Zusammenfassung:
Einstellungsinterviews erfreuen sich großer Akzeptanz und weiter
Verbreitung, obwohl ihre prognostische Validität lange Zeit als schlecht galt.
Inzwischen liegen jedoch eine Reihe von Metaanalysen vor,
welche die prognostische Validität und Reliabilität von sogenannten
strukturierten Interviews belegen. Hierbei haben sich in der wissenschaftlichen
Literatur insbesondere das Biographische und das Situative Interview (BI, SI)
durchgesetzt, welche auch Bestandteile des Multimodalen Interviews (MMI) von
Schuler (1989, 1992) sind.
Forschungsbedarf gibt es jedoch bei der Untersuchung der Konstruktvalidität.
So wurden bisher fast ausschließlich Validierungsstudien im Sinne eines
nomologischen Netzwerkes durchgeführt und folglich die Zusammenhänge zwischen
dem Gesamtwert im Interview und verschiedenen externen Konstrukten (z.B.
verbale Intelligenz, Self-Monitoring) analysiert.
Bei dieser Methode bleibt jedoch unklar, inwieweit es gelingt mit
strukturierten Interviews die in der Arbeitsanalyse festgelegten
Anforderungsdimensionen wie z.B. Teamfähigkeit und Durchsetzungsfähigkeit zu
erfassen.
Eine Möglichkeit diese Fragestellung zu bearbeiten ist die Analyse von
konvergenter und diskriminanter Validität der innerhalb des Auswahlverfahrens
verwendeten Dimensionen. Dieses Vorgehen wird von Kolk (2002) als interne
Konstruktvalidierung bezeichnet und meist mit Hilfe der
Multitrait-Multimethod-Matrix (MTMM) und konfirmatorischer
Faktorenanalysen (CFA) untersucht.
Obwohl ein entsprechendes Vorgehen in der Assessment Center-Forschung seit
Jahren üblich ist, wurde erst eine vergleichbare Interview-Studie
(Schuler, 1989 bzw. Schuler & Funke, 1989) durchgeführt.
Ohne die empirische Daten zu berichten kamen die Autoren dabei zu dem Ergebnis,
dass die Konstruktvalidität strukturierter Interviews gering ist.
Die saubere Erfassung der Anforderungsdimensionen ist jedoch grundlegende
Voraussetzung für die Konstruktion prognostisch valider Auswahlverfahren.
Daher ist das Ziel der vorliegenden Arbeit die Untersuchung der (internen)
Konstruktvalidität strukturierter Interviews und möglicher Einflussfaktoren.
In der ersten Studie (N = 110) wurde die Konstruktvalidität eines Multimodalen
Interviews (MMI) untersucht.
Während die Analysen der Multitrait-Multimethod-Matrix (MTMM) auf eine
geringe (interne) Konstruktvalidität hinweisen (mittlere konvergente Validität
von .24 und mittlere diskriminante Validität von .41), ergeben sich bei
Betrachtung des nomologischen Netzwerkes Anzeichen auf vorhandene
Konstruktvalidität.
In einer weiteren Auswertung werden die Effekte auf die
Multitrait-Multimethod-Matrix untersucht, welche sich dadurch ergeben,
dass identische Dimensionen teilweise durch identische Beobachter und teilweise
durch verschiedene Beobachter beurteilt werden (gemeinsame Beobachtervarianz). Diese stellen sich anders als beim Assessment Center als vernachlässigbar heraus.
Welche Folgen ergeben sich aus dem Erkennen von Anforderungsdimensionen auf
Leistung und konvergente Validität? Kleinmann (1993) konnte zeigen, dass
Personen im Assessment Center (AC) besser abschneiden, wenn sie die zugrunde
liegenden Anforderungsdimensionen erkennen.
Außerdem wies er nach, dass das Ausmaß des Erkennens die konvergente Validität
beeinflusst. In unserer zweiten Studie (N = 95) wurden die wesentlichen
Überlegungen und Ergebnisse dieser Untersuchung auf das strukturierte Interview
übertragen und repliziert.
Weiterhin wurden die Zusammenhänge zwischen Beurteilung im AC bzw. Interview
und Erkennensleistung im AC bzw. Interview berechnet.
Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass es sich beim Erkennen der
Anforderungsdimensionen um eine Fähigkeit oder Fertigkeit handelt, die relativ
unabhängig vom zugrunde liegenden Instrument erfasst werden kann.
Welche Auswirkungen hat die Bekanntgabe der Anforderungsdimensionen
(Transparenz) auf die Konstruktvalidität im strukturierten Interview ?
Dieser Frage wurde in zwei unabhängigen Experimentalstudien
(Studie A mit N = 123, B mit N = 176) nachgegangen.
Dabei ergaben sich für beide Studien übereinstimmende Ergebnisse.
So kam es unter Transparenz zu einem Leistungsanstieg der Bewerber.
Dies konnte aufgrund von Assessment Center (AC) Studien nicht erwartet werden.
Erwartet und bestätigt werden konnte jedoch die höhere
Beurteilerübereinstimmung in der Transparenz-Bedingung.
Hypothesenkonform kam es außerdem zu einem Anstieg der internen
Konstruktvalidität des MMI unter Transparenz. Weiterhin waren in Studie B die
korrelativen Beziehungen zwischen MMI und einem Kriterium (AC) wie erwartet
unter Transparenz tendenziell niedriger als unter Intransparenz.
Implikationen der Studien für die Praxis und Vorschläge für weitere Forschung
werden diskutiert.