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Texte des Deutschen Bibliotheksverbandes. Landesverband
Hessen
Text vom 13.03.1996:
Einige Grundsätze zum Problem der Gebühren in
öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken
In einer Zeit leerer öffentlicher Kassen, wie wir sie jetzt
erleben, wird im Rahmen der Behandlung der Grundsatzfrage der
Finanzierung von Kultur und Wissenschaft immer öfter die
Forderung aufgestellt, Bibliotheken müßten sich
"refinanzieren", sie müßten ihre Einnahmen "vermehren",
Sponsoren ausfindig machen, die ihr Literaturangebot
unterstützen.
Der Deutsche Bibliotheksverband (DBV) hat sich sowohl auf der
Bundes- als auch auf der Landesebene mehrfach zum Problem der
Gebühren in öffentlichen und wissenschaftlichen
Bibliotheken geäußert. Der Landesverband Hessen des DBV
beabsichtigt an dieser Stelle, noch einmal einige Grundsätze
dazu herauszustellen. Diese Kernaussagen empfiehlt er seinen
Mitgliedsbibliotheken u.a. als Leitlinie in
Haushaltsverhandlungen.
- Im Rahmen des Kulturstaatsgebots bleiben Bund, Länder und
Kommunen als Unterhaltsträger für die Finanzierung
der öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken
zuständig.
- Die Frage der Ausstattung der Bibliotheken ist eine Frage des
politischen Willens der Verantwortlichen bzw. eine Frage des
Rangs, den die Kultur- und Wissenschaftspolitik jeweils
einnimmt. Daraus ergibt sich der politische Stellenwert der
Bibliotheken.
- Auf dem Weg über eine Anhebung der Gebühreneinnahmen
von Bibliotheken läßt sich weder die
Haushaltssituation der Unterhaltsträger entlasten noch die
Etatmisere der Bibliotheken beheben. Aus Gebühren- und
anderen Einnahmen kann allenfalls ein sehr kleiner Teil der
Ausgaben einer Bibliothek bestritten werden, da sie in aller
Regel nur einem untergeordneten Anteil am Bibliothekshaushalt
entsprechen können. Das heißt: es ist den Bibliotheken nicht möglich, einen nennenswerten Teil ihres Etats
selbständig zu erwirtschaften.
- Insbesondere bei der Einrichtung neuer
Gebührentatbestände muß beachtet werden,
daß die Vereinnahmung von Gebühren sowie die
Verwaltung der eingenommenen Gelder ihrerseits wieder
kostenverursachend wirken. Dieser Kostenfaktor schmälert
die tatsächlichen Einnahmen.
- Gebühreneinnahmen können zwar durchaus gesteigert
werden, jedoch nicht beliebig, da sie sonst prohibitiv wirken.
Daraus entstünde unter Umständen ein nicht zu
unterschätzender, wenngleich kaum meßbarer
volkswirtschaftlicher Schaden, wenn die Bibliotheken etwa auf
diese Weise gehindert würden, ihre Aufgaben zu
erfüllen (Rückgang der Benutzung u.a.)
- Der DBV lehnt allgemeine Benutzungsgebühren ab,
befürwortet jedoch die Ausschöpfung der unter kultur- und wissenschaftspolitischen Gesichtspunkten vertretbaren Spielräume bei der Bemessung von Gebühren für
besondere Dienstleistungen. Auf gar keinen Fall darf der freie
Zugang zu den Räumen und Beständen der Bibliotheken
angetastet werden (Präsenzbenutzung).
- Das Prinzip der Kostendeckung, das das Hessische
Verwaltungskostengesetz vorschreibt, ist bei der Bemessung der
Gebührensätze zu beachten. Allerdings ist es nicht
immer realisierbar. So scheidet es etwa als Bemessungsgrundlage
für die Fernleihgebühren aus, da kostendeckende
Gebühren den Fernleihverkehr praktisch abschaffen
würden.
- Verwaltungsgebühren, die wie Mahngebühren vom Benutzer
verursacht werden, sollen unter Beachtung des
Kostendeckungsprinzips so bemessen werden, daß ihrem Ziel
(hier: allgemeine Verfügbarkeit der Bestände) im
Interesse der Gesamtbenutzerschaft
größtmöglicher Nachdruck verliehen wird.
- Bibliotheken sind im Rahmen des kultur- und
wissenschaftspolitisch Vertretbaren an einer Steigerung ihrer
Einnahmen interessiert. Um dieses Interesse zu fördern,
müssen die Gebühreneinnahmen grundsätzlich den
Bibliotheken zur Verstärkung ihrer Ausgaben zur
Verfügung stehen. Der DBV empfiehlt den
Unterhaltsträgern, entsprechende Vermerke in den
Haushalten anzubringen.
- Der DBV empfiehlt darüber hinaus eine Veränderung der
kameralistischen Prinzipien der Haushaltsordnungen im Sinne
einer Flexibilisierung der haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen dahingehend, daß die Bibliotheken mehr
unternehmerische Initiative entfalten können, etwa durch
Übertragung von Mitteln von einem Jahr auf das andere
(Ansparmöglichkeit), durch Herstellung und Verkauf von
bibliotheksbezogenen Artikeln u.a.
- Der DBV empfiehlt den Bibliotheken, nach Möglichkeit
Fördervereine zur kontinuierlichen Unterstützung und
Einwerbung von Drittmitteln zu gründen.
- Der DBV empfiehlt den Bibliotheken, nach Möglichkeit
zusätzliche Mittel durch Sponsoren einzuwerben. Dabei darf
nicht vergessen werden, daß die Sponsoren ihrerseits i.a.
Leistungen der Bibliotheken bzw. Zweckbindungen ihrer Gelder
erwarten (z.B. Werbung auf Bibliotheksformularen und in
Bibliothekspublikationen, Erwerbung einer bestimmten Handschrift, einer bestimmten Cimelie, Finanzierung der
Restaurierung eines "Partnerbuches", Abonnement einer
bestimmten Zeitschrift).
- Drittmitteleinnahmen können in aller Regel lediglich ein - mehr oder weniger zufälliges, zudem meist zweckgebundenes
- "Zubrot" für die Bibliotheken sein. Sie sind kaum
verläßlich einplanbar und können daher nicht
zur Deckung der laufenden allgemeinen Unterhaltskosten
beitragen.
- Der DBV fordert Bundes- und Landesregierungen auf, Anreize zu
setzen, um das Spendenaufkommen zugunsten der Kultur und der
Wissenschaft nennenswert zu erhöhen, etwa indem sie es
steuerlich begünstigen, Schenkungen und Stiftungen von der
Steuer freistellen u.a.m. Der DBV begrüßt aus diesem
Grund das "Darmstädter Manifest", dessen Ziel es ist, das
Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht in diesem Sinn zu reformieren.
13.03.1996
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