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Beschlüsse der Konferenz der Direktoren der hessischen Wissenschaftlichen Bibliotheken

Beschluß vom 24.04.1996:

Hessische Speicherbibliothek

Die Konferenz der Direktoren der hessischen wissenschaftlichen Bibliotheken (HDK) hat sich am 24. April 1996 auf der Grundlage eines Konzeptionsentwurfs von B. Dugall erneut ausführlich mit der Frage einer hessischen Speicherbibliothek befaßt. Im Anschluß an ihren grundlegenden Beschluß vom 24. Januar dieses Jahres, der eine hessische Speicherbibliothek grundsätzlich begrüßt, Arolsen jedoch als Standort ablehnt, beschließt die HDK aus bibliotheksfachlicher Sicht die nachfolgenden Grundsätze. Sie bezieht sich dabei auf die einschlägigen Empfehlungen des Wissenschaftsrats von 1986 (WR) und der Arbeitsgruppe Finanzierung der wissenschaftlichen Bibliotheken von 1994 (Informationssystem Hessen).

  1. Die hessische Speicherbibliothek ist als kooperative Einrichtung zur Archivierung selten genutzter Literatur zu konzipieren.

  2. Sie muß an einem Ort positioniert werden, der eine optimale Anbindung an die beteiligten Bibliotheken durch Transportdienste sicherstellt. Diese Positionierung muß sich auch an der zu erwartenden Nutzung der Materialien aufgrund der gegebenen regionalen Verteilung der Bibliotheken orientieren. Aus diesen Gründe hat die Arbeitsgruppe Finanzierung der wissenschaftlichen Bibliotheken einen Standort in Frankfurt vorgeschlagen (Informationssystem Hessen, S.15). Die HDK unterstützt diesen Vorschlag ausdrücklich.

  3. Der Standort Frankfurt empfiehlt sich auch wegen der von der Universitätsbibliothek Mainz angestrebten Kooperation. Um auch zukünftig eine effektive Kommunikation innerhalb der hessisch-rheinlandpfälzischen Leihverkehrsregion sicherstellen zu können, empfiehlt die HDK mit Nachdruck, die UB Mainz von Anfang an in die Planungen für eine gemeinsame Speicherbibliothek einzubeziehen.

  4. Die Arbeitsgruppe Finanzierung der wissenschaftlichen Bibliotheken hat weiter empfohlen, die Speicherbibliothek als separate Einrichtung zu organisieren (Informationssystem Hessen, S.15). Die HDK schließt sich dieser Empfehlung an. Sie schlägt vor, der Leitung der Speicherbibliothek ein beratendes, bibliotheksfachliches Gremium zuzuordnen, in dem die beteiligten Bibliotheken vertreten sind.

  5. Grundsätzlich sind sämtliche in der Speicherbibliothek zu magazinierenden Materialien maschinenlesbar in der HEBIS-Verbunddatenbank zu erfassen; sie müssen im Verbund und darüber hinaus online recherchierbar und bestellbar sein (vgl. WR S.38).

  6. Da eine Retrokonversion derart umfangreicher bibliographischer Datenmengen von den Einzelbibliotheken aus ihren Etats nicht zu leisten ist, müssen dafür laufend und in ausreichendem Umfang zentrale finanzielle und personelle Mittel bereitgestellt werden. Zu beachten ist dabei, daß derartige Konversionsmaßnahmen, die sich ja auf auszulagernde, selten genutzte Literatur beziehen, nicht in Konkurrenz zur Retrokonversion der Hauptkataloge in den Bibliotheken geraten dürfen; denn die Retrokonversion der neuesten, vielbenutzten Literatur (vor 1987) hat im Hinblick auf die Nutzernachfrage für die Bibliotheken nach wie vor oberste Priorität (vgl. Informationssystem Hessen, S.15).

  7. Für eine zentrale Magazinierung kommen in erster Linie Periodica und Dissertationen in Betracht. Dagegen spielt das Ausscheiden von Monographien wegen des hohen Aussonderungsaufwands nur eine untergeordnete Rolle (vgl. WR S.36f. sowie Informationssystem Hessen, S.15).

  8. Aufbau und Einrichtung einer Speicherbibliothek erfordern einen angemessenen zeitlichen Vorlauf zur Planung und zur Vorbereitung. Sollte gleichwohl die hessische Speicherbibliothek aus nicht bibliotheksfachlichen Gründen kurzfristig in Betrieb gehen, liegt es in einer Aufbauphase für die Bibliotheken nahe, zunächst solche Bestände abzugeben, die den geringsten Aussonderungsaufwand verursachen.

  9. Die HDK empfiehlt, in einem ersten Schritt die kompletten Dissertationsbestände abzugeben. Die zentrale Magazinierung eines umfassenden hessischen Dissertationenbestands hätte den Vorteil, daß auf seine maschinenlesbare Erschließung (zunächst) verzichtet werden könnte: Sämtliche Bestellungen von Dissertationen könnten dann "blind" an die Speicherbibliothek gerichtet werden, da diese in der hessisch-rheinlandpfälzischen Leihverkehrsregion andernorts nicht (mehr) zu erwarten wären. Im übrigen ließe sich bei einem solchen Vorgehen die zukünftige Erwerbung von Dissertationen zentral bei der Speicherbibliothek anbinden.

  10. Als zweite für eine Auslagerung in eine zentrale Speicherbibliothek zu berücksichtigende Bestandsgruppe empfiehlt die HDK "ältere" Periodicajahrgänge. Die Abgabe von Periodica hat den Vorteil, daß sämtliche Titel- und Bestandsdaten bereits maschinenlesbar erfaßt und über die OPACs der Einzelbibliotheken recherchierbar sind. Auch ist der Aussonderungsaufwand überschaubar. Um eine zügige Belieferung der Benutzer mit Aufsatzkopien sicherstellen zu können, ist von Anfang an eine dem modernsten Stand der Technik entsprechende Geräteausstattung (Scanner u.a.) sowie ausreichendes Personal erforderlich. Die Speicherbibliothek muß dazu auch in vollem Umfang in den Deutschen Leihverkehr einschließlich seiner zukünftigen Ausprägungen (SUBITO und dgl.) integriert sein (vgl. WR S.37).

  11. Die HDK empfiehlt im übrigen, mit der Speicherbibliothek eine Zentralisierung weiterer bibliothekarischer Dienstleistungen zu verbinden. Sie denkt dabei in erster Linie an den Aufbau einer hessischen Verfilmungs- und einer Digitalisierungszentrale. Hinsichtlich der Restaurierung hält sie allerdings an einer früheren Konzeption fest, die vorsieht, zwei zentrale Restaurierungswerkstätten in Hessen auf bestehenden Einrichtungen aufzubauen, und zwar in Darmstadt und Marburg, wo jeweils seit langem enge Verflechtungen mit den Staatsarchiven und Hochschulinstituten vorhanden sind.


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