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Titel:Zu Adaption und Demontage von Architekturgeschichte im "Neuen Bauen" der Weimarer Republik: Alfred Gellhorn (1885-1972). Bauten, Projekte, Schriften 1920 bis 1933.
Autor:Bußmann, Annette
Weitere Beteiligte: Schütte, Ulrich (Prof. Dr.)
Veröffentlicht:2004
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2006/0797
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2006-07977
DOI: https://doi.org/10.17192/z2006.0797
DDC:700 Künste, Bildende Kunst allgemein
Titel (trans.):About Adaption and Dismantling of the History of Architecture in the "Neuen Bauen" of the Weimar Republic: Alfred Gellhorn (1885-1972). Buildings, projects, writings 1920-1933.
Publikationsdatum:2006-11-15
Lizenz:https://rightsstatements.org/vocab/InC-NC/1.0/

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Schlagwörter:
Funktionalismus <Architektur>, Bürohäuser, Architecture Weimar Republic, Jüdische Architekten, Neues Bauen, Tankstellen, Gesamtkunstwerk, Weimarer Republik, Alfred Gellhorn, Expressionismus, Architektur Zwanziger Jahre

Zusammenfassung:
Das ikonisierte Dreigespann „Le Corbusier - Gropius - Mies van der Rohe“ galt der Architekturhistoriographie lange Jahre als Maßstab des so genannten „Neuen Bauens“ der 1920er Jahre. Im festen Glauben, diese Trias habe die Architekturgeschichte revolutioniert, wurde die Mehrheit der gestalterisch von diesem Konstrukt abweichenden Architektenschaft nicht als andersartig, sondern als weniger innovativ und somit letztlich als architekturhistorisch irrelevant präsentiert. Dass man heute in den meisten Abhandlungen zur Architektur des 20. Jahrhunderts vergeblich nach dem Namen des Baukünstlers und Autors Alfred Gellhorn (1885-1972) fahnden muss, ist allerdings nicht alleine der mannigfach beschworenen „Architekturhistoriographie der Ausschließung“ anzulasten: 1916 vom Judentum zum Protestantentum konvertiert, musste Gellhorn bereits 1933 wegen seiner ehemaligen Glaubenszugehörigkeit vor dem NS-Regime ins Ausland fliehen. Noch während der 1920er Jahre ernteten seine Bauten und Projekte international Beifall, doch nun, im Exil, diktierten zahlreiche Ortswechsel sein Leben. 1954 kurzzeitig nach Deutschland zurückgekehrt, konnte es ihm – wie den meisten damaligen Remigrant/innen - in der Folge nicht mehr gelingen, erneut künstlerisch oder geographisch nennenswert Fuß zu fassen. Eine gegenüber vermeintlich linkspolitisch ambitionierten Künstler/innen voreingenommene bundesrepublikanische Nachkriegsforschung trug zusätzlich dazu bei, dass Gellhorn nahezu vollständig in Vergessenheit geriet. Die vorliegende Abhandlung begibt sich auf die Suche nach den Spuren eines Architekten, dessen Wirken sich einer schematisierenden Zuordnung verweigert. Einerseits sehr frühzeitig inbrünstiger Verfechter eines modernen Formenvokabulars, andererseits nachdrücklicher Kritiker einer „Nursachlichkeit“, gab sich Gellhorn in dem gleichen Ausmaß, in dem er sich dem offiziellen Credo des „Neuen Bauens“, nämlich der Demontage der Architekturgeschichte verschrieben hatte, einer gezielten Adaption derselben hin. Nicht selten verwickelte er sich dabei in nicht minder große Widersprüche als seine heute ungleich bekannteren Kolleg/innen der „modernen Bewegung“. So könnte man beispielsweise nach Lektüre seiner zahlreichen Schriften glauben, Gellhorn habe all seine Bauten unter dezidierter Konzentration auf das zeitlebens eingeforderte Gesamtkunstideal konzipiert. Bei genauerer Betrachtung blieb ihm in der Praxis die Synthese der Künste allerdings zumeist verwehrt. Der zentrale Fokus der vorliegenden Untersuchung wird auf den Zeitraum der Weimarer Republik gelenkt, da Gellhorn während dieser Spanne das höchste Maß künstlerischer Aktivität zugebilligt wurde. Zur Vermeidung hagiographischer Tendenzen wird das Gellhornsche Œuvre unter besonderer Berücksichtigung der auftraggeberischen Einflussnahme, der wichtigsten zeitgenössischen Strömungen und des mitunter zu Tage tretenden Antagonismus zwischen theoretisch geäußertem Anspruch und praktisch realisiertem Werk sowie der Diskrepanz zwischen entstehungszeitlicher und gegenwärtiger Rezeption analysiert. Dabei gilt es, die von der Forschung über Jahrzehnte bereitgestellten Klischeevorstellungen des „Neuen Bauens“ ebenso zu hinterfragen wie das in den letzten Jahren entworfene Bild einer anderen, vermeintlich „besseren“ Moderne.


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