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Titel:Veränderungen der spinalen und supraspinalen Schmerzwahrnehmung bei Patienten mit M. Parkinson
Autor:Engau, Isabel
Weitere Beteiligte: Möller, Carsten (Dr.)
Veröffentlicht:2009
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2009/0629
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2009-06297
DOI: https://doi.org/10.17192/z2009.0629
DDC:610 Medizin
Titel (trans.):Pain sensitivity and descending inhibition of pain in Parkinson disease
Publikationsdatum:2009-11-24
Lizenz:https://rightsstatements.org/vocab/InC-NC/1.0/

Dokument

Schlagwörter:
Nociceptive flexion reflex, Pain perception, Parkinson, Schmerzwahrnehmung, Parkinson disease, Schmerzhemmung, deszendierende Schmerzhemmung, Diffuse noxious inhibitory control (DNIC), Nozizeptiver Flexorreflex (NFR), Pain inhibition

Zusammenfassung:
Schmerzen sind ein bei Parkinson-Patienten häufig vorkommendes Symptom. Die Prävalenz liegt dabei zwischen 40-75 %. Die Schmerzen lassen sich nach Ford in fünf verschiedene Kategorien einteilen, wobei der muskuloskelettale Schmerz den am häufigsten vorkommenden Schmerzcharakter darstellt. Nach Lee et al. kann man die Schmerzen abhängig von ihrer Ursache weiter unterteilen. Es gibt bisher nur wenige Studien, in denen die Schmerzwahrnehmung bei Parkinson-Patienten untersucht worden ist, mit zum Teil widersprüchlichen Ergebnissen. So finden sich sowohl Studien, in denen die Schmerzschwellen der Patienten erniedrigt sind, als auch Studien, die die Schmerzschwellen als erhöht beschreiben. Wir wollten mit dieser Studie zum einen durch den Vergleich der subjektiven Schmerzschwelle und der spinalen Nozizeption die Veränderungen innerhalb des Schmerzweges lokalisieren. Zum anderen wollten wir überprüfen, ob eine Dysfunktion des DNIC-Systems möglicherweise für die veränderte Schmerzwahrnehmung bei Parkinson-Patienten mitverantwortlich ist. Dazu haben wir 15 Parkinson-Patienten mit 18 gesunden Kontrollen verglichen. Um Einflüsse durch Depression, Demenz und Ängstlichkeit auszuschließen, ließen wir die Teilnehmer verschiedene Fragebögen (Mini Mental State Test, Geriatric Depression Scale, Schmerzfragebögen, State-Trait-Angstinventar) ausfüllen. Die Patienten untersuchten wir zudem noch mittels des Motorscores der Unified Parkinson Disease Rating Scale (UPDRS III). Die Messungen führten wir morgens zwischen 6-9 Uhr durch, wobei die Patienten sich dabei in einem medikamentös definierten „Off“ befanden. Wir bestimmten die Hitzeschmerzschwelle, die elektrische Schmerzschwelle sowie die Schwelle des Nozizeptor-Flexorreflexes, der als objektives Messinstrument der individuellen Schmerzempfindung gilt. Nach diesen Schwellenbestimmungen erfolgte die Untersuchung des DNIC-Systems. Hierbei wurde die Inhibition der elektrischen Schmerzschwellen während eines phasischen Hitzeschmerzstimulus erfasst. Die Untersuchung setzte sich aus drei Einzelteilen zusammen: im ersten und dritten Teil wurde die Temperatur der Thermode als Kontrollbedingung auf 37 °C eingestellt, im zweiten Teil zur Auslösung des DNIC-Effektes auf die Temperatur der individuellen Hitzeschmerzschwelle. Unsere Ergebnisse zeigten signifikant niedrigere elektrische Schmerzschwellen (P = 0.044), Hitzeschmerzschwellen (P = 0.017) sowie NFR-Schwellen (P = 0.001) der Parkinson-Patienten. Zwischen den Parkinson-Patienten mit klinischen krankheitsassoziierten Schmerzen und klinisch schmerzfreien Patienten zeigten sich keine signifikanten Unterschiede. Für die Auswertung des DNIC-Effektes führten wir eine zweifaktorielle Varianzanalyse mit dem Innersubjekt-Faktor „Bedingung“ und dem Zwischensubjekt-Faktor „Erkrankung“ durch, die einen signifikanten Effekt des Faktors „Bedingung“ ergab (P < 0.001). Dies spricht für eine Aktivierung des DNIC-Systems sowohl bei Parkinson-Patienten mit klinischen Schmerzen als auch bei klinischen schmerzfreien Patienten. Es zeigten sich keine Unterschiede im DNIC-Effekt zwischen den Parkinson-Patienten und den Kontrollen (P = 0.908). Anhand unserer Daten lässt sich eine signifikante Erniedrigung der spinalen Schmerzschwellen, repräsentiert durch den Nozizeptor-Reflex, nachweisen, die eventuell auf Läsionen auf Rückenmarksebene zurückzuführen sind, wie sie bei Braak et al. beschrieben wurden. Möglicherweise sind diese Läsionen ursächlich für die klinischen Schmerzen beim M. Parkinson mitverantwortlich. In anderen Studien konnte bei Parkinson-Patienten außerdem eine gesteigerte neuronale Aktivität innerhalb zum Schmerzsystem gehörender Strukturen durch Schmerzreize provoziert werden, die ebenfalls einen Einfluss auf die Entstehung der klinischen Schmerzen haben könnte. Wir konnten in unserer Studie keine Veränderungen innerhalb des DNIC-Systems finden, so dass DNIC-ähnliche Mechanismen vermutlich keine relevante Rolle bei der Entwicklung der Parkinson-assoziierten Schmerzen spielen. Fehlende Veränderungen im DNIC-System schließen aber nicht aus, dass es Veränderungen innerhalb anderer absteigender hemmender Kontrollsysteme gibt, wie beispielsweise des periaquäduktalen Grau oder des Nucleus raphe magnus, die für die Entstehung Parkinson-assoziierter Schmerzen mitverantwortlich sein könnten. Weitere Studien sind nötig, um die genauen Ursachen der Schmerzentstehung beim M. Parkinson zu verstehen.


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