Publikationsserver der Universitätsbibliothek Marburg

Titel:Untersuchung des Patientenbenefits bei Entlassung von Arzneimitteln aus der Verschreibungspflicht am Beispiel von Triptanen
Autor:Lippert, Andreas
Weitere Beteiligte: Morck, Hartmut (Prof. Dr.)
Veröffentlicht:2016
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2016/0092
DOI: https://doi.org/10.17192/z2016.0092
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2016-00927
DDC:500 Naturwissenschaften
Titel (trans.):Investigation of the patient benefits while releasing medicinal products from the prescription requirement using the example of triptans
Publikationsdatum:2016-03-16
Lizenz:https://rightsstatements.org/vocab/InC-NC/1.0/

Dokument

Schlagwörter:
migraine, OTC, triptan, Triptan, self-medication, Migräne, Selbstmedikation

Zusammenfassung:
Der Leidensdruck eines Patienten, der an dem Krankheitsbild Migräne leidet, ist hoch. Fast eine Million Menschen in Deutschland leiden täglich an einem Migräneanfall. Dies entspricht rund 38 % aller Personen mit Kopfschmerzen. Davon können 100.000 Personen ihrer täglichen Arbeit nicht mehr nachgehen. Wirtschaftlich betrachtet entstehen in Europa jährlich Kosten von rund 43 Milliarden Euro (Göbel, 2014). Die Migräne ist gekennzeichnet durch anfallartige Kopfschmerzen, die wiederholt, meist hemikranisch und schon in den frühen Morgenstunden auftreten. Die Dauer eines Migräneanfalls beträgt Stunden oder mehrere Tagen. Zusätzlich können Symptome wie Photo- oder Phonophobie, neurologische Ausfälle, Übelkeit oder Erbrechen auftreten (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch online). Es wird im Wesentlichen zwischen einer Migräne mit und ohne Aura unterschieden (Pietrobon & Moskowitz, 2013), deren Auftreten episodisch bis hin zu chronisch sein kann (Yamane, 2014). Seit der Einführung des Wirkstoffes Sumatriptan 1993 stellen die Triptane eine selektive Therapie dar. Mittlerweile umfasst ihre Gruppe insgesamt sieben Arzneistoffe, die sich pharmakokinetisch unterscheiden und als First-Line-Medikation bei akuten Migräneattacken eingesetzt werden. Mit Naratriptan wurde 2006 das erste Triptan aus der Verschreibungspflicht entlassen (Tfelt-Hansen & Steiner, 2007). Mit Almotriptan folgte 2011 ein weiteres (Pues, 2011). Damit steht mittlerweile den Patienten, die den Besuch beim Arzt meiden oder ihn nicht aufsuchen können, eine adäquate Therapieoption zur Verfügung. Nach wie vor bleibt eine vorausgehende Diagnose des Arztes essentiell für die Selbstmedikation mit Triptanten. Daten im Zeitraum von 2005 bis 2014, dass der Gesamtmarkt an Triptanen rückläufig ist (Abnahme des Umsatzes um 32 %) und 2014 bei ca. 56 Mio. Euro lag. Der OTC-Markt dagegen pendelt sich konstant bei ca. zehn Mio. Euro ein. Bei der Anzahl der Packungseinheiten herrscht eine Parität zwischen dem Rx- und dem OTC-Bereich (ca. 2,5 Mio. PE). Somit spielt das OTC-Segment sowohl aus ökonomischer als auch aus patientenindividueller Sicht eine wichtige Rolle. Triptane sind in der klinischen Praxis sehr gut untersucht. Von ähnlich großer Bedeutung sind der Selbstmedikationsbereich bzw. OTC-Patienten in Apotheken, die bisher nicht oder nur unzureichend untersucht wurden. Ziel dieser Arbeit war es, diese Lücke zu schließen. Dazu wurde eine prospektive Studie zur Charakterisierung von OTC-Triptanpatienten durchgeführt, an der sich im Zeitraum von September 2013 bis März 2015 insgesamt 84 Apotheken beteiligten. Die Apothekenrekrutierung stellte sich als schwierig heraus: Sie wurde hauptsächlich persönlich vor Ort in ganz Deutschland durchgeführt. Bei Kauf eines OTC-Triptans wurden Patienten auf diese Studie angesprochen und ihnen wurde ein Fragebogen mit frankiertem Rückumschlag ausgehändigt. 105 Fragebögen (10,6 %) wurden zurückgeschickt, von denen 84 auswertbar waren. Der Fragebogen bestand aus drei Themenblöcken und beruhte auf der Methodik des Treatment Satisfaction Questionnaire for Medication (Atkinson et al., 2005). Bezogen auf die Gesamtanzahl an Patienten (n=84) beträgt der Anteil an Frauen 87 % (n=73) und der Männeranteil 13 % (n=11). Somit nutzten 6,6-mal mehr Frauen als Männer den Selbstmedikationsbereich. Bei der Inzidenz der Migräne im Allgemeinen liegt der Frauenanteil dreimal höher als bei den Männern. Das Häufigkeitsmaximum bei Migräne liegt im dritten Lebensjahrzehnt (Egle et al., 2003). Im Selbstmedikationsbereich liegt es eine Dekade später, nämlich im vierten Lebensjahrzehnt. 85 % der Patienten sind Nichtraucher (n=71), 68 % nehmen regelmäßig Medikamente ein (n=57) und bei 76 % wurde die Diagnose Migräne von einem Arzt festgestellt (n=64). Die Untersuchung zeigte eine höhere Zufriedenheit (90 % vs. 75 %; n=76 vs. n=63) und Compliance (57 % vs. 40 %; n=48 vs. n=34) im Selbstmedikationsbereich als im ver-schreibungspflichtigen Bereich der Triptane. Die Lebensqualität bei einem Rx-OTC-Switch blieb gleich oder verbesserte sich bei 82 % (n=69) der Teilnehmer. Im OTC-Bereich haben 75 % der Patienten (n=63) Erfahrungen mit Naratriptan gesammelt. Die Studie charakterisiert den OTC-Triptanpatienten detaillierter und zeigt eine gute Be-treuung sowie Vertrauen in das pharmazeutische Personal einer Apotheke. Zur Verbesserung der Beratung sollte stets darauf geachtet werden, ob die Diagnose Migräne von einem Arzt gestellt wurde und mögliche Kontraindikationen oder Anwendungseinschränkungen vorliegen. Zur Sicherheit des Patienten ist im Zweifel – unabhängig von einer nicht mehr vorliegenden Verschreibungspflicht – ein Arztbesuch anzuraten. Daneben besitzen die OTC-Triptane ein geringes Nebenwirkungspotential basierend auf den Verdachtsfällen. Letztendlich profitiert der Patient von der Selbstmedikation.

Bibliographie / References

  1. Rapoport, A. M., & Tepper, S. J. (September 2005). Triptans are all different. Arch Neurol., 58(9), S. 1479-1480.
  2. Brusa, P., Allais, G., Bussone, G., Rolando, S., Giaccone, M., Aguggia, M., & Benedetto, C. (Mai 2014). Migraine attacks in the pharmacy: a survey in Piedmont, Italy. Neurol Sci, 35, S. 5-9.
  3. Odawara, M., Hashizume, M., Yoshiuchi, K., & Tsuboi, K. (11. Februar 2015). Real-Time Assessment of the Effect of Biofeedback Therapy with Migraine: A Pilot Study. Int J Behav Med., S. [Epub ahead of print].
  4. Verrills, P., Rose, R., Mitchell, B., Vivian, D., & Barnard, A. (Januar 2014). Peripheral nerve field stimulation for chronic headache: 60 cases and long-term follow-up. Neuromodulation., 17(1), S. 54-59.
  5. Lampl, C., Katsarava, Z., Diener, H. C., & Limmroth, V. (Dezember 2005). Lamotrigine reduces migraine aura and migraine attacks in patients with migraine with aura. J Neurol Neurosurg Psychiatry., 76(12), S. 1730-1732.
  6. Monteith, T. S., Gardener, H., Rundek, T., Elkind, M. S., & Sacco, R. L. (25. August 2015). Migraine and risk of stroke in older adults: Northern Manhattan Study. Neurology., 85(8), S. 715-721.
  7. Waeber, C., & Moskowitz, M. A. (24. Mai 2005). Migraine as an inflammatory disorder. 64(10), S. 9-15.
  8. Cady, R., & Schreiber, C. (August 2006). Sumatriptan: update and review. Expert Opin Pharmacother., 11, S. 1503-1514.
  9. Burstein, R., Noseda, R., & Borsook, D. (29. April 2015). Migraine: multiple processes, complex pathophysiology. J Neurosci., 35(17), S. 6619-6629.
  10. Hoffmann, J., Akerman, S., & Goadsby, P. J. (März 2014). Efficacy and mechanism of anticonvulsant drugs in migraine. Expert Rev Clin Pharmacol., 7(2), S. 191-201.
  11. Sabaté, E. (2003). Adherence to Long-Term Therapies -Evidence for Action. Genf: World Health Organization.
  12. Diener, H. C., Kaube, H., & Limmroth, V. (November 1998). A practical guide to the management and prevention of migraine. Drugs., 56(5), S. 811-824.
  13. Abbildung 4: Durchschnittliche Tablettenanzahl pro Packung in Deutschland von 2005
  14. Evers, S., May, A., Fritsche, G., Kropp, P., Lampl, C., Limmroth, V., . . . Diener, H. C. (Oktober 2008). Akuttherapie und Prophylaxe der Migräne. Leitlinie der Deutschen Migräne-und Kopfschmerzgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Nervenheilkunde, 27, S. 933-949.
  15. Durham, P. L. (11. März 2004). CGRP-receptor antagonists--a fresh approach to migraine therapy? N Engl J Med., 350(11), S. 1073-1075.
  16. Andlin-Sobocki, P., Jönsson, B., Wittchen, H. U., & Olesen, J. (Juni 2005). Cost of disorders of the brain in Europe. Eur J Neurol., 12(1), S. 1-27.
  17. ABDA -Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbän (Hrsg.). (2015). Die Apotheke - Zahlen, Daten, Fakten 2015. Berlin.
  18. Göbel, H. (April 2010). Efficacy and tolerability of rizatriptan 10 mg compared with sumatriptan 100 mg: an evidence-based analysis. Expert Rev Neurother., 10(4), S. 499-506.
  19. Göbel, H. (2014). Erfolgreich gegen Kopfschmerzen und Migräne. Heidelberg, Berlin: SpringerMedizin.
  20. Egle, U. T., Hoffmann, S. O., Lehmann, K. A., & Nix, W. A. (2003). Handbuch chronischer Schmerz. (U. T. Egle, S. O. Hoffmann, K. A. Lehmann, & W. A. Nix, European Medicines Agency. (12. Dezember 2011). Guideline on the use of pharmacogenetic methodologies in the pharmacokinetic evaluation of medicinal products. EMA/CHMP/37646/2009. London, Großbritannien.
  21. Hierarchical construct validity of the treatment satisfaction questionnaire for medication (TSQM version II) among outpatient pharmacy consumers. Value Health., 8(1), S. 9-24.
  22. Huang, S. M., & Temple, R. (September 2008). Is this the drug or dose for you? – impact of ethnic factors in global drug development, regulatory review and clinical practice. Clin Pharmacol Ther., 84(3), S. 287-294.
  23. Marburg: Philipps-Universität Marburg.
  24. Guyatt, G. H., Feeny, D. H., & Patrick, D. L. (15. April 1993). Measuring health-related quality of life. Ann Intern Med., 118(8), S. 622-629.
  25. Sulman, F. G. (1980). Migraine and headache due to weather and allied causes and its specific treatment. Ups J Med Sci Suppl., 31, S. 41-44.
  26. Goadsby, P. J., Lipton, R. B., & Ferrari, M. D. (24. Januar 2002). Migraine--current understanding and treatment. N Engl J Med., 346(4), S. 257-270.
  27. Sigurdardóttir, A. M., & Sigurdsson, E. L. (Juni 2009). Migraine-diagnosis and treatment in family practice. Laeknabladid., 95(6), S. 433-438.
  28. Abel, H. (März 2009). Migraine headaches: diagnosis and management. Optometry.
  29. Goadsby, P. J. (April 2005). Migraine pathophysiology. Headache., 45(1), S. 14-24.
  30. Migraine: pathophysiology, pharmacology, treatment and future trends. Curr Vasc Pharmacol., 1, S. 71-84.
  31. Mutschler, E., Geisslinger, G., Kroemer, H. K., Menzel, S., & Ruth, P. (2013). Mutschler Arzneimitelwirkungen -Pharmakologie, Klinische Pharmakologie, Toxikologie (10
  32. Tfelt-Hansen, P., & Steiner, T. J. (November 2007). Over-the-counter triptans for migraine: what are the implications? CNS Drugs, 11, S. 877-883.
  33. Pietrobon, D., & Moskowitz, M. A. (Februar 2013). Pathophysiology of migraine. Annu Rev Physiol., 75, S. 365-391.
  34. Freissmuth, M., Offermanns, S., & Böhm, S. (2012). Pharmakologie und Toxikologie: Von den molekularen Grundlagen zur Pharmakotherapie. (S. Offermanns, Hrsg.)
  35. Yamane, K. (2014). Progression from episodic migraine to chronic migraine. Rinsho
  36. Kohler, M. (März-Juni 2011). Regulatory pathways in the European Union. MAbs., 3(3), S. 241-242.
  37. Stäbler, C. (2013). Rx-to-OTC switch and the provision of data exclusivity in Europe specification and elaboration of eligibility criteria based on a status quo analysis.
  38. Haag, G., Diener, H. C., May, A., Meyer, C., Morck, H., Straube, A., . . . Evers, S. (April 2011). Self-medication of migraine and tension-type headache: summary of the
  39. von Euler, M., Keshani, S., Baatz, K., & Wettermark, B. (Dezember 2014). Utilization of triptans in Sweden; analyses of over the counter and prescription sales. Pharmacoepidemiol Drug Saf., 12, S. 1288-1293.
  40. Dahlem, M. A., Engelmann, R., Löwel, S., & Müller, S. C. (Februar 2000). Does the migraine aura reflect cortical organization? Eur J Neurosci., 12(2), S. 767-770.
  41. Bundesinstitut für Arzneimittel u. Medizinprodukte. (2015). Abgerufen am 7. Juli 2015 von http://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Gremien/Verschreibungs pflicht/_node.html, http://www.bfarm.de
  42. Lorenz, A. R., Luttkopf, D., Seitz, R., & Vieths, S. (November 2008). The regulatory system in europe with special emphasis on allergen products. Int Arch Allergy Immunol., 147(4), S. 263-275.
  43. Jamieson, D. (1. Februar 2002). The safety of triptans in the treatment of patients with migraine. Am J Med., 112(2), S. 135-140.
  44. Tfelt-Hansen, P. (April 2007). Acute pharmacotherapy of migraine, tension-type headache, and cluster headache. J Headache Pain., 8(2), S. 127-134.


* Das Dokument ist im Internet frei zugänglich - Hinweise zu den Nutzungsrechten