Zusammenfassung:
Es ist nicht verwunderlich, dass die Religionsphilosophie von Christian Wolff weniger Interesse erweckt hat – im Gegensatz zu seiner Moralphilosophie, nachdem von Immanuel Kant der kosmologische Gottesbeweis schon als schlechthin falsch zermalmt wurde. In jüngster Zeit wird Christian Wolffs Theologia naturalis auch als Paradebeispiel für die gemäßigte Aufklärungsphilosophie angesehen. Denn er suchte nicht nur die Harmonie zwischen vernünftiger Gotteserkenntnis und christlicher Offenbarung nachzuweisen, sondern auch die Radikalen zu bekämpfen. Dies läuft aber nicht nur dem aufklärerischen Bild Wolffs zuwider, insofern er damals als Feind der christlichen Religion auf die Anklagebank gesetzt wurde, wie Spinoza und Hobbes. Dies scheint auch mit den aufklärerischen Anforderungen der Wolffschen Philosophie widersprüchlich zu sein. Es stellt sich die Frage, ob Wolffs affirmative Stellungnahme zur christlichen Tradition mit seinem autonomen Rationalismus inhaltlich verträglich ist.
Angesichts des scheinbar widersprüchlichen Zuges der Philosophie Wolffs und der gegensätzlichen Interpretationen von seiner Philosophie sind Detailstudien vonnöten. In der vorliegenden Arbeit wird versucht, Wolffs Argumentationsstrategie in der natürlichen Theologie und der natürlichen Religion genau zu prüfen, um die Frage beantworten zu können: Wie wendete Christian Wolff seine philosophische Methode auf die Theologie an, um es für möglich zu halten, dass der Gebrauch des Verstandes unbeschränkt wird und zugleich dies der Religion nicht schaden würde?
In den vier Kapiteln dieser Arbeit werden der Wunderbeweis, das Verhältnis der natürlichen Religion zur Moral, die Spinozismus-Kritik und der Beweis der Offenbarungsreligion bei Christian Wolff behandelt, da ihm damals vorgeworfen wurde, dass seine Philosophie das biblische Wunder, die natürliche und geoffenbarte Religion abgeschafft und den Weg der Radikalen beschritten hätte. Als Ergebnis wird sich herausstellen, dass der Beweis der Wahrheit der Offenbarungsreligion, um die Begierde der Christen nach dem Naturgesetz zu bestimmen, den roten Faden in Christian Wolffs Lebenswerk ausmacht. Wolffs Argumente für die natürliche und geoffenbarte Religion sind einerseits durchaus vereinbar mit den Forderungen seiner philosophischen Methode. Seine Gegner haben mit Recht in diesen Argumenten das größte Risiko für die Offenbarungsreligion gesehen. Andererseits hat Christian Wolff die Offenbarungsreligion nicht mit einer bloßen apologetischen Absicht verteidigt. Er war davon sehr überzeugt, dass sein System diese minimale Anforderung erfüllen konnte. Ihm lag mehr an der Frage, wie die christlichen Glaubenssätze die Begierde der Christen bestimmen, sodass sie auch nach dem Naturgesetz handeln können.
Bibliographie / References
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- De usu methodi demonstrativae in tradenda theologia revelata dogmatica, in: Horae subsecivae, WW II, Bd. 34.3, § 9, S. 506. Z. B. Mit " processio " bezeichnen die Theologen allgemein den " modus " , wie " Spiritus tus " zusammen mit Vater und Sohn das einzige göttliche Wesen hat. Aber " processio " bedeutet vielmehr " mis- sionem in corda fidelium " in John. XV. 26. Dieses Beispiel zitiert Wolff aus Nicolaus Gürtlers Institutiones Theolo- gicae, quibus fundamenta reformatae religionis ordine maxime naturali succinctis positionibus traduntur, luculentis scripturae S. testimoniis probantur, consensu veteris ecclesiae confirmantur, adversus placita adversariorum et dissentientium summa fide ipsorum verbis relata solide vindicantur et ad pietatem et consolationem ubique applicantur, notulis postumis auctoris, eiusdem elogio a 10. van der Wayen Conscripto indiceque locupletissimo auctae., Cap. III. De Deo Patre, Filio & Spiritu S., CCL, S. 63: " Quum scholae Theologicae agunt de aeterna Spiritus S. origine, amant adhibere vocabulum processionis, petitum ex Joh.
- Cramer, Konrad: Christian Wolff über den Zusammenhang der Definitionen von Attribut, Modus und Substanz und ihr Verhältnis zu den beiden ersten Attributen von Spinozas Ethik. In: Spinozas Ethik und ihre frühe Wirkung, hrsg. von Konrad Cramer/Wilhelm G. Jacobs/Wilhelm Schmidt-Biggemann. Wolfen- büttel 1981, S. 67–106.
- Bronisch, Johannes: Naturalismus und Offenbarung beim späten Christian Wolff. Mit der Edition eines Briefes von Wolff. In: Die natürliche Theologie bei Christian Wolff, hrsg. von Michael Albrecht. Hamburg 2011, S. 189–212.
- — Of the Conduct of the Understanding. In: Posthumous Works of Mr. John Locke. London 1706.
- De usu methodi demonstrativae in tradenda theologia revelata dogmatica, in: Horae subsecivae, WW II, Bd. 34.3, § 4, S. 487: " Omnis nimirum quaestio ad identitatem rerum, non vocabulorum, quae sunt earum signa, redit " .
- Strauss, Leo: On the Bible science of Spinoza and his precursors. In: Strauss, Leo: The Early Writings (1921– 1932), hrsg. von Michael Zank, übers. Michael Zank. New York 2002, S. 173–200.
- — Oratio de Sinarum philosophia practica (1726), hrsg., übers. und eingel. von Michael Albrecht. Hamburg 1985.
- — Theologia naturalis methodo scientifica pertractata. Pars posterior, qua existentia et attributa Dei ex notione entis perfectissimi et natura animae demonstrantur et Atheismi, Deismi, Fatalismi, Naturalismi, Spino- sismi, aliarumque de Deo errorum fundamenta subvertuntur (1737), hrsg. von Jean École. Christian Wolff Gesammelte Werke. II. Abteilung. Bd. 8. Hildesheim 1981.
- — Jus naturae methodo scientifica pertractatum. Pars prima, In qua obligationes et jura connata ex ipsa hominis essentia atque natura a priori demonstrantur et totius philosophiae moralis omnisque juris reliqui fun- damenta solida jaciuntur (1740), hrsg. von Marcel Thomann. Christian Wolff Gesammelte Werke. II. Abteilung. Bd. 17. Hildesheim 1972.
- — Theologia naturalis methodo scientifica pertractata. Pars prior, integrum systema complectens, qua existentia et attributa Dei a posteriori demonstrantur (1736), hrsg. von Jean École. Christian Wolff Gesammelte Werke. II. Abteilung. Bd. 7.1, 7.2. Hildesheim 1978.
- Cosmologia, WW II, Bd. 4, § 225: " Phaenomenon dicitur, quicquid sensui obvium confuse percipitur " . 932 Theologia naturalis, II, WW II. Bd. 8, § 689. not.
- Niewöhner, N.: Art. " Pharisäer, Pharisäismus " . In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Basel 1992, Bd. 7, Sp. 535–542.
- Couplet, Philippe: Confucius Sinarum Philosophus, sive Scientia Sinensis Latine exposita, studio & opera Pros- peri Intorcetta, Christiani Herdtrich, Francisci Rougemont & Philippi Couplet, Patrum Societatis Jesu. Paris 1687.
- — Philosophia moralis sive Ethica, methodo scientifica pertractata. Pars prima, in qua agitur de intellectu et facultatibus ceteris cognoscendi in ministerium eius perficiendis, atque virtutibus intellectualibus (1750), hrsg. von Winfried Lenders. Christian Wolff Gesammelte Werke. II. Abteilung. Bd. 12. Hildesheim 1970.
- — Philosophia practica universalis, methodo scientifica pertractata, Pars prior, theoriam complectens, qua omnis actionum humanarum differentia, omnisque juris ac obligationum omnium, principia, a priori de- monstrantur (1738), hrsg. von Winfried Lenders. Christian Wolff Gesammelte Werke. II. Abteilung. Bd. 10. Hildesheim 1971.
- — Philosophia prima, sive Ontologia, methodo scientifica pertractata, qua omnis cognitionis humanae principia continentur (1730), hrsg. von Jean École. Christian Wolff Gesammelte Werke. II. Abteilung. Bd. 3. Hildesheim, 1962.
- — Philosophia rationalis sive Logica, methodo scientifica pertractata et ad usum scientarum atque vitae aptata. Praemittitur Discursus preliminaris de philosophia in genere (1728), Pars I, II, III, hrsg. von Jean École. Christian Wolff Gesammelte Werke. II. Abteilung. Bd. 1.1, 1.2. Hildesheim 1983.
- — Physica divina, recta via, eademque inter superstitionem et atheismum media ad utramque hominis felicitatem naturalem atque moralem ducans. Frankfurt 1716.
- De usu methodi demonstrativae in tradenda theologia revelata dogmatica, in: Horae subsecivae, WW II, Bd. 34.3, § 7, S. 498: " Propositionem a te rite esse determinatam, non sumendum est, sed demonstrandum. Alias enim assensum eidem praebendum non resolvis in autoritatem Dei, quemadmodum fieri debet, sed in autoritatem tuam, adeoque humanam, quod Theologiae revelatae notioni adversatur " .
- — Psychologia rationalis methodo scientifica pertractata, qua ea, quae de anima humana indubia experientiae fide innotescunt, per essentiam et naturam animae explicantur, et ad intimiorem naturae ejusque autoris cognitionem profutura proponuntur (1734), hrsg. von Jean École. Christian Wolff Gesammelte Werke. II. Abteilung. Bd. 6. Hildesheim 1972.
- — Psychologia empirica, methodo scientifica pertractata, quae ea, quae de anima huamana indubia experientiae fide constant, continentur et ad solidam universae philosophiae practicae ac theologiae naturalis tracta- tionem via sternitur, Francofurti et Lipsiae (1732), hrsg. von Jean École. Christian Wolff Gesammelte Werke. II. Abteilung. Bd. 5. Hildesheim 1968.
- Rectitudine actionis hominis Christiani, in: Horae subsecivae, WW II, Bd. 34.3, § 3, S. 582f: , " Quodsi itaque nobis jam propositum esset theoriam rectitudinis actionis christianae condere, ex ipsa notione christiani de- monstrandum foret, quaenam ad hanc rectitudinem requirantur, consequenter quinam sit facultatum humana- rum usus, ut a rectitudine nulla ex parte deficiat actio christiana " .
- Mühlpfordt, Günter: Radikaler Wolffianismus. Zur Differenzierung und Wirkung der Wolffschen Schule ab 1735. In: Christian Wolff 1679–1754. Interpretation zu seiner Philosophie und deren Wirkung. Mit ei- ner Bibliographie der Wolff-Literatur, hrsg. von Werner Schneiders. Hamburg 1983, S. 237–253.
- Vgl. Gründliche Antwort auf Joachim Langes Anmerckungen über des Herrn Hoff. Raths und Professor Christian Wolf- fens Metaphysicam von denen darinnen befindlichen so genannten der natürlichen und geoffenbarten Religion und Moralität entgegen stehenden Lehren, in: Kleine Kontroversschriften, WW I, Bd. 17, Antwort ad §. 7, S. 27: " Warum aber soll nun daraus, daß dieses [nämlich: ein Wunderwerk] was übernatürliches ist, folgen, daß die Christliche Religion eine Fabel sey? Ich möchte den Schluß sehen! Fiat Syllogismus, da wird es sich zeigen " . 1149 Brief an Blumentrost vom 22. 4. 1725, in: WW I, Bd. 16, Briefwechsel, No. 21, S. 45 f: " Ich aber nahm über mich aus von allen politicis accordirten Gründen den Beweis, dass nach natürlichen und göttlichen Gesetzen der Allerdurchlauchtigsten Kayserin die Succession gebühre und zwar ihr allein, keinem andern gebühren könne.
- — Ratio praelectionum Wolffianarum in Mathesin et Philosophiam universam et Opus Hugonis Grotii de jure belli ac pacis (1718), hrsg. von Jean École. Christian Wolff Gesammelte Werke. II. Abteilung. Bd. 36. Hildesheim 1973.
- De Rectitudine actionis hominis Christiani, in: Horae subsecivae, WW II, Bd. 34.3, § 2, S. 582: " Rectitudinem actionis christiane consistere in convenientia cum omnibus determinationibus christiani essentialibus " .
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- Ubi tamen videtur intelligi missio Spiritus S. in corda electorum hominum " .
- — Ursprünge des Atheismus. Untersuchungen zur Metaphysik-und Religionskritik des 17. und 18. Jahrhunderts. Stuttgart-Bad Cannstatt 1998.
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- Verzeichnis der zitierten Schriften I. Quellen
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