Publikationsserver der Universitätsbibliothek Marburg

Titel:Die Gestaltung der Arzt-Patienten-Beziehung in Abhängigkeit von der Behandlungssituation
Autor:Müller-Engelmann, Meike
Weitere Beteiligte: Rief, Winfried (Prof. Dr.)
Veröffentlicht:2010
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2010/0759
DOI: https://doi.org/10.17192/z2010.0759
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2010-07590
DDC:150 Psychologie
Titel (trans.):The patient-physician relationship in different treatment situations. Chances and limits of shared decision making.
Publikationsdatum:2010-12-29
Lizenz:https://rightsstatements.org/vocab/InC-NC/1.0/

Dokument

Schlagwörter:
Arzt-Patient Beziehung, limits of shared decision making, Entscheidungsfindung, treatment situations, medical decision making

Summary:
Da die Gestaltung der Arzt-Patienten-Beziehung den Behandlungserfolg wesentlich mit be-stimmt, stellt sich die Frage, wie medizinische Entscheidungen getroffen werden sollten. Im Wesentlichen lassen sich drei Formen der medizinischen Entscheidungsfindung voneinander abgrenzen: die gemeinsame Entscheidungsfindung („shared decision making“ (SDM)), die ärztliche Entscheidung und die informierte Patientenentscheidung. Die gemeinsame Entschei-dungsfindung wird dabei in der Medizinethik häufig als Ideal betrachtet, da sie gewährleistet, dass die Meinung des Patienten ausreichend berücksichtigt wird. Es wurden vielfältige positi-ve Effekte einer gemeinsamen Entscheidungsfindung nachgewiesen, dennoch ist SDM in der medizinischen Alltagsversorgung bisher noch nicht breit implementiert. Fraglich ist, ob SDM überhaupt für alle Behandlungssituationen geeignet ist, oder ob Grenzen einer gemeinsamen Entscheidungsfindung definiert werden sollten, wie dies theoretische Modelle nahe legen. Die vorliegende Dissertation hatte das Ziel, soziale Normen bezüglich der medizinischen Ent-scheidungsfindung in verschiedenen Behandlungssituationen durch die Befragung von Mit-gliedern unterschiedlicher Interessengruppen systematisch zu untersuchen. In einem ersten Schritt wurden dazu qualitative Interviews mit Patienten, Ärzten und Experten des Gesundheitssystems geführt. In diesen Interviews wurden insgesamt 19 Faktoren identifi-ziert, die nach Ansicht von mindestens fünf befragten Personen einen Einfluss auf die Gestal-tung des medizinischen Entscheidungsfindungsprozesses haben sollten. Basierend auf den identifizierten Faktoren wurde im nächsten Schritt ein faktorieller Survey entwickelt. Dieser besteht aus den Beschreibungen verschiedener Behandlungssituationen, für die sieben rele-vante situative Merkmalen miteinander kombiniert wurden (der Anlass des Arztbesuchs, der Zeitpunkt negativer Konsequenzen, die verbleibende Zeit bis zum erforderlichen Behand-lungsbeginn, die Anzahl der Therapiemöglichkeiten, die Existenz von Nebenwirkungen, das Vorliegen wissenschaftlicher Belege für die Wirksamkeit der Behandlung sowie der Beteili-gungswunsch des Patienten). Mit dem faktoriellen Survey wurden im Rahmen einer größeren quantitativen Studie Allgemeinmediziner, Patienten und Mitglieder von Selbsthilfegruppen befragt. Diese wurden gebeten die ihnen vorgelegten Situationsbeschreibungen bezüglich der Frage, in welcher Form jeweils über die Behandlung entschieden werden sollte, einzuschät-zen. Die statistische Auswertung ergab, dass in den meisten Situationen eine gemeinsame Entscheidungsfindung als angemessen betrachtet wurde. Darüber hinaus zeigte sich, dass alle sieben untersuchten situativen Faktoren einen signifikanten Einfluss darauf haben, wie medi-zinische Entscheidungen getroffen werden sollten. Als besonders wichtig wurde hierbei be-wertet, den Beteiligungswunsch des jeweiligen Patienten zu berücksichtigen. Die stärkste Auswirkung auf die Beurteilung der Fallgeschichten hatte jedoch der persönliche Beteili-gungswunsch der Befragten im Falle einer eigenen Erkrankung. Basierend auf den durchgeführten Studien wurden Situationen beschrieben, in denen SDM als besonders wichtig angesehen wurde, und solche, in denen die Entscheidung nach Ansicht der Befragten am ehesten dem Arzt oder am ehesten dem Patienten überlassen werden könnte. Die Ergebnisse der vorliegenden Studien sollen Ärzten ermöglichen, die Gestaltung der Arzt-Patienten-Beziehung den situativen Erfordernissen anzupassen. Darüber hinaus zeigen sie, wann eine patientenorientierte medizinische Versorgung als besonders wichtig zu betrachten ist, was vor allem vor dem Hintergrund vielfältiger Barrieren, die einer breiten Umsetzung einer gemeinsamen Entscheidungsfindung bisher im Weg stehen, relevant ist.

Bibliographie / References

  1. Levinson, W., Kao, A., Kuby, A. & Thisted, R. A. 2005. Not all patients want to participate in decision making. A national study of public preferences. J.Gen.Intern.Med 20: 531-535.
  2. Wilkinson, C., Khanji, M., Cotter, P. E., Dunne, O. & O'Keeffe, S. T. 2008. Preferences of acutely ill patients for participation in medical decision-making. Qual.Saf Health Care 17: 97- 100.
  3. Jong, C. A. 2008. Systematic review of the effects of shared decision-making on patient satis- faction, treatment adherence and health status. Psychother.Psychosom. 77: 219-226.
  4. Legare, F., Ratte, S., Gravel, K. & Graham, I. D. 2008. Barriers and facilitators to implement- ing shared decision-making in clinical practice: update of a systematic review of health pro- fessionals' perceptions. Patient.Educ.Couns. 73: 526-535.
  5. Lidz, C. W., Meisel, A., Osterweis, M., Holden, J. L., Marx, J. H. & Munetz, M. R. 1983. Barriers to informed consent. Ann.Intern.Med. 99: 539-543.
  6. Müller-Engelmann, M., Krones, T., Keller, H. & Donner-Banzhoff, N. 2008. Decision making prefer- ences in the medical encounter--a factorial survey design. BMC.Health Serv.Res. 8: 260.
  7. Krones, T. 2009. Empirical Methodologies and methods in applied and empirical ethics. Eth Med 21: 274-258.
  8. Holm, S. & Davies, M. 2009. Ethical issues around evidence-based patient choice and shared decision-making. In Edwards, A. & Elwyn, G. (Eds) Shared Decision-Making in Health Care (pp. 59-64). Oxford: University Press.
  9. Goldenberg, M. J. 2005. Evidence-based ethics? On evidence-based practice and the "empiri- cal turn" form normative bioethics. BMC.Med.Ethics 6: E1-E9.
  10. Lauder, W. 2002. Factorial survey methods: A valuable but under-utillised resarch method in nursing research. Nursing Times Research 7: 35-43.
  11. Abbildung 5: Graphische Darstellung der Interaktion der Faktoren " Nebenwirkungen der Behandlung " und " Wunsch des Patienten, sich zu beteiligen " in Bezug auf das Vignettenurteil Lebenslauf Persönliche Daten Meike Müller-Engelmann Psych. Psychotherapeutin, Dipl.-Psych., M.A. geb. am 03. März 1978 in Bad Hersfeld Habsburgerallee 29
  12. Grundschule Hünfeld-Mackenzell Wigbertgymnasium Hünfeld Studium 10.1997 – 10.2003 10.1998 – 04.2006
  13. Holmes-Rovner, M., Valade, D., Orlowski, C., Draus, C., Nabozny-Valerio, B. & Keiser, S. 2000. Implementing shared decision-making in routine practice: barriers and opportunities.
  14. Herrera, C. 2008. Is it time for bioethics to go empirical? Bioethics. 22: 137-146.
  15. Fraenkel, L. & McGraw, S. 2007. Participation in medical decision making: the patients' per- spective. Med Decis.Making 27: 533-538.
  16. Guadagnoli, E. & Ward, P. 1998. Patient participation in decision-making. Soc.Sci.Med 47: 329-339.
  17. Patient-physician concordance: preferences, perceptions, and factors influencing the breast cancer surgical decision. J.Clin.Oncol. 22: 3091-3098.
  18. Krones, T. & Richter, G. 2008. Ärztliche Verantwortung: das Arzt-Patienten-Verhältnis. Bun- desgesundheitsblatt.Gesundheitsforschung.Gesundheitsschutz. 51: 818-826.
  19. seit 01.2008
  20. Isfort, J., Floer, B., Koneczny, N., Vollmar, H. C. & Butzlaff, M. 2002. "Shared decision ma- king". Arzt oder Patient -Wer entscheidet? Dtsch.Med Wochenschr. 127: 2021-2024.
  21. Kaplan, R. M. 2004. Shared medical decision making. A new tool for preventive medicine.
  22. Auslandssemester Universidad de Sevilla (Spanien) Erasmusstipendium Förderung des Auslandsstudiums in Sevilla Förderungsstipendium der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Förderung der Magisterarbeit DAAD Fachkursstipendium Förderung der Teilnahme an der Tagung " Hermeneutik und Phäno- menologie " am IUC Dubrovnik (Kroatien) Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Schwerpunkt: Verhaltenstherapie Berufserfahrung 09.2003 – 09.2006 11.2006 – 10.2007 11. 2007 – 07.2010
  23. Hox, J. J., Kreft, I. G. G. & Hermkens, P. L. J. 1991. The analysis of factorial surveys. Socio- logical methods and research 19: 493-509.
  24. Woolf, S. H. 2001. The logic and limits of shared decision making. J.Urol. 166: 244-245.
  25. Lévinas, E. 1993. Totalität und Unendlichkeit. Versuch über die Exteriorität. Freiburg: Alber.
  26. Wissenschaftliche Assistentin Interdisziplinäres Forschungsprojekt im Bereich der Lebendorgan- spende, Universitätsklinik Mainz Psychiatriejahr Universitätsklinik Mainz Wissenschaftliche Mitarbeiterin Abteilung Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin, Universität Marburg Behandlung ambulanter Patienten Verhaltenstherapieambulanz, Uni Frankfurt Auszeichnung Prämierung der Diplomarbeit für ein herausragendes Maß an Innovation und Anwendungsorientie- rung im interkulturellen Bereich Publikationen Müller-Engelmann, M. 2008. Das frühe Erwachsenenalter in Deutschland und Spanien. Stress, de- pressive Symptome und die moderierenden Einflüsse von Coping und sozialer Unterstützung. Saar- brücken: Vdm Verlag Dr. Müller.
  27. Effect on health-related outcomes of interventions to alter the interaction between patients and practitioners: a systematic review of trials. Ann.Fam.Med 2: 595-608.
  28. Floer, B., Schnee, M., Bocken, J., Streich, W., Kunstmann, W., Isfort, J. & Butzlaff, M. 2004b. Shared decision making. Gemeinsame Entscheidungsfindung aus Patientenperspekti- ve. Dtsch.Med Wochenschr. 129: 2343-2347.
  29. Karnieli-Miller, O. & Eisikovits, Z. 2009. Physician as partner or salesman? Shared decision- making in real-time encounters. Soc.Sci.Med. 69: 1-8.
  30. Müller-Engelmann, M., Keller, H., Donner-Banzhoff, N. & Krones, T. 2010. Shared decision making in medicine: The influence of situational treatment factors. Patient Education and Counseling Vorträge und Poster (Auswahl)
  31. Krohne, H. W. & Hock, M. 2008. Vigilante und kognitiv vermeidende Streßbewältigung. In Schmidt-Daffy M., Debus, G. & Janke, W. (Eds) Experimentelle Emotionspsychologie: Me- thodische Ansätze, Probleme und Ergebnisse (pp. 809-819). Lengerich: Pabst.


* Das Dokument ist im Internet frei zugänglich - Hinweise zu den Nutzungsrechten