wahrscheinlich aufgrund der niedrigen Fallzahlen – nicht dargestellt werden. Unter Berücksichtigung der Limitationen dieser Arbeit, wie z.B. die geringe Gruppengröße und der Tatsache, dass es sich um eine Querschnitts- und keine Längsschnittuntersuchung handelt, liefert die vorliegende Arbeit neue Erkenntnisse über das Auftreten von Störungen der kognitiven Leistungsfähigkeit und des Schlafs bei diesen Patientengruppen. Dabei zeigen einzelne Parameter auch Zusammenhänge zwischen den beiden Bereichen, wodurch sich die Möglichkeit ergeben könnte, durch die Regulierung der Schlafstörung die kognitive Leistungsfähigkeit wie auch das damit zusammenhängende Gesamtbefinden zu stabilisieren, ggf. sogar zu verbessern. Inwieweit die in dieser Arbeit bereits zu einem frühen Zeitpunkt der jeweiligen Erkrankung gefundenen Unterschiede zwischen den Patientengruppen prädiktiv für den Verlauf der drei Erkrankungen, insbesondere das Auftreten einer demenziellen Symptomatik, ggf. einer Lewy Körper-Demenz sind, muss im Rahmen von Langzeitstudien untersucht werden.


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