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Beschlüsse der Konferenz der Direktoren der hessischen Wissenschaftlichen Bibliotheken

Beschluß vom 15.04.1986:

Veranschlagung der Haushaltsmittel für die Universitätsbibliothek im Landeshaushalt

Soweit die hessischen Universitätsbibliotheken voll in die jeweilige Hochschule integriert sind, erhalten sie ihre Mittel über den Ständigen Ausschuß für Haushaltsangelegenheiten (StA III) der Universität zugewiesen. Diese im Einklang mit den Bestimmungen des Hessischen Universitätsgesetzes (HUG) stehende Vorgehensweise bewirkt, daß die Universitätsbibliothek sich in vollem Umfang der Konkurrenz aller anderen Einrichtungen zu stellen hat. Bei den zweigleisig angelegten Bibliothekssystemen in Gießen, Frankfurt und Marburg entsteht somit als ein wesentliches Problem die Frage der Verteilung zwischen Zentralbibliothek und dezentralen Fachbereichs-, Instituts und Seminarbibliotheken. Darüber hinaus sind auch die für wissenschaftliches Schrifttum (523 71) im Haushaltsplan des Landes ausgewiesenen Mittel aufgrund der gegenseitigen Deckungsfähigkeit innerhalb der Titelgruppe 71 bewußt in die universitäten Verteilungsprozesse einbezogen.

Ohne die durch diese Situation aufgeworfenen Schwierigkeiten (dezentrale Tendenzen, Diskontinuität im Bestandsaufbau u.a.) einer tiefergehenden Analyse zu unterwerfen, ist festzustellen, daß die finanzielle Situation der hessischen Universitätsbibliotheken sich in den letzten 10 Jahren weiter verschlechtert hat. Während die Universitätsbibliotheken Gießen und Marburg noch Anfang der 70er Jahre den Vergleich mit anderen bundesdeutschen Universitätsbibliotheken hinsichtlich ihres Etats nicht zu scheuen brauchten, sind sie nunmehr stark abgefallen. Das verdeutlicht die folgende Tabelle, in der die Etats der 28 deutschen Universitätsbibliotheken mit zweigleisigem Bibliothekssystem zu Gruppen zusammengefaßt sind (Quelle: DBS. Deutsche Bibliotheksstatistik 1984. Teil B - Wissenschaftliche Bibliotheken. Tabelle 04.1 Ausgaben für die Bestandsvermehrung ohne Einbandkosten Sp. 13):

Erwerbungsetat in DM:


Die Tabelle zeigt, daß mit Ausnahme der hessischen Universitätsbibliotheken und der Universitätsbibliothek Würzburg Erwerbungsetats unter 1,5 Millionen DM nur noch in den Fällen auftreten, in denen entweder ein erheblich eingeschränktes Fächerspektrum abzudecken ist (TU Braunschweig, Stuttgart-Hohenheim, Clausthal-Zellerfeld), oder mehrere große Bibliotheken sich die Literaturversorgung am Ort teilen (München: Staatsbibliothek, UB und UB der TU; Hannover: UB, TIB und LB).

Nach weiteren Gründen für die stark differierenden Erwerbungsmittel soll hier nicht gefragt werden. Zusammenhänge zwischen der Finanzausstattung der Universitätsbibliotheken und der Größe der Hochschulen bezogen auf Studenten- oder Professorenzahlen sind jedenfalls nicht vorhanden. Es muß allerdings auffallen, daß in der Gruppe der Bibliotheken mit einem Erwerbungsetat von mehr als 1,75 Mill. DM mit Ausnahme der beiden Berliner Bibliotheken nur Einrichtungen zu finden sind, die hinsichtlich ihrer Mittelausstattung nicht demVerteilungskampf innerhalb der jeweiligen Hochschule unterliegen, sondern im Landeshaushalt über eigene Titelgruppen (Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, teilweise Niedersachsen, Hamburg) eigene Titel (Kiel) oder Zweckbindungsvermerke (Saarbrücken) abgesichert sind.

Es ist anhand der Deutschen Bibliotheksstatistik leicht zu belegen, daß die hessischen Universitätsbibliotheken, insbesondere Marburg und Gießen, im bundesdeutschen Vergleich Jahr für Jahr weiter zurückfallen. Mit 61.131 Bestellungen im auswärtigen Leihverkehr ("nehmende Fernleihe" 1985) weist die Universitätsbibliothek Gießen in der Bundesrepublik einen einmalig hohen Wert auf und liefert damit den besten Beweis, daß sie praktisch nur noch mit einseitiger Unterstützung anderer wissenschaftlicher Bibliotheken der ihr zugedachten Aufgaben mühsam gerecht werden kann. Aus Sicht der Konferenz der Direktoren der wissenschaftlichen Bibliotheken in Hessen ist es daher dringend geboten, die 1981 im Bibliotheksentwicklungsplan Hessen ausgesprochenen Empfehlungen wieder aufzugreifen und im Interesse der Konkurrenzfähigkeit der hessischen Hochschulen auf eine ausreichende und abgesicherte Mittelausstattung der Universitätsbibliotheken zu drängen.

Da sich in der Vergangenheit gezeigt hat, daß dieses Ziel zumindest in der Praxis unter den an den hessischen Universitäten vorliegenden Gegebenheiten nicht erreicht werden kann muß nach neuen Wegen gesucht werden. Es ist dabei auch zu berücksichtigen, daß die Universitätsbibliotheken in erheblichem Umfang auch die regionale Literaturversorgung mit abzudecken haben, insbesondere weil wissenschaftliche Stadtbibliotheken in Gießen und Marburg nicht vorhanden sind. Somit fließt in ihren Aufgabenbereich eine außeruniversitäre, d.h. landesbibliothekarische Komponente mit ein, die derzeit bei der Verteilung der Haushaltsmittel nicht berücksichtigt wird.

Die finanziellen Probleme der Universitätsbibliotheken und ihre Ursachen haben offensichtlich auch bei den Kanzlern der hessischen Hochschulen dazu geführt, für die Zentralbibliotheken im Haushaltsplan eine eigene Titelgruppe zu fordern und eine Behandlung in Analogie zu den Hochschulrechenzentren (ATG 69) anzustreben. Die Konferenz der Direktoren der wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes Hessen unterstützt diese Forderungen mit Nachdruck. Eine zur sachgerechten und kontinuierlichen Erfüllung der Aufgaben notwendige Finanzausstattung ist nur zu erzielen, wenn die Zuweisung der Mittel an die Universitätsbibliotheken bereits im Landeshaushalt"festgeschrieben" wird und nicht mehr in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Hochschule fällt. Dabei ist aber gleichzeitig sicherzustellen, daß der ausgewiesene Betrag sich keinesfalls an den zur Zeit vorhandenen Etats orientiert, sondern im Rahmen einer mittelfristigen Finanzplanung eine ausreichende Finanzausstattung gewährleistet ist.




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